Militärhilfe statt humanitäre Hilfe?

Bild: UN-Welternährungsprogramm (WFP)

Vereinte Nationen erhalten weniger Mittel für weltweite humanitäre Hilfe, für die Ukraine ist der angesetzt Finanzbedarf bereits zu 57 Prozent, bei anderen Ländern sieht es dagegen düster aus.

 

Die ukrainische Führung hat es verstanden, die Ukraine als von Russland angeblich unprovoziert angegriffenes Land in den Fokus der Aufmerksamkeit der (westlichen) Weltöffentlichkeit zu bringen. Weil, so die Nato und Kiew, in der Ukraine Freiheit und Demokratie gegen das Böse, den Terror und den völkerrechtswidrigen Imperialismus verteidigt wird, muss das Land mit Waffen und Geld unterstützt werden, um sich selbst zu schützen. Ähnlich wie in Afghanistan werden der liberale Westen, die USA oder auch Deutschland in der Ukraine verteidigt.

Aber diese Konzentration des Westens auf die Ukraine hat seinen Preis nicht nur wegen der Hilfe an die Ukraine oder die Folgen der Sanktionen gegen Russland, sondern auf die Gelder für Hilfsorganisationen, die Menschen in armen Ländern helfen wollen. UN-Generalsekretär Guterres ruft schon die reichen Länder auf, ihre Herzen und Geldbeutel zu öffnen, damit die von den Vereinten Nationen und der Türkei vermittelten Getreideexporte nicht nur den zahlungsfähigen Ländern, sondern auch den armen zugutekommen. Weil man das Abkommen im kapitalistischen Rahmen verhandelt, mögen die Exporte aus der Ukraine – und aus Russland – zwar im globalen Markt die Preise senken, aber sie kommen dennoch nicht den Armen zu, die sich auch diese Preise nicht leisten können.

Offenbar öffnen die westlichen Länder, die angeblich für das Gute stehen und die die regelbasierte Ordnung zu ihren Gunsten verteidigen, ihre Geldbörsen lieber, wenn es um geostrategische Interessen geht. Aber dort, wo der Westen nicht (mehr) verteidigt wird, hält man sich zurück. 2022 wurden bislang für humanitäre Hilfe an die Vereinten Nationen nur 30 Prozent der 48,7 Milliarden Dollar gezahlt, die notwendig wären, um mehr als 200 Millionen Menschen in Not zu helfen, eigentlich wären es über 300 Millionen.

Das meiste Geld kommt stets von westlichen Ländern, aus den USA, der EU, von Großbritannien oder Deutschland, aus Japan und Kanada, weswegen deren Ausrichtung auf ein einziges Land drastische Folgen für andere Länder hat. Für Haiti wurden nur 11 Prozent der erforderlichen Hilfe gezahlt, für El Salvador 12 Prozent, für Burundi 14 Prozent oder für Myanmar 17 Prozent. Für die größten humanitären Krisen in Syrien, Afghanistan, Jemen und Äthiopien wird mehr Geld zur Verfügung gestellt, aber mit Ausnahme von Somalia viel weniger als für die Ukraine. „Das ist die größte Finanzierungslücke, die wir je gesehen haben“, sagte Martin Griffiths, Leiter des Büros der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe und Nothilfe, gegenüber der New York Times.

6 Millionen Ukrainer halten sich in europäischen Ländern auf, über 6,5 Millionen sind Binnenflüchtlinge. Es könnte sein, dass Geld auch deswegen bereitwilliger fließt, weil die Ukrainer weiß und christlich sind, weswegen ukrainische Flüchtlinge auch offener aufgenommen werden, als wenn sie aus Afrika oder dem Nahen Osten kommen. Dort sind uns Kriege, die uns nicht direkt berühren, eher egal, die Opfer auch, die nicht so viel zählen wie diejenigen, die uns näher sind.

Der Krieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass in dem Land nach OCHA fast 18 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe und Schutz angewiesen sind, im April waren es 15 Millionen. Die UN-Hilfsorganisation hat daher ihren Mittelbedarf bis Ende des Jahres von 2,25 Milliarden Dollar zu Beginn des Krieges auf 4,5 Milliarden erhöht, wovon 57 Prozent bereits finanziert sind. 6,3 Millionen Menschen sollen Bargeld für notwendige Einkäufe erhalten, bislang waren es 2,3 Millionen.

