Der Impfschutz scheint bei Omikron deutlich geringer zu sein. Die neue Variante breitet sich in Großbritannien rasant aus. Nach einer Studie muss im besten Fall bis April mit 20 Millionen Infektionen, 175.000 Krankenhauseinlieferungen und 25.000 Toten gerechnet werden.
Aus Hongkong berichten Wissenschaftler der University of Hongkong und der Chinese University, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer viel weniger gegen Omikron schützen kann als gegen den ursprünglichen Sars-CoV-2-Virus. Der Schutz soll 32 Mal geringer sein. Die Wissenschaftler hatten Blutproben von Personen genommen, nachdem sie das zweite Mal geimpft waren und getestet, wie wirksam das Serum Omikron-Viren, entnommen aus einem Hongkonger Patienten, und Viren der anfänglichen Variante ist. Sie wollen aber keine Panik auslösen und versichern, allerdings ohne dies wissen zu können, dass eine Impfung weiterhin vor schwerer Erkrankung und Tod schützt. Die Versuche mit dem chinesischen Impfstoff Sinovac laufen noch, die Wissenschaftler gehen aber hier davon aus, dass der Schutz noch geringer ist.
Auch der Schutz einer Booster-Impfung könnte schnell nachlassen
Vergangene Woche hatten Biontech und Pfizer versichert, eine Booster-Impfung mit ihrem Impfstoff bite Schutz vor der Omikron-Variante (B.1.1.529). Eine dritte Impfung erhöhe nach Laboruntersuchungen den Impfschutz um 25 Prozent gegenüber der zweiten Impfung. Das entspreche dem Schutz, den eine zweifache Impfung gegen die vorherigen Virus-Varianten gewährt (allerdings schwindet dieser Schutz auch schnell nach der zweiten Impfung, die vor den Booster-Impfung als “vollständige Impfung” galt). Aber eine zweifache Impfung könne, so sucht Pfizer zu beruhigen, vermutlich vor schweren Erkrankungen schützen. Bis März will man den Impfstoff an Omikron angepasst haben, was erfreulich ist, wenn nicht noch eine neue Variante auftaucht.
Nach Berechnungen könnte auch der Schutz der Booster-Impfung schnell nachlassen, allerdings wird auch hier angenommen, dass sie vor schweren Erkrankungen schützt. Eine österreichische Laborstudie, die die Wirksamkeit gegenüber Omikron und drei früheren Varianten (B.1.1.7, B.1.351, B.1.617.2) auch anhand von Blutproben von “superimmunen” Genesenen und Geimpften, Genesenen ohne vorhergehende oder nachfolgende Impfung sowie von dreimal Geimpften mit den Vakzinen von Moderna, AstraZeneca und Biotech bzw. mit AstraZeneca und Biontech prüften. Genesene ohne Impfung waren nach der Serumprobe nicht vor Omikron gefeit, die Impfstoffe wirken deutlich weniger als gegen die früheren Varianten, die “Superimmunen” waren am besten geschützt. Die Wissenschaftler raten zur “schnellen Entwicklung von neuen, an die Variante angepasste Impfstoffen”.
Vorläufige Entwarnung in Südafrika
In Südafrika gibt man tendenziell Entwarnung. Seitdem Omikron vor zwei Wochen entdeckt wurde, scheinen bislang keine schweren Erkrankungen oder Todesfälle beobachtet worden zu sein, was auch die WHO bestätigt. Auch alte Menschen und solche mit Vorerkrankungen haben bislang eine Infektion überstanden. Nach dem südafrikanischen National Institute for Communicable Diseases ist die neue Welle insgesamt harmloser. Nur 30 Prozent der mit Covid-19 Hospitalisierten waren schwer erkrankt, halb so viel wie in den ersten Wochen der vorhergehenden Wellen. Die Patienten verbringen statt durchschnittlich 8 Tagen nur 2,8 Tage im Krankenhaus. 3 Prozent der Patienten mit Covid-19 sind in letzter Zeit gestorben, in den vorhergehenden Wellen waren es um die 20 Prozent.
Die 7-Tage-Inzidenz lag am Sonntag bei knapp 30, einen Tag zuvor waren es nur 24. Etwa 29 Prozent der Getesten sind positiv. Geimpft sind nur 38 Prozent der Erwachsenen. Es gibt kaum Restriktionen, sondern nur Empfehlungen, wie man sich vor einer Infektion schützen kann.
5. Welle in Israel?
In Israel steigt die Zahl der Infizierten, man spricht bereits vom Beginn der 5. Welle, die Reproduktionszahl liegt bei 1,09, aber die Zahl der schwer Erkrankten geht weiter zurück. Es werden auch mehr Omikron-Infizierte beobachtet, aber der Anstieg wird noch nicht auf die neue Variante zurückgeführt, sondern auf ein Nachlassen der Immunität.
Entdeckt wurden bislang nur 55 Fälle, 42 waren Geimpfte oder Genesene. Trotzdem wurden Einreisebeschränkungen eingeführt. Geimpfte Israelis müssen 3 Tage in Quarantäne, Ungeimpfte mindestens 7 Tage. Regierungschef Naftali Bennett würde gerne einen Lockdown für Ungeimpfte und die Einführung eines Impfpasses, konnte sich aber noch nicht durchsetzen.
In Großbritannien breitet sich Omikron schneller aus als in Südafrika
Alle 2,4 Tage verdoppelt sich die Zahl der mit Covid-19 Infizierten. Das sei schneller als zur Zeit, als es noch keine Impfstoffe gab. Experten gehen davon aus, dass Omikron bald die Hälfte der Infektionen ausmachen wird, bis Ende Dezember könnten es 100.000 Fälle pro Tag werden. Auch wenn die Infektionen milder ausfallen und weniger Menschen in die Krankenhäuser kommen, würden diese durch die Menge an Infizierten überlastet. Am Sonntag war Omikron bereits für ein Drittel der positiv getesteten Covid-Infektionen in London verantwortlich. Die ersten Patienten mit Omikron wurden ins Krankenhaus eingeliefert.
Eine Modellierungsstudie der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) malt pessimistische Szenarien aus. Bis Ende April könnten je nach Wirksamkeit der Impfstoffe und den ergriffenen oder nicht ergriffenen Maßnahmen zwischen 25.000 bis 75.000 Menschen an Omikron sterben. Zugrundgelegt wird, dass nach Plan B die Maskenpflicht für Geschäfte, Kinos, Theater und öffentlichen Verkehr bleibt, auch die Empfehlung im Homeoffice zu arbeiten und das Vorzeigen des Covidpasses (zweimal geimpft oder getetest) für Bars und große Versammlungen. Die Annahme ist, dass die Erkrankungen weniger schwer bei Geimpften sind und dass Omikron ebenso gefährlich ist wie die Delta-Variante, aber die Impfdurchbrüche um das 5.1- bis 12.8-Fache höher als bei der Deltavariante sind.
Im besten Szenario würden bis April mehr als 20 Millionen Briten infiziert und 175.000 ins Krankenhaus eingeliefert werden, im schlechtesten Fall, bei dem 75.000 sterben, würde es 34 Millionen Infektionen und 490.000 Krankenhauseinweisungen geben. Im Januar müsse man beim besten Szenario mit 2400 Krankenhauseinlieferungen pro Tag rechnen, beim schlechtesten mit der doppelten Anzahl. Aber das sind nur Hochrechnungen, bislang weiß man noch zu wenig über die neue Variante.