Mögliches Milliardengeschäft mit im Labor gezüchtetem Fleisch aus Muskelzellen

Burger aus Laborfleisch. Bild:Mosa Meat

 

In-vitro-Fleisch soll gut sein für die Umwelt, das Klima und das Tierwohl, aber die Frage ist, ob die Menschen das essen wollen. Vielen scheint es zu unnatürlich zu sein, um es überhaupt probieren zu wollen.

Kein Fleisch mehr zu essen, würde die Klimaerwärmung erheblich reduzieren, dem Umweltschutz dienen und vor allem dem Wohl der Tiere. Mehr Menschen leben bereits vegetarisch oder vegan, aber auch wenn es einen Trend in dieser Umstellung der Ernährung gibt, wird weiter zu viel Fleisch gegessen und wahrscheinlich zunehmend mehr, wenn es sich die Menschen leisten können. Eine auf Pflanzen basierende Ernährung würde nur die Hälfte der CO2-Emissionen verursachen.

Eine gute Alternative wäre eigentlich, wenn man nicht auf tierisches Fleisch verzichten kann oder will, künstliches Fleisch, also aus tierischen Muskelzellen gezüchtetes In-vitro-Fleisch, zu verzehren. Da müsste kein sich bewegendes Tier mehr aufgezogen werden, sondern nur noch aus Muskelzellen gewachsene Muskelfasern mit hinzugefügten Fettzellen in einer Nährlösung, was sehr viel weniger Ressourcen verbrauchen würde, glaubt man den Apologeten. Gezüchtet wird nur, was auch wirklich gebraucht wird, also eben kein ganzes Tier mit Innereien, Knochen und Fell. Es würden große Bodenflächen frei, da Tierhaltung den Großteil der landwirtschaftlichen Fläche ausmacht.

Es wurden seit dem ersten künstlichen Burger, der 2013 von Mark Post in den Niederlanden für Kosten in Höhe von 300.000 Euro entwickelte wurde, Dutzende Firmen für diese Zukunftstechnik gegründet, die einmal viel Geld abwerfen könnte. Natürlich interessieren sich für In-vitro-Fleisch die großen Konzerne, man muss auch erwarten, dass einige global agierende Konzerne marktbeherrschend werden. Und Reiche wie Bill Gates, Sergey Brin, Richard Bronson oder Leonardo DiCaprio investieren in Start-ups aus ideologischen und finanziellen Motiven. Für die deutsche „Zukunftskoalition“, die die Landwirtschaft stärker dem Umwelt- und Klimaschutz sowie dem Tierwohl anpassen will, ist künstliches Fleisch nur einen Nebensatz wert:  Man wolle die „Zulassung von Innovationen wie alternative Proteinquellen und Fleischersatzprodukten in der EU“ fördern, heißt es im Koalitionsvertrag.

Ganz tierfrei ist die Herstellung aber nicht, zumindest müssen lebenden Tieren Stammzellen entnommen werden, aus denen dann Muskelzellen entstehen. Damit die Muskelmasse fleischartiger wird, muss sie durch mechanische und elektrische Impulse bewegt werden. Bislang kann man aber nur eine Art Hackfleisch für Würste oder Burger herstellen, um ein Steak oder einen Braten zu produzieren, müsste man die Zellen an einem Gerüst aus Kollagen wachsen lassen. Und ein Problem ist, dass die Nährlösung meist aus fötalem Rinderserum (FBS) besteht, das aus dem Blut von ungeborenen Kälbern stammt, die ebenso wie die Mutterkühe dafür getötet werden müssen. Alternativen werden entwickelt, aber die Nährlösung wird dann ein Hightech-Produkt aus pflanzlichen Teilen und vielen anderen Zugaben wie Hormonen, Wachstumsfaktoren, Nährmitteln etc., die beispielsweise von genveränderten Mikroorganismen produziert werden. Von Natur oder natürlich kann selbstverständlich nicht mehr die Rede sein, was zumindest im Übergang zu Problemen der Akzeptanz führen wird, auch wenn das in der industriellen Tierhaltung längst verschwunden und das Leid der Tiere übriggeblieben ist.

Mosa Meat von Mark Post konnte, wie Wissenschaftler der Firma gerade in Nature Food beschreiben, die Differenzierung von Satellitenzellen (Muskelstammzellen) in Muskelfasern ohne tierische Komponenten in der Nährlösung durchführen. Dazu wurde bislang eine plötzliche Verringerung der Serumkonzentration eingesetzt. Mit einer Analyse der Genexpression und der beteiligten Rezeptoren konnte ein optimiertes „chemisch definiertes Medium“ entwickelt werden, „das die Differenzierung in Abwesenheit von Serummangel und/oder Transgenexpression auslöste“ und zugleich „die Herstellung von dreidimensionalen bioartifiziellen Muskelkonstrukten“ bewirkte.

