Spanien: Korruption bringt Ex-Innenminister auf die Anklagebank

Protest gegen die korrupte PP 2013. Bild: Popicinio/CC BY-SA-2.0

Auch für den geflüchteten Ex-König spitzt sich die Lage zu, allerdings wegen Ermittlungen in der Schweiz. Sein Vermögen soll er mit Waffengeschäften gemacht haben.

Dass die ehemalige spanische Regierungspartei massiv in Korruption und Spionage verwickelt ist, ist wahrlich keine Neuigkeit mehr. Schließlich wurde die ultrakonservative Volkspartei (PP) und CDU-Schwesterpartei schon wegen ihres „effizienten Systems institutioneller Korruption“ im Rahmen des „Gürtel“-Skandals verurteilt. Erstaunlich ist nun eher, dass sich mit dem ultrakatholischen Mitglied der Vatikansekte Opus Dei und damit dem ehemaligen Innenminister Jorge Fernández Díaz tatsächlich ein hoher Verantwortlicher der Regierung auf die Anklagebank setzen muss.

Dass dieser vermutlich einen Spionagering aus dem Innenministerium geleitet hat, dafür gab es seit langem erdrückende Hinweise. Krass & Konkret hatte darüber auch schon berichtet, dass er auch die Justiz eingesetzt hatte, um politische Gegner mit falschen Anschuldigungen zu diskreditieren. „Das wird dir die Staatsanwaltschaft anpassen“, hatte der Ex-Innenminister in einem aufgenommenen Gespräch erklärt, um zum Beispiel eine Anklage gegen den ehemaligen Bürgermeister von Barcelona zu konstruieren. Vorgegangen wurde auch gegen Aktivisten, die sich wie Helena Maleno für Flüchtlinge einsetzen. Denen wurde das Leben zur Hölle gemacht, wie sie im Interview mit Krass & Konkret ausführte.

Aus seinem Ministerium wurde auch über die „Kloaken“ zur Hatz auf die Linkspartei „Podemos“ geblasen. Stets spielte darin die „politische Brigade“ oder die sogenannte „Patrioten-Polizei“ um den korrupten Polizei-Kommissar José Villarejo eine zentrale Rolle. All diese Vorgänge haben allerdings nicht dazu geführt, dass sich Fernández Díaz auf die Anklagebank des Nationalen Gerichtshof setzen muss. Dazu führte die Tatsache, dass die PP den eigenen Schatzmeister Luis Bárcenas in der „Operation Kitchen“ ausspioniert und belastendes Material von ihm gestohlen haben soll.

Der ehemalige Regierungschef Mariano Rajoy bleibt verschont

Bárcenas ist längst verurteilt und seit Jahren inhaftiert. Der Schatzmeister hatte genau Buch über die Schmiergelder geführt, die in 20 Jahren im Gegenzug für öffentliche Aufträge an die PP geflossen sind – und wie diese „Spenden“ danach zum Beispiel in „Zusatzlöhnen“ an hohe Parteimitglieder in Bargeldumschlägen gingen. Ein gewisser M. Rajoy soll demnach sogar die Höchstsumme erhalten haben, womit nach allgemeiner Ansicht der ehemalige PP-Chef und Spaniens Ex-Regierungschef Mariano Rajoy gemeint war. Aus diesen „Kloaken“ soll auch ein verurteilter „Auftragsverbrecher“ angeheuert worden sein, um über eine Entführung von Bárcenas-Angehörigen an die Beweise für die Korruption zu kommen. Und der gesamte Vorgang soll über die staatlichen Geheimfonds, also über Steuergelder, finanziert worden sein.

Der Untersuchungsrichter Manuel García‑Castellón wirft dem einflussreichen PP-Abgeordneten und Ex-Innenminister unter anderem Amtspflichtverletzung, Geheimnisverrat, Veruntreuung, Bestechung und unerlaubte Einflussnahme vor. Es geht auch um den Umbau der PP-Parteizentrale in der Genova-Straße in Madrid, die ebenfalls aus den Schwarzgeldkassen der Partei bezahlt worden sein soll. Angeklagt werden neben dem Ex-Innenminister weitere zehn Personen, die in die Vorgänge verwickelt gewesen sein sollen.

Obwohl Rajoy von den Schmiergeldern profitiert und von der Spionage gegen Bárcenas nach dessen Aussagen gewusst haben sollt, konnte sich der ehemalige Parteichef bisher aus jeder Verantwortung stehlen. Eine frühere Zeugenbefragung war mehr als peinlich, vor allem für die spanische Justiz, die sich eher schützend vor ihn gestellt hatte, statt ihm auf den Zahn zu fühlen. Aber auch die ehemalige PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal wird nicht angeklagt, obwohl sowohl Bárcenas als auch Villarejo auch auf ihre Verwicklung hingewiesen hatten.