Im Jemen sind 42 Prozent der angeforderten Mittel für die Hilfe von 23 Millionen Menschen finanziert, in Afghanistan sind von den erforderlichen 4,4 Milliarden Dollar für 24 Millionen Menschen 41,8 Prozent finanziert. Aber für viele Länder ist die Zahlungsbereitschaft weitaus geringer. Beispiel Venezuela: Hier sind von den 800 Millionen Dollar für 8 Millionen Menschen in Not gerade einmal 13 Prozent finanziert. Für Syrien sind nur 24 Prozent der erforderlichen 4,4 Milliarden für über 14 Millionen Menschen finanziert, in Äthiopien sind es 33 Prozent, im Irak 32 Prozent.

Zur Hilfe von über 100 Millionen Flüchtlingen weltweit sind nach der UNHCR, der Flüchtlingsbehörde der Vereinten Nationen, 10,7 Milliarden Dollar notwendig, finanziert sind nur 45 Prozent davon.

An direkten Hilfen, militärische Hilfe eingeschlossen, an die Ukraine kommen zum Vergleich nach dem Ukraine Support Tracker des Kiel Institut für Weltwirtschaft – warum gibt es für andere Kriege, Krisen, Katastrophen nicht auch solche Tracker? – aus den USA 44,2 Milliarden, davon 25 Milliarden Militärhilfe. Die EU gab 16,2 Milliarden, inklusive 2,5 Milliarden für Waffenhilfe, Großbritannien 6,5 Milliarden, davon 4 Milliarden an Waffenhilfe, und Deutschland an vierter Stelle 3,2 Milliarden, davon 1,2 Milliarden an Waffenhilfe.

Gestern hat Bundeskanzler Scholz schnell noch mal 500 Millionen Euro an Waffenhilfe für die Ukraine draufgelegt. Dazu kommt ein „Ringtausch“ mit der Slowakei, die 30 Schützenpanzer sowjetischer Bauart der Ukraine übergibt und 15 deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A4 erhält. Man ist hier ja nicht kleinlich. Und die USA wollen nach Gerüchten der Ukraine am heutigen Unabhängigkeitstag weitere 3 Milliarden Dollar an Militärhilfe gewähren.

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13 Kommentare

  1. Die Finanz Eliten hängen die Mäntel ihrer Nächstenliebe immer so in den Wind, dass es nur ihren Interessen dient.
    Die UNO ist dabei nur ein willfähriger Erfüllungsgehilfe.

  2. Geopolitik ist für den alten weißen Mann halt wichtiger als Charity – davon kann man sich nichts kaufen. Im Zweifel wird der Militärhaushalt eben vorrangig bedient, was eine logische Folge eigener Machtansprüche und Kriege ist, die man entweder selbst startet oder anzettelt. Man bedenke die Länder, die im Text erwähnt werden und Ziel solcher Aktivitäten waren.
    Hinzu kommen noch die ökonomischen Verwerfungen, die man durch die Sanktionen hervorruft. Beispielsweise kauft die EU aktuell den globalen LNG-Markt leer, wovon finanzschwächere Länder dann betroffen sind. Ähnliches geschieht beim Dünger, was wir aktuell noch gar nicht sehen.

  3. Humanitäre Hilfe oder viel schlimmer militärische Zuwendung, sind Umverteilung von Reich zu noch reicher und der ganze Rest sind Worthülsen.

  4. Es ist den Menschen in D bzw. im Wertewesten allgemein doch sch…. egal, dass für den Wohlstand unserer Volksgemeinschaft in der kap. Peripherie Menschen durch Hunger, Krieg etc. sterben – geopfert werden.

    Statt Vernunft herrscht traditionell Moral und Ideologie in Form von Schuldigen/einem Schuldigen.

  5. da es hier um Hunger geht, 3 links dazu, aber mit dem Betreff: Welthunger durch regionalen nuklearen Krieg

    ein paar Studien wurden veröffentlicht, am Bsp. eines Krieges Pakistan-Indien. Die längste Studie ist im Text verlinkt.

    -der Artikel in THE NATION:
    https://www.thenation.com/article/world/how-worldwide-famine-would-follow-even-a-limited-nuclear-war/

    („In fact, the researchers found, more than 2 billion people around the world could die of hunger after an India-Pakistan war. Again, this is a scenario that assumes the vast majority of nuclear weapons are never used. It’s a regional nuclear war. No one asks our permission or seeks our input. We just find out it happened somewhere from the news. And then the skies get dark, and the temperatures drop. For years.“)

    -Studie 2
    https://www.science.org/doi/epdf/10.1126/sciadv.aay5478
    -Studie 3
    https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1919049117

  6. >> mögen die Exporte aus der Ukraine – und aus Russland – zwar im globalen Markt die Preise senken <<

    das ist auch so ein Narrativ.