Upside Foods züchtet In-vitro-Hühnerfleisch. Auch hier werden die Stammzellen Hühnern entnommen und in einer nicht-tierischen Nährlösung gezüchtet. Als Nährstoffe werden angegeben: Aminosäuren, Zucker, Spurenmineralien und Vitamine. FBS werde nicht mehr verwendet, man sei dabei, auf alle tierischen Komponenten, abgesehen von den Stammzellen, zu verzichten und ein schlechtfreies Produkt anzubieten, wenn man auf den Markt geht.

Unnatürlich und zu viel Tier oder zu wenig

So vielversprechend im Sinne des Profits, des Umweltschutzes und des Tierwohls die Hightech-Fleischprodukte auch sein mögen, so gibt es zumindest jetzt noch ein Problem. Die Menschen finden vielleicht die Idee gut, würden es aber nicht verzehren. Das ist zumindest das Ergebnis einer im Journal of Environmental Psychology erschienenen Studie von Wissenschaftlern der UCLA. Sie wollten der Frage nachgehen, warum ausgerechnet Vegetarier einen noch größeren Ekel vor dem Verzehr von In-vitro-Fleisch als Fleischesser haben. Dazu haben sie drei Umfragen mit fast 1600 Teilnehmern durchgeführt.

Bei einer Umfrage zeigte sich, dass nach einem kurzen, neutralen Text über gezüchtetes Fleisch die Teilnehmer gefragt wurden, ob sie dem Satz zustimmen: „Es ist mir zu eklig, gezüchtetes Fleisch zu probieren.“ 55 Prozent der Vegetarier und 35 Prozent der Fleischesser stimmten zu. In einer zweiten Befragung wurde versucht, die Gründe hinter der Ablehnung herausfinden, auch nur das künstliche Fleisch probieren zu wollen. Dazu sollten die Teilnehmer Aussagen zustimmen oder ablehnen, beispielsweise: Gezüchtetes Fleisch ist unnatürlich oder ist mehr eine wissenschaftliche Erfindung als ein landwirtschaftlichen Produkt. Oder: Gezüchtetes Fleisch zu essen, ist wie das Verzehren des Teils eines Tiers. Sowohl Vegetariern als auch Fleischessern störten sich an der Künstlichkeit bzw. Unnatürlichkeit, für die Vegetarier rührte der Ekel davor eher als bei Fleischessern wenig erstaunlich daher, dass gezüchtetes Fleisch eben auch von Tieren abstammt. Wenn extra darauf hingewiesen wird, dass „jedes einzelne Stück des gezüchteten Fleisches vollständig von einem echten lebenden Tier“ stammt, sinkt der Ekel gegenüber der Kontrollgruppe, die nur zu lesen bekam, dass gezüchtetes Fleisch aus tierischen Muskelzellen ohne Tierhaltung stammt, während er bei den Vegetariern zunahmen.

Die einen finden gezüchtetes Fleisch zu ähnlich normalem Fleisch und die anderen zu wenig ähnlich. Beide Gruppen haben einen Widerwillen wegen dessen Künstlichkeit. Der Sinn der Studie ist natürlich darauf gerichtet, wie sich gezüchtetes Fleisch besser verkaufen ließe: „Wir vermuten, dass unterschiedliche kognitive Einschätzungen von kultiviertem Fleisch bei Vegetariern und Fleischessern die gleiche affektive Ekelreaktion hervorrufen“, schreiben die Wissenschaftler. „Die Identifizierung der Grundlagen dieser Ekelreaktion könnte entscheidend sein, um zu verstehen, warum Menschen kultiviertes Fleisch ablehnen: ein Produkt, das eine humanere, gesündere und nachhaltigere Zukunft schaffen könnte.“

Wichtig sei bei beiden Gruppen, die Vorstellung auszuhebeln, gezüchtetes Fleisch sei unnatürlich. Das entsprechende Framen kann aber nicht für beide Gruppen gleichzeitig gelingen. Aus der Umweltperspektive wäre das Überreden von Vegetariern zum Konsum von gezüchtetem Fleisch auch abwegig, weil sie bereits auf die Tiere-, umwelt- und klimaschonende pflanzliche Ernährung umgestiegen sind, obgleich manche vielleicht dazu gewonnen werden können, weil keine Tiere mehr getötet werden müssen. Angesprochen werden sollten daher Fleischesser, die vom Fleisch nicht lassen können und auch nicht auf vegetarischen Fleischersatz umsteigen wollen. Könnte aber gut sein, dass nach einer gewissen Zeit die meisten Menschen auch gar nicht mehr auf künstliches Fleisch oder Fleischersatz ausgerichtet sind oder einfach wieder deutlich weniger Fleisch von Tieren in stärker „natürlicher“ Haltung verzehrt wird.

Ähnliche Beiträge:

Ein Kommentar

  1. Leider wird auch in diesem Artikel nicht darauf verwiesen, daß die Lösung die vollständige Rückkehr zur natürlichen Haltung von Tieren wäre. Natürliche Haltung hat sogar auch eine positive Klimabilanz, wie man auch auf diesem Portal mehrfach nachlesen konnte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert