(Sound-)Kanonen auf Flüchtlinge

Long Rance Acoustic Device (LARD). Screenshot aus einem YouTube-Video des Herstellers Genasys

Aufregung um das griechische Immigrationsministerium. In Griechenland hat die Impfkampagne am vergangenen Donnerstag endlich in den Flüchtlingslagern auf Chios, Lesbos und Samos angefangen. Trotzdem überwiegen die schlechten Nachrichten der vergangenen Tage.

 

Frankreich, Deutschland und weitere EU-Staaten beschweren sich darüber, dass aus Griechenland immer mehr dort bereits anerkannte Flüchtlinge in ihre Staaten kommen, um erneut Asyl zu beantragen. Grund sind die inhumanen Lebensbedingungen, denen auch anerkannte Asylanten in Griechenland ausgesetzt sind. Allerdings ist dies bereits seit langem bekannt. Es gehörte zu den Wahlversprechen von Premierminister Kyriakos Mitsotakis, Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen das Leben so schwer wie möglich zu machen. Damit will die konservative Regierung in Athen Menschen von der Flucht nach Griechenland abschrecken.

Griechenland will zudem Asylanträge von Menschen aus Somalia, Pakistan, Afghanistan, Syrien und Bangladesch ablehnen, wenn sie aus der Türkei ins Land kommen. Migrationsminister Notis Mitarachis verkündete dies am Montag in einer Stellungnahme seines Ministeriums.

Das Problem bei diesem Standpunkt ist, dass er die Türkei als sicheren Drittstaat ansieht. Wie aber der nach Ansicht der griechischen Regierung für die Geflüchteten sichere Drittstaat Türkei zur Tatsache passt, dass eben diese Türkei seit März 2020 keine Rückführungen aus Griechenland mehr akzeptiert, das lassen die griechischen Offiziellen offen.

Tatsächlich wird diese Regelung nur dazu führen, dass die bislang noch nicht als Asylbewerber registrierten Geflüchteten aus diesen Herkunftsstaaten, ebenso wie die künftigen Neuankömmlinge in Griechenland in einer total rechtsfreien Situation gefangen sein werden. Offenbar soll auch dies Menschen abschrecken.

Künftig sollen sich auch mit sogenannten Sound-Kanonen vom Grenzübertritt abgehalten werden. Die „Kanonen“ sollen mit Dezibel-Stärken, welche die Laustärke eines in direkter Umgebung befindlichen Jet-Flugzeugs erreichen und mit hohen Tönen Menschen auch körperlich Schmerz zufügen. Bei der Vorstellung der Sound-Kanone in den griechischen Medien wurde betont, dass es sich um eine griechische Kooperation mit der EU handele. Bis zum Ende des Jahres sollen die Kanonen die weiteren Grenzbefestigungen ergänzen.

Griechenland hat den Zaun am Evros Fluss an der Grenze zur Türkei verstärkt. Die Grenzschützer wurden zudem mit zahlreichen elektronischen Hilfsmitteln ausgestattet. Das Internetportal in.gr betonte, dass alles, auch der Einsatz der Sound Kanone, mit dem Segen der EU-Kommission geschehe.

Nur kurz nach diesen Artikeln in der griechischen Presse, wurde aus Brüssel dementiert, dass die EU in die Sache mit den Sound-Kanonen involviert sei. Brüssel reagierte damit auf Presseanfragen aus Griechenland. Europaabgeordnete wie Guy Verhofstadt distanzierten sich von der Härte, mit der die griechische Regierung gegen Geflüchtete vorgeht.

Staatsanwalt ermittelt wegen Push-backs

Die Staatanwaltschaft des obersten Gerichts, des Areopags, beschäftigt sich nun mit Ermittlungen gegen griechische Behörden. Es geht um illegale Push-backs. Die Staatsanwaltschaft reagiert damit auf eine Anzeige von Menschenrechtsorganisationen, wie dem Hellenischen Observatorium des Helsinki-Abkommens, welche für die Zeit von März 2020 bis Dezember 2020 insgesamt 147 Fälle von Push-backs mit rund 7000 abgeschobenen Personen dokumentiert haben.

Zeugnisverbot für Beamte

Die Ermittlungen dürften sich kompliziert gestalten. Das liegt nicht nur an der Thematik, sondern auch an einem internen Schreiben, welches das Migrationsministerium von der Rechtsabteilung des Finanzministeriums erhielt. In dem Schreiben, welches an die Presse durchsickerte, wird betont, dass es Staatsbediensteten untersagt ist, gegen den Staat vor Gericht auszusagen. Andernfalls drohen Gefängnisstrafen und Disziplinarverfahren.

Als Zeugen, so heißt es im Schriftstück vom 1. Juni 2021, dürfen die Staatsangestellten nur zu Gunsten des Staats aussagen. Eine gesetzliche Grundlage wird ebenso wenig genannt wie der Anlass, weswegen dieses Schreiben überhaupt erstellt wurde. Es gab sofort heftige Reaktionen der Opposition.

Am 4. Juni ruderte das Migrationsministerium etwas zurück, aber nur etwas. Nun sollen die Angestellten des Staats auch aussagen dürfen. Allerdings müssen sie sich vorher die Erlaubnis des Ministers für die Aussage holen.

Es ist offensichtlich, dass die Regierung in Athen sämtliche Schlupflöcher für Whistleblower, aber auch für Belastungszeugen schließen möchte. Bereits jetzt müssen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Angestellte in Flüchtlingslagern Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben. Sie dürfen nicht darüber sprechen, was sie in den Lagern erleben.

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