Das Königreich ist wegen der Haltung Deutschlands und Spaniens zur Westsahara verärgert auf und lässt nun tausende Menschen über die Grenze in die spanische Exklave Ceuta
Es ist eine übliche Verhaltensweise, die von Erdogan in der Türkei, aber seit langem auch aus Marokko, bekannt ist. Beide Länder benutzen Einwanderer und Flüchtlinge gerne, um zur Durchsetzung eigener Interessen Druck auf Europa auszuüben. Marokko führt das gerade in aller Deutlichkeit vor.
Das nordafrikanische Land hat diesmal seine Tore sperrangelweit geöffnet. Die Kontrolle der marokkanischen Sicherheitskräfte über die Strände nahe der spanischen Exklave Ceuta wurde ausgesetzt. Damit wurde der Weg am Montag für tausende Menschen freigemacht, um das spanische Hoheitsgebiet zu erreichen. Da sich das in Marokko schnell herumgesprochen hat, haben sich die Bilder am Dienstag wiederholt. Die Zahl derer, die Ceuta erreichen wollen, nahm weiter zu.
Die Bilder aus der spanischen Exklave Ceuta sprechen eine klare Sprache. Man sieht, wie zahllose die Menschen schwimmend oder bei Ebbe zum Teil im Wasser watend aus Marokko kommend die abgesicherte Mole am Strand von El Tarajal umlaufen. Auch Videos machen deutlich, dass es sich hier allerdings um keine Flüchtlinge aus Schwarzafrika handelt, die zum Teil auch um Ceuta herum darauf warten, in die Exklave zu kommen. Es handelt sich vor allem um marokkanische Bevölkerung, die sich nun zu Tausenden auf spanisches und damit europäisches Gebiet begeben. Denn viele Marokkaner wollen das arme und autokratische Königreich verlassen.
In Ceuta sollen nach Angaben von lokalen Medien bisher mehr als 10.000 Menschen die Grenze überschritten haben. Etwa ein Viertel davon sollen unbegleitete Jugendliche sein. Für die Zeitung „El Faro“ aus Ceuta ist klar, dass es sich dabei um „Marokkaner“ handelt. „Marokko benutzt seine Bürger“, um Druck auszuüben. „Es zeigt, zu was es fähig ist, wenn es seine Grenzschützer anweist, einfach wegzuschauen“, empört sich die Zeitung. Sie belegt das mit Videoaufnahmen, die zeigen, dass marokkanische Sicherheitskräfte sich am Strand aufhalten, aber dem Treiben tatenlos zusehen.
Inzwischen wurde auf spanischer Seite neben der Nationalpolizei und der paramilitärischen Guardia Civil auch Militär am Strand von Tarajal eingesetzt. Martialisch wurden Schützenpanzer aufgefahren und die Fremdenlegion wird eingesetzt. Über dem Gebiet kreisen auch Hubschrauber. Die Sicherheitskräfte bringen zum Teil Menschen sofort wieder über die Grenze nach Marokko. Doch die versuchen angesichts der Tatenlosigkeit Marokkos danach erneut ihr Glück. Berichtet wird auch, dass die spanischen Grenzposten zum Teil mit Steinen beworfen würden.
Die spanischen Behörden haben nun damit begonnen, Erwachsene in einem Stadion in Ceuta unterzubringen, um sie schließlich von Ceuta wieder nach Marokko zurückzubringen. Inzwischen wurde auch ein Krisenkomitee gebildet. Die spanische Regierung will mit Marokko nun über die Rücknahme ihrer Landsleute verhandeln. Man habe schon 1500 Personen wieder nach Marokko zurückgebracht, erklärte am frühen Dienstag der spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska im spanischen Fernsehen.
Marokko wird einen Preis fordern wird, wenn es die Leute zurücknehmen. Klar ist, dass Marokko die völlige Kontrolle über die besetzte Westsahara will. Kürzlich hatte Rabat schon die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland eingefroren, worüber Krass & Konkret berichtet hatte. Denn die Bundesregierung pocht weiter auf einen „gerechten, praktikablen, dauerhaften und für alle Seiten akzeptablen Lösung des Konflikts” unter „Achtung des Humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte“, die unter Aufsicht der UNO gefunden werden soll.
Marokko nutzt aber die Dynamik, dass Donald Trump gegen alle UNO-Beschlüsse zur Entkolonisierung einseitig die Souveränität Marokkos über das besetzte Gebiet anerkannt hatte, um auch Europa dazu zwingen, dies ebenfalls zu tun. Besondres trieb Rabat auf die Palme, dass Berlin die Entwicklungen in der Westsahara „mit Sorge“ beobachtet.
Marokko will natürlich auch freie Hand gegenüber der Befreiungsfront Polisario erhalten. Die Polisario hatte, nach fast 40 Jahren, den bewaffneten Kampf im vergangenen Herbst wieder aufgenommen. Marokko hatte das im Waffenstillstandsvertrag vereinbarte Referendum, das unter UN-Mission Minurso organisiert werden sollte, ständig hintertrieben und zuletzt auch immer klarer auch in der entmilitarisierten Zone Militär eingesetzt.
Zuletzt kam es auch zu erheblichen Spannungen zwischen Marokko und Spanien, da sich der Polisario-Chef Brahim Ghali nach einer Covid-Infektion zur Behandlung in einem Krankenhaus im spanischen Logroño aufhielt. „Wir haben das zur Kenntnis genommen“, hießt es in einer Erklärung des marokkanischen Außenministeriums, man werde „Konsequenzen daraus ziehen“. Es handele sich um einen “schwerwiegenden Akt”, erklärte man in Rabat am 8. Mai.
Die Konsequenzen zeigen sich nun deutlich, allerdings versucht der spanische Innenminister abzuwiegeln. „Wir haben eine absolut fruchtbare Beziehung mit der marokkanischen Regierung in Migrationsfragen“, erklärte Grande-Marlaska. Das stimmt zum Teil, wie die brutale Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern gegenüber Menschenrechtsaktivisten zeigt. Er erklärte, Spanien befinde sich schon seit drei Jahren in einer großen Migrationskrise. „Dies ist eine Ausnahmesituation, aber in anderen relevanten Situationen haben wir die Situation umkehren können.“
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