Villarejo hatte zum Beispiel erklärt, die Generalsekretärin immer wieder über die Vorgänge informiert zu haben, unter anderem auch bei Treffen im Ministerium, als Cospedal Verteidigungsministerin war. Dass Cospedal nach eigenen Aussagen nur wenige Male mit Villarejo zusammengekommen sein will, hat sich längst als Lüge herausgestellt. Das hatte die Zeitung Público mit Blick auf Unterlagen von Villarejo widerlegt. Zudem hatte die rechte Hand von Cospedal ausgesagt, wie man den korrupten Polizisten bisweilen versteckt in die Parteizentrale schmuggelte.

Zunächst sei Rajoy nur über die Generalsekretärin informiert worden, doch später habe man ihm Telefonnummern geliefert, um direkt mit dem Regierungschef über Kurznachrichten kommunizieren zu können, sagte Villarejo aus. Das alles ist aber für den konservativen Ermittlungsrichter nicht genug, um auch gegen Cospedal und Rajoy zu ermitteln und sie anzuklagen. In der politisierten spanischen Justiz wird offensichtlich Schadensbegrenzung betrieben. Ob der ehemalige Innenminister jemals verurteilt wird, bleibt abzuwarten.

Geflüchteter spanischer König Juan Carlos im Visier von Schweizer Ermittlern

Dass man es mit der Anklage von hochrangigen Politikern schwertut und es zum Beispiel im Fall des ehemaligen Staatschefs alles andere als eilig hat, ist auch längst bekannt. Sogar die jetzige sozialdemokratische Regierung hatte Juan Carlos vor fast genau einem Jahr geholfen, dass der sich vor den Ermittlungen gegen ihn ins Ausland absetzen konnte. Das sorgt immer wieder, auch jetzt erneut, für Spannungen mit dem linken Koalitionspartner „Unidas Podemos“ (UP). Dass der Steuerzahler weiterhin für die Bewachung des Mannes in den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zahlt, gegen den in Spanien wegen Steuerhinterziehung und in der Schweiz wegen Geldwäsche und Korruption ermittelt wird, nervt die Linkskoalition. Die Podemos-Chefin Ione Belarra spricht von einer „ernsten demokratischen Anomalie“ und von einer „enormen Diskreditierung der Institutionen“. Der Ex-Staatschef habe das Weite gesucht, um nicht für seine „Akte vor der Bevölkerung geradestehen zu müssen“.

In der Schweiz wurden die Ermittlungen nun ausgeweitet. Während sie in Spanien eher verschleppt werden und Juan Carlos sie mit zwei Steuer-Nachzahlungen auszuhebeln versucht, womit er diese Vergehen allerdings eingeräumt hat, klagt die Schweizer Staatsanwaltschaft nun auch den Chef der Privatbank Mirabaud an. Der Genfer Staatsanwalt Yves Bertossa, der seit 2018 unter anderem auch gegen die ehemalige Geliebte von Juan Carlos ermittelt, wirft Yves Mirabaud vor, einen merkwürdigen Vorgang nicht den für Geldwäsche zuständigen Behörden gemeldet zu haben.

Es geht in diesem dem Fall um 100 Millionen US-Dollar, die Juan Carlos, der wegen seiner Skandale frühzeitig 2014 abdanken musste, angeblich als Schenkung aus Saudi-Arabien bekommen haben will. Das Geld ging unversteuert auf einem Mirabaud-Konto ein, das auf den Namen der Lucum Foundation mit Sitz in Panama lautete. Hauptbegünstigter war Juan Carlos, aber auch sein Sohn und Nachfolger auf dem Thron Felipe. Der versuchte sich von der Erbschaft zu distanzieren, allerdings erst, als die Sache öffentlich geworden war. Dabei wusste Felipe seit etlichen Monaten von den Vorgängen.

Ob Schmiergelder für den Bau einer Schnellzugtrasse zwischen Mekka und Medina im Hintergrund stehen, wie allseits vermutet wird, ist fraglich. Journalistische Recherchen weisen vielmehr darauf hin, dass der Ex-König, von Diktator Franco als Nachfolger ausgewählt, sein Vermögen, das auf etwa 2,3 Milliarden Euro geschätzt wird ), vor allem mit Waffengeschäften mit den Diktaturen in der arabischen Wüste angehäuft hat. Schweizer Ermittler sehen einen Zusammenhang mit Zahlungen, die jeweils nach offiziellen Reisen von Juan Carlos in Länder wie Saudi-Arabien, Dubai, Kuwait oder  Bahrein eingegangen sein sollen.

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