Menschliches Fettgen fördert massives Wachstum von Kartoffeln

Das menschliche Fettgen lässt Kartoffeln größer werden. Macht es Pflanzen adipös? Bild: Qiong Yu et. al.

Das menschliche Gen FTO, das für Fettleibigkeit mit verantwortlich gemacht wird, erhöht die Menge der Reiskörner und die Größe der Kartoffeln. Das soll gut fürs Klima und für die Bekämpfung des Hungers sein.

Es wird nicht allen gefallen, wenn Forscher damit experimentieren, menschliche Gene in Tiere oder Pflanzen einzubauen. Wissenschaftler von der University of Chicago haben, wie sie in Nature schreiben, ein menschliches fettregulierendes Gen in Kartoffel- und Reispflanzen eingebaut – mit einem Ergebnis, mit dem sie angeblich nicht gerechnet haben, nämlich dass die Kartoffeln um 50 Prozent größer wuchsen, es ebenso mehr Reiskörper gab und sich die Biomasse der Pflanzen vergrößerte.

Eigentlich hatten die Wissenschaftler negative Ergebnisse erwartet, weil es doch eine „wirklich kühne und bizarre Idee“ gewesen sei, die sie verfolgt haben. Es handelt sich um das fettregulierende Protein FTO, das Pflanzen nicht haben und das auch für Fettleibigkeit bei Menschen verantwortlich gemacht. Und weil man halt einfach mal Dinge zusammenmischen kann, macht man das auch mit Genen, und hat das FTO in das Genom der Kartoffeln eingeführt, um zu schauen, was rauskommt, wenn ein Fremdpartikel eingeführt wird

Das Gen führt durch chemische Veränderungen von RNA-Strängen zur Massenproduktion von Proteinen, da die pflanzeneigenen Gene das menschliche FTO nicht regulieren können, wodurch die genveränderten Kartoffeln um 50 Prozent größer wachsen, also eigentlich adipös werden. Klingt auch nach Krebswucherung,  Chuan He, einer der Wissenschaftler spricht selbst von einer „Bombe“, die genauso gut hätte die Pflanze zerstören können.  Aber jetzt will man damit die Landwirtschaft optimieren, weil man mit weitgehend denselben Pflanzen und deren Raumbedarf offenbar mehr Ertrag erzielen kann. Angeregt werden das Wurzelwachstum, die Photosynthese und die Dürretoleranz, man hat supersizing crops. Auch andere Pflanzen wie Gräser und Bäume wuchsen mit dem menschlichen Gen schneller und größer.

Das soll gut sein, man denkt ja positiv, weil man so angeblich den globalen Hunger reduzieren kann, ohne das Klima mehr zu belasten. Den globalen Hunger könnte man zwar auch anders, durch ökonomische Veränderungen, bekämpfen, aber besser ist doch eine Technik, die harmlos wirkt und noch dazu Profit abwirft, der den selbstlosen Erfindern und künftigen Investoren zugutekommen soll und ansonsten nichts in Unruhe bringt, wenn es nicht doch noch einen Hasenfuß gibt.

Die gentechnische Innovation erscheint wie ein Trick, ohne weitere Kosten für die Natur – und mit Profiten für Erfinder und Vertreiber – mehr aus den Pflanzen herausholen zu können. Ob das gesundheitliche Folgen für die Menschen haben könnte, wenn sie solche genveränderten Pflanzen verzehren, oder ob diese bei aller Effizienz nicht mehr Ressourcen verbrauchen, was sich auf die Ökosysteme negativ auswirken könnte, bleibt erst einmal unbeantwortet. Ein Trick ist erst einmal auch, dass die Wissenschaftler keine der gängigen Hochertragsarten verwendeten, die bereits eine höhere Ernte erbringen als die genveränderten Pflanzen. Die Frage ist, ob das menschliche Gen deren Ertrag noch einmal erheblich steigern kann.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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