    Zunächst, die Preise für Getreide auf dem globalen Markt sind lange vor dem Beginn der russischen Intervention bereits gestiegen. Und nicht nur für Getreide. Das hat eher was mit Coronakrise und Spekulationen zutun.

    Bei der Ukraine geht es um ein Exportvolumen von insgesamt 20 Mln. Tonnen Getreide. Zum Vergleich, weltweit wird jährlich 3 Milliarden Tonnen Getreide geerntet. Wir reden hier also über weniger als 1% der weltweiten Getreideproduktion. Wohl kaum kann das einen nennenswerten Einfluss auf die Preise auf dem globalen Markt entfalten.

  7. Was soll man eigentlich davon halten?

    „Ukrainska Pravda“ brachte vor kurzem empört eine Reportage über das s.g. „Batallion Monaco“

    Seht selbst

    https://www.youtube.com/watch?v=P2ZOBFFvXFw

    Übersetzung dazu

    Seit Beginn der groß angelegten Invasion hat die Ukrainska Pravda wiederholt Hinweise erhalten, dass sich eine obszöne Anzahl ukrainischer VIP-Flüchtlinge in Monaco, Monte Carlo und Nizza versammelt hat.

    Es tauchten verschiedene Namen und Adressen auf. Aber wir haben beschlossen, dass es besser ist, einmal zu sehen als hundertmal zu hören. Und auf dem Weg in die Türkei und zu den Yachten russischer Oligarchen machten wir ein paar Tage an der Cote d’Azur Halt.

    Was wir gesehen haben, steht in starkem Kontrast zu dem, was die Ukraine und die Ukrainer in den letzten sechs Monaten erlebt haben.

    Die Côte d’Azur ist seit jeher eines der beliebtesten Sommerurlaubsziele der Weltelite. Deshalb ist es schwer zu verstehen, warum ukrainische Millionäre und Milliardäre, die das Land jahrzehntelang geschwächt haben, beschlossen haben, den Krieg dort vor den Augen der Welt „auszusitzen“. Eine Welt, die jetzt dazu beiträgt, die Ukraine zu stärken.

    Es scheint keine schlimmere Anti-Werbung zu geben als Bentley und Maybachs der neuesten Modelle mit ukrainischen Nummernschildern.

    1. Ich wüßte da noch ein paar Herrschaften, die der Ukraine „humanitäre Hilfe“ leisten könnten:

      (x)https://www.kp.ru/daily/27368/4549863/?from=twall

      Engl. Übersetzung hier:

      (x)https://eprimefeed.com/latest-news/zelensky-found-a-billion-dollars-and-a-villa-in-miami/19891/

    2. @ Russischer Hacker
      Ganz abgesehen davon, daß ich niemals in Monacco leben möchte. Es gibt auf diesem Planeten
      bedeutend schönere Orte mit nicht so viel geballter Dekadenz. Aber jetzt wird mir langsam klar, warum ein Herr L. aus dem Buntentag mit hochrotem, schwitzenden Kopf verkündet hat: Die Ukraine „muß“ diesen Krieg gewinnen. (so ein Schlingel aber auch)
      Nun ja, ich bin da eher sekptisch, was den Comedyhelden und die Nutella Boxer angeht. Aber auch die werden ihr Schärflein ins Trockene bringen.
      Dafür wird hier in Oberbayern wie verrückt (Kuchenbackaktionen, Radelwettbewerbe etc.) für die arme Ukraine gesammelt.
      Das Geld wird dann auf die Ukrainische Zentralbank überwiesen. Bei wem das dann landet dürfte klar sein.
      Bistimmt nicht bei denen, die es benötigen würden.
      Verrückte Welt allemal 🙂

  8. Meiner Meinung nach muss man das so sehen, dass dieses ganze Ukraine-Unglück vom „regelbasierten“ Westen geplant ist und durchgezogen wird. Es ist ein Projekt, nichts oder jedenfalls nicht viel davon ist zufällig.

    Die Ukraine ist stellvertretend für den „Westen“ mit der Russischen Föderation im Krieg, um diese so zu schwächen, dass sie in der „regelbasierten“ Welt – bzw. als Mitbewerber in dieser – keine Rolle mehr spielen kann. So erklärt es sich, dass die dort betroffenen Menschen bevorzugt unterstützt werden, wobei ich auch diese Unterstützung bei näherem Hinsehen zumindest teilweise für fragwürdig halte.

