Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen gedachte am Wochenende in der polnischen Hauptstadt des Warschauer Aufstands, es war kurz vor der Wahl auch ein außenpolitischer Test.
„Ich halte es für wichtig, dass wir das in unserer deutsch-polnischen Erinnerungskultur gemeinsam wachhalten“,sagte Armin Laschet vor einer Statue, einem Kind mit Helm und Karabiner, dem Denkmal für den kleinen Aufständischen.
Um 17 Uhr, am 1. August 1944, schlug die polnische „Heimatarmee“ (AK) die größte militärische Untergrundorganisation im von NS-Deutschland besetzten Europa, gegen die Okkupanten los. Der Kampf sollte nur einige Tage dauern, die Partisanen wollten der anrückenden Roten Armee eine befreite Stadt präsentieren.
Die deutschen Besatzer schlugen den Aufstand jedoch in 63 Tagen nieder, da sie Verstärkung von SS-Truppen bekamen und Stalin die sowjetischen Soldaten am Ostufer der Weichsel anhalten ließ. Von den polnischen Kombattanten starben etwa 20.000, bis zu 160.000 Zivilisten kamen ums Leben, auf deutscher Seite lagen die Verluste bei um die 10.000 Personen. Dieser Kampf und die anschließende Zerstörung der Stadt zu 85 Prozent gilt als einer der großen Wunden im kollektiven Bewusstsein des Landes.
Der CDU-Kanzlerkandidat nannte das deutsche Niederschlagen der Erhebung eine „Barbarei“ und bekannte gegenüber der Zeitung „Rzeczpospolita“, dass die „historische Verantwortung“ weiterhin die deutsche Politik gegenüber Polen bestimmen werde, auch wolle er die Politik Merkels gegenüber Polen weiter führen. Laschet traf neben dem Besuch von Gedenkstätten und dem Museum zum Warschauer Aufstand auch Staatspräsident Andrzej Duda und Premierminister Mateusz Morawiecki. Die bilateralen Beziehungen gelten als belastet, die regierende Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) scheint derzeit eher betonen zu wollen, was Deutsche und Polen trennt. Der Besuch des deutschen Politikers war somit auch ein Außenpolitik-Test kurz vor den Bundestagswahlen.
“Ich freue mich, dass wohl niemals zwischen uns wieder Krieg sein wird“
Im Mittelpunkt der zweitägigen Feierlichkeiten standen jedoch die Veteranen des Aufstandes, alte Männer, auch einige Frauen, teils in Uniform gekleidet oder mit einer weißroten Armbinde versehen, die sie damals als Kombattanten auszeichnete.
„Ich kann mich an die ganzen Erniedrigungen (während der Besatzung) noch erinnern. Aber ich freue mich, dass wohl niemals zwischen uns wieder Krieg sein wird“, so Hauptmann Feliks Waskiewicz, Kampfname „der Schwarze“ nach dem Feldgottesdienst vor dem Denkmal des Warschauer Aufstandes.
Der betagte Veteran, der mit seiner reich dekorierten Uniform den Feldgottesdienst besucht, hat bei späteren Begegnungen mit Deutschen seinen Frieden mit den Nachbarn gemacht. Er war als Zwanzigjähriger der Kommandant eines Trupps, der im August 1944 vom Ostteil der Stadt über die Weichsel schwamm, um an den Kampfhandlungen teilzunehmen. Später wurde er vom sowjetischen Geheimdienst NKWD verhaftet und saß in einer Todeszelle ein.
Eine „Anerkennung“ sei der Besuch, so ein weiterer Veteran und eine Tochter einer Aufständischen, die das Ende des Krieges im emsländischen Kriegsgefangenenlager Oberlangen erlebte. Die befragten Zeitzeugen und eine Hinterbliebene nahmen den Besuch positiv auf, erwähnt werden muss jedoch auch, dass ein Trupp von Pfadfindern mittleren Alters zuvor die Sicherheitsbeamten als „Beschmutzer“ des Andenkens der Toten beschimpften, da sie eine deutsche Delegation als erstes durchgelassen hatten.
Außenpolitisches Signal
Natürlich haben solche Gedenkauftritte deutscher Politiker auch eine pragmatische Seite. Wurden noch in der Kohl-Ära Orte deutscher Verbrechen des Zweiten Weltkrieges von Politikern lieber gemieden, vor allem von den konservativen, haben sich in den letzten Jahren die Besuche der Volksvertreter an Gedenkorten gehäuft.
Man kann es den Politikern nicht vorwerfen, doch oft werden solche Besuchte von den Medien gehypt, wie etwa die Visite von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Auschwitz im Dezember 2019.
Dem Katholiken aus Aachen sei eine Nähe an Polen nicht abgesprochen. In seiner Schülerzeit interessierte er sich für die Solidarnosc-Zeit und sammelte Spenden für Polen.
Doch welchem Zweck könnte das Gedenken noch dienen, stellt man einmal das ethische Anliegen beiseite?
Mit Marowiecki besprach der CDU-Politiker jedenfalls brisante Themen wie das künftige Denkmal für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs in Berlin, die Rechte der Polen in Deutschland sowie „Energiesicherheit“.
Laschet gilt wie Merkel als Befürworter von Nord Stream 2, das vor allem von Polen wie den baltischen Ländern innerhalb der EU strikt abgelehnt wird, da Russland die Pipelines in der Ukraine abdrehen könnte. Biden gab für Nord Stream 2 grünes Licht, nachdem Merkel versichert hatte, Sanktionen gegen Russland zu erheben, sollte Moskau wie befürchtet Energie als Waffe gegen Kiew nutzen.
Dabei haftete Laschet lange Zeit den Ruf eines Putin-Verstehers an. Nun drohte er kurz vor seiner Warschau-Reise dem Land Sanktionen an, