Odinstaler Perlen

Das Weingut Odinstal ist ein Kleinod hoch über Wachenheim und den Dächern der Pfalz. Anfang des Jahres habe ich dort Andreas Schumann einen Besuch abgestattet. Zumindest gefühlt ist Odinstal das Weingut von Andreas Schumann. Faktisch ist er Betriebsleiter, Eigentümer ist Thomas Hensel. Dieser hat das Anwesen Ende der 90er Jahre erworben und seitdem aufwendig und mit viel Fingerspitzengefühl zusammen mit seiner Frau renoviert. Die Anfang des 19. Jahrhunderts erbaute klassizistische Villa ist heute in einem brillanten Zustand und geschmackvoll eingerichtet.

Für Odinstal ist Andreas Schumann, der auch als über die Landesgrenzen hinaus gefragter Experte und Berater in Sachen Biodynamie unterwegs ist, ein Glücksfall. Er hat Odinstal zu seinem Lebenswerk gemacht und ihm ein ungemein liebevoller und fürsorglicher Patron.

Dabei war er damals, als Thomas Hensel ihn anheuerte, fast noch ein Greenhorn, ein weitgehend unerfahrener junger Winzer, der gerade erst in Geisenheim sein Studium abgeschlossen hatte. Viel konnte er nicht vorweisen. Was allerdings neben seiner begeisternden, tatkräftigen Art für ihn sprach, waren seine Lehrjahre bei der Pfälzer Weinund Kellermeisterlegende Hans-Günther Schwarz. Diese Referenz muss den im Immobiliengeschäft tätigen Unternehmer Hensel überzeugt haben.

Dass auf Odinstal biodynamischer Weinbau betrieben werden sollte, darüber war sich Andreas Schumann mit Thomas Hensel von Anfang an einig. Als sie 2004 loslegten, galten biodynamisch arbeitende Winzer zwar noch als schräge Vögel, aber das war den beiden gleichgültig.

16 Jahre später kann man mit Fug und Recht sagen: Sie haben es geschafft! So konsequent und vorbildlich wie im Odinstal wird Biodynamie selten betrieben. Das Ergebnis sind ungemein charaktervolle Weine, die in keine der gängigen Schubladen passen. Eben echte Odinstaler Bergund Inselweine, fernab der Weinstraße und des geschmacklichen Mainstreams.

Das Herzstück der Produktion sind Rieslinge vom Basalt, Kalkstein und Buntsandstein, die alle einen ganz eigenen, nämlich ursprungstypischen Charakter zeigen, obwohl sie im Keller gleich behandelt werden. Draußen konsequente Biodynamie, im Keller selbst verordnete Zurückhaltung: Spontangärung, langer Verbleib auf der Hefe, minimaler Schwefeleinsatz – das sind die typischen Eckpfeiler einer interventionsarmen Weinbereitung.

In den vergangenen Jahren hat Andreas Schumann dann mit sehr viel Feingefühl weitere Schritte ausgelotet, geprüft und getestet. Als Freigeist will er wissen, wie weit sich die Grenzen verschieben lassen und wie weit er auf dem Weg zu reinen Naturweinen gehen will und gehen kann, denn schließlich muss am Ende auch der Markt sein Okay dazu geben.

Es fällt schwer, einen einzelnen Wein aus dem ohne Ausnahme extrem starken Sortiment herauszustellen. Allesamt Perlen, kein Modeschmuck! In jedem einzelnen Wein steckt jede Menge Charakter und Persönlichkeit.

Meine Entscheidung ist heute mal nicht auf einen Riesling, sondern einen Silvaner, einen ganz besonderen Silvaner gefallen. Er trägt den Zusatz NAKT und das ist Programm.

Er stammt aus einer Anlage mit kalkhaltigen, tonigen Keuperböden und Reben, die 2012 zum letzten Mal geschnitten wurden. Kein Rebschnitt! Der Wuchs wird also im Wesentlichen sich selbst überlassen. Nach größeren Ernten in den ersten Jahren nach der Umstellung hat die Anlage in der Zwischenzeit ihr Gleichgewicht gefunden. Die Erträge sind wieder kleiner geworden und die Trauben, die Andreas Schumann hier erntet, sind immer extrem dickschalig, klein und geschmacksintensiv.

Ein Teil des Mostes wird in einer vergrabenen Amphore vergoren und dort über viele Monate sich selbst überlassen. Ein anderer Teil wird im Keller in gebrauchten Eichenfässern vergoren. Erst ein Jahr nach der Ernte werden die verschiedenen Gebinde miteinander verschnitten und anschließend wird die Cuvée ohne Filtration und Schwefeldioxid auf die Flasche gezogen.

In der Nase begegnen mir Noten von Fenchel, Hopfen und schwarzem Tee. Der Gaumenauftritt ist üppig und delikat und wunderschön ausgewogen. Noch besser gefällt mir seine seidige Textur und das intensive, komplexe und dezent vom Gerbstoff geprägte, ausladende Finale. Köstlich und ohne Zweifel ein exzellenter Speisenbegleiter! Und jede Wette, dass er über Nacht zulegt und sich morgen noch ein bisschen interessanter präsentiert!

Der Wein: Silvaner Nakt 2018, Weingut Odinstal (Pfalz)

Bezugsquelle: www.vinaturel.de

 


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