    Das lassen die westlichen Machthaber sich etwas kosten, genau genommen sogar so viel wie es halt wird: „whatever it takes“. Die so gebundenen und zum Fenster herausgeschmissenen Mittel stehen dann eben für so Zeug wie Sozialkram nicht mehr zur Verfügung. Man muss halt Prioritäten setzen. Das geht ja jetzt sogar so weit, dass sogar wir hier im vollgefressenen Westen die Folgen zu spüren bekommen, was es in der Vergangenheit so auch noch nie gegeben hat. Da ist es nur folgerichtig, dass in den armen Gegenden der Welt die Menschen das noch viel mehr zu spüren bekommen. Die verhungern dann halt, kammanixmachen.

    Drei Aspekte dazu:
    (1) In etlichen der oben aufgeführten Not leidenden Ländern sind es (Überraschung!) Sanktionen der regelbasierten Machthaber, die diese Notlagen erst hervorrufen oder zumindest verschärfen (z.B Haiti, Venezuela, Afghanistan, Syrien …). Allein ein schlichtes Ende dieser verdammten Sanktionitis könnte also schon sehr viel helfen.
    (2) Inzwischen werden diese Sanktionen schon ganz offen zum Nutzen der „Regelbasierten“ missbraucht. Die USA wollen die „eingefrorenen“ sieben Mrd. USD, die der afghanischen Nationalbank gehören, ganz offen und schamlos für eigene Zwecke verwenden. Das ist durch kein Recht dieser Welt gedeckt, aber kein(e) einzige(r) regelbasierte(r) Hampelmann/frau regt sich darüber auf. In Afghanistan verhungern derweil die Leute.
    Für die Auslandsvermögen anderer sanktionierter Länder gilt ähnliches. Wenn deine Mittel erst einmal regelbasiert eingefroren sind, siehst du die nie wieder, auch nicht aus der EU.
    (3) Und schließlich, zurück zur Ukraine: Die im Text erwähnten neuerlichen deutschen Waffen im Wert einer halben Milliarde für die Ukraine „sollen maßgeblich in 2023″ geliefert werden (Scholz). Nur damit sich hier keiner der Illusion hingibt, dieser Krieg könnte bald einmal zu Ende sein. Das ist gar nicht vorgesehen. Es dauert halt seine Zeit, bis diese blöde Russische Föderation kaputt ist, da muss noch eine ganze Zeit lang gestorben werden in der Ukraine. Geht halt nicht anders. ☹

    Das Projekt wird durchgezogen, whatever it takes.

    1. Eben war ich auch der Nachdenkseiten und fand diesen link zu einem Interview mit einem früheren US-Militär.

      Seine Aussage zu Sanktionen: Sanktionen sind genereller Unfug, weil sie diejenigen, die sie schädigen sollen, nicht schädigen, weil sie unbeteiligte wenig einflussreiche Menschen schädigen und weil sie nie das erreichen, was beabsichtigt ist.

      https://www.youtube.com/watch?v=kevmQ4c-htc

      Und ich füge hinzu, aber anders als bei militärischer Gewalt töten Sanktionen still und leise, was der Presse des humanistischen Wertewestens einen Vorwand gibt, nicht zu berichten.

      1. Noch hinzufügen muss man wohl, dass dieses stille und leise Töten die ABSICHT der Sanktionierer ist. Die meinen nämlich immer noch (jedenfalls ist das die veröffentlichte Auslegung), dass durch dieses Leid in der Bevölkerung diese sich gegen ihre Machthaber erhebt und einen „Regime Chance“ im Sinne der Sanktionierer durchführt.

        Das klappt halt nur nie. Das ist aber für die westlichen Machthaber kein Grund, solche Maßnahmen zu unterlassen. Daraus schließe ich, dass es abseits der behaupteten Absicht (Bevölkerung erhebt sich) noch einen ganz anderen Grund für unsere Machthaber gibt, solche Sanktionen immer und immer wieder durchzuziehen:

        Sadismus.

  9. Es ist doch verständlich, dass es zur Unterstützung der armen Länder, vom reichen Westen nicht genug Geld gibt.
    Sie wollen das doch genau, die verhängten Sanktionen sind doch darauf angelegt das es der Bevölkerung schlecht geht. Sie sollen dann gegen ihre Regierung vorgehen. Weil es in Syrien nicht passiert ist, bleiben die US-Truppen dort auf den besetzten Ölfeldern Syriens und stehlen der Bevölkerung die Lebensmittel in Form von Erdöl.
    Der Sprachgebrauch verschleiert auch das Elend, es wird Investitionen angemahnt https://sevdesk.de/lexikon/investition/
    Die haben mit dem Elend nichts zu tun. Moralisches Gerede hilft niemanden, verschleiert lediglich die beabsichtigte Politik.

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