Pashtana Durrani: „Hört auf, uns zu bemitleiden! Steht uns lieber bei!“

Die Feministin Pashtana Durrani in Kandahar im Interview mit Marcel Malachowski: Sie wirft dem Westen vor, die Massenpanik nicht verhindert zu haben, und fordert, nun wirklich zu helfen und sie im Kampf zu unterstützen.

Pashtana Durrani ist Gründerin und Leiterin des Projektes LEARN , das in den letzten Jahren hunderte Mädchenschulen in ganz Afghanistan gefördert, in Projekten digitale Kompetenz gelehrt und auch Gesundheitsschulungen und Sexualaufklärung für Frauen betrieben hat. Sie arbeitete mit verschiedenen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International zusammen und veröffentlichte Artikel in der Kabul Times.

Gerade wehrte sie sich in einem Tweet gegen die gerne verbreitete Behauptung, erst die Amerikaner und die Nato hätten die Frauenrechte nach Afghanistan gebracht: „Ich finde es immer belustigend, wenn sie sagen, dass die Frauenrechte in Afghanistan eingeführt wurden, als die USA kamen. Aber ganz ruhig, wir hatten in den 60er Jahren Wahlrecht, Frauen als Ministerinnen und Abgeordnete und es gab Frauen an den Schulen, Universitäten und an den Arbeitsplätzen. Es war nicht alles Sonnenschein, aber sie hatten Rechte. Ihr habt es nicht eingeführt.“

 

Durrani war bis vor wenigen Tagen in Kandahar, das noch vor Kabul von den Taliban erobert wurde, und lebt zur Zeit an einem geheimen Versteck, dessen Ort aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden darf.

 

Wie ist die Situation in Afghanistan derzeit?

Pashtana Durrani: Afghanistan befindet sich gerade in einer Phase, in der es nicht nur mit Frieden und der Sicherheit, sondern auch mit humanitären Krisen, Bildungskrisen und vielem mehr in dieser Richtung zu kämpfen hat.

Was sind denn Deine Gefühle im Moment?

Pashtana Durrani: Ich kämpfe nur darum, an Rechten festzuhalten, die wirklich wichtig sind.

Und wovor hast du Angst?

Pashtana Durrani: Ehrlich gesagt ist Angst gut, wenn man Gott fürchtet, nicht seine Schöpfung.

„Ich hoffe, dass das Leben weitergeht“

Wie steht es um Eure Mitarbeiter/innen und Freund/innen?

Pashtana Durrani: Einige sind geflohen und einige warten immer noch auf ihre Abreise. Andere werden aber hier ihr Leben fortsetzen.

Hast Du denn noch Hoffnung?

Pashtana Durrani: Ich muss Hoffnung haben. Afghanistan ist mein Mutterland, ich halte an meiner letzten Hoffnung fest.

Aber wie werden die nächsten Tage sein?

Pashtana Durrani: Wir haben mit unterschiedlichen Veränderungen zu rechnen. Aber ich hoffe immer noch, dass das Leben, wie wir es in Bezug auf Bildungsrechte, Bürgerrechte und politische Rechte kennen, weitergeht.

Bist Du denn bewaffnet, um Dich zu verteidigen?

Pashtana Durrani: Ich bin Menschenrechtsverteidigerin, wir glauben an Gewaltlosigkeit.

Kabul steht nun unter der Macht der Taliban. Was bedeutet das für die Menschen dort?

Pashtana Durrani: Es bedeutet, dass sich die politischen Strukturen ändern werden und die Afghanen Sicherheit brauchen, aber auch Dienste, für die die Taliban nicht sehr gut ausgebildet sind.

„Der Westen hätte den Afghanen jetzt zur Seite stehen müssen“

Glaubst Du denn, dass Afghanistan nun ein Kalifat wird, wie Al-Sham es war?

Pashtana Durrani: Nein.

Was bedeutet das für die Frauenrechte?

Pashtana Durrani: Frauenrechte haben eine gute Phase hinter sich und ich persönlich denke, dies wird nun eine viel härtere Phase sein, aber wir schaffen es!

Kann Afghanistan denn jemals wieder ein liberales Land werden?

Pashtana Durrani: Ich weiß nicht.

Was erwartest Du vom Westen?

Pashtana Durrani: Der Westen konnte und hätte afghanischen Frauen und afghanischen Zivilisten zur Seite stehen müssen und diese Massenpanik verhindern sollen.

Kann LEARN aber weiterarbeiten?

Pashtana Durrani: Ja, LERNEN geht weiter, egal wer an der Macht ist.

Was ist Deine Botschaft an die Welt gerade?

Pashtana Durrani: Hört auf, uns zu bemitleiden! Steht uns lieber bei! Ich hoffe, das sagt alles aus …

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