Madrid: Feiern möglich, für Frauenrechte demonstrieren verboten

„Die Straße gehört uns. Es lebe der feministische Kampf“. Frauenstreik am 8. März 2020 in Donostia San Sebastian. Bild: R. Streck

Während prall gefüllte Flugzeuge mit jungen Franzosen zum Feiern in die spanische Hauptstadt kommen, wurden alle Proteste um den Frauenkampftag herum verboten

Überall im spanischen Staat werden am Montag wieder Proteste zum Internationalen Frauenkampftag stattfinden, in Katalonien, Galicien, Andalusien und Aragon wird auch erneut zum Frauenstreik aufgerufen. Nur in der gesamten Hauptstadtregion Madrid soll es in diesem Jahr keine Proteste geben. Obwohl dort nur symbolische Proteste am Sonntag und Montag stattfinden sollten, wurden sie allesamt verboten.

Statt Demonstrationen mit zehntausenden Menschen sollte es angesichts der Coronavirus-Pandemie nur kleine und dezentrale Proteste geben. Über Zugangskontrollen sollten höchstens 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zugelassen werden. Zudem sollten auch alle Abstands‑ und Hygieneregeln eingehalten werden, hatten die Veranstalterinnen glaubhaft immer wieder bekräftigt.

Besonders verstörend ist, dass es ausgerechnet der Vertreter der Zentralregierung war, der das Verbot ausgesprochen hat. Die Regierung wird von den Sozialdemokraten (PSOE) und der Linkskoalition Unidas Podemos gestellt. José Manuel Franco begründet das Verbot mit Blick auf die „öffentliche Gesundheit“. Man habe die Anträge „einzeln detailliert geprüft“, behauptete der Sozialdemokrat. Man habe angesichts der Tatsache, dass verschiedene Versammlungen hätten zusammenfließen können, das Verbot für 104 Versammlungen ausgesprochen.  Begründet hat der das auch damit, dass die Infektionszahlen in Madrid weiter hoch und die Krankenhäuser in der Hauptstadtregion weiter stark ausgelastet sind.

Tatsächlich weist Madrid, wegen seiner völlig verfehlten Corona-Politik, hinter den Exklaven Melilla und Ceuta weiter die schlechtesten Zahlen aus. Die 14-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner lag am Freitag mit 242 weiter hoch, allerdings nicht mehr im „extremen“ Bereich über 250 wie in Melilla mit 338. Die feministische Koordination hat gegen das Verbot den Obersten Gerichtshof in Madrid angerufen, da es um ein Grundrecht geht. „Wir sind während den härtesten Monaten des Lockdowns rausgegangen, um unsere Nachbarinnen zu pflegen, wird sind arbeiten gegangen, wir haben konsumiert. Aber jetzt wollen sie uns verbieten zu demonstrieren“, twitterte die „Kommission 8M“.

Die Koordination kündigt an: „Die feministische Bewegung wird am 8. März auf der Straße sein.“ Es ist, auch wenn der Gerichtshof das Verbot bestätigen sollte, vielleicht sogar mit größeren Demonstrationen in Madrid zu rechnen, die spontan vom radikaleren Teil der Bewegung organisiert werden, als die, die über einen kontrollierten 8. März geplant waren. Man darf gespannt sein, ob die Polizei dann massiv gegen demonstrierende Frauen vorgeht. Schließlich wird die von der rechten Regionalregierung kontrolliert, die ohnehin gegen die Demonstrationen für Frauenrechte sind. Die Regionalregierung, die von der ultrarechten VOX-Partei gestützt wird, begrüßt das Demoverbot.

Das Verbot ist sehr merkwürdig, da bisher auch Demonstrationen in der Hauptstadt von Corona-Leugnern erlaubt wurden, die sich ausdrücklich nicht an die Abstands- und Hygieneregeln halten. Franco hatte auch keine Probleme mit einer Kundgebung für die Gefallenen der spanischen „Blauen Division“. Die kämpfte an der Seite der Nazis gegen die Sowjetunion. Aus ihrer antisemitischen Nazi-Gesinnung machten die Teilnehmer der Versammlung keinen Hehl. Hitlergrüße wurden gezeigt und erklärt: „Der Feind ist immer gleich, nur mit verschiedenen Masken: Es ist der Jude, gegen den die Blaue Division kämpfte.“

Das Verbot, dass der Sozialdemokrat Franco ausgesprochen hat, verstört auch den linken Koalitionspartner. Die UP-Gleichstellungsministerin Irene Montero spricht von einer „Stigmatisierung“ der Feministinnen. Den Frauen solle die Straße von denen, die eine „reaktionäre Agenda“ vertreten, geraubt werden. Der Riss, der längst zwischen der UP und PSOE klafft, geht nun noch tiefer. Die Regierung steht, weil die PSOE auch in sozialen Fragen den Koalitionsvertrag nicht einhält, den geflohenen korrupten Ex-König schützt und ihre Verstrickungen in Todesschwadronen nicht aufarbeiten will, ohnehin längst vor der Zerreißprobe.

„Madrid ist unter den europäischen Metropolen eine Insel im Meer der Restriktionen“

Dass Madrid weiter sehr schlechte Covid-Zahlen ausweist, liegt vor allem daran, dass die rechte Regionalregierung den „laxesten“ Umgang mit dem Coronavirus zulässt, wie nun auch die Süddeutsche Zeitung (SZ) feststellt. Die hatte zunächst sogar vor von einem „Madrider Wunder“ fabuliert. Allerdings spricht die SZ weiter von einem „Lockdown“, den es auch nicht gibt.

Denn es hat sich derweil auch in große deutsche Tageszeitungen herumgesprochen, dass in Madrid alle Restaurants, Bars, Cafés, Geschäfte, Kinos, Theater und Museen geöffnet und gut gefüllt sind.  „Das Leben pulsiert in der spanischen Metropole“, schreibt zum Beispiel der Tagesspiegel, „ganz so, als ob es keine Virusepidemie“ gäbe.

„Madrid ist unter den europäischen Metropolen eine Insel im Meer der Restriktionen“, stellt auch die größte Tageszeitung El País fest. Sie führt aus, dass inzwischen auch die nächtliche Ausgangssperre von 22 auf 23 Uhr verschoben wurde. Die Hauptstadt ist deshalb längst zur illegalen Party-Hochburg geworden. In nur drei Tagen flogen 442 illegale Partys in Madrid auf. Vor allem von Franzosen wird sie genutzt. Auch an diesem Wochenende sind wieder prall gefüllte Flugzeuge aus Frankreich mit jungen Leuten eingetroffen, die Party machen wollen.

Während in Frankreich seit Monaten alle Kneipen geschlossen sind, die Franzosen innerhalb des eigenen Landes nicht verreisen sollen, ist es ihnen erlaubt, ins Ausland zu fahren oder zu fliegen. Während die Menschen in Spanien oft die Gemeinde, den Bezirk oder die Provinz nicht verlassen dürfen (je nach Inzidenz), geschweige denn in die Nachbarregion reisen dürfen, kommen weiterhin viele ausländische Touristen in den Infektionsherd Madrid. Der rechten Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso kommt das gerade recht. Sie hat erklärt: „Ich bin nicht dafür zu haben, die Gastronomie zu ruinieren.“

Doch dagegen, dass nur sie nur wenig gegen die Corona-Pandemie unternimmt, tut die Zentralregierung nichts. Sie lässt sich weiter von Ayuso auf der Nase herumtanzen. Dabei wäre es für sie zum Beispiel sehr einfach, partyhungrige Leute fernzuhalten. Der Flughafen und die Grenzkontrollen sind Kompetenz der Zentralregierung. Kontrollen am Flughafen in Madrid würden schnell Abhilfe schaffen. Sie würden auch dafür sorgen, dass verschiedene Varianten des Virus aus Madrid nicht im Ausland verteilt werden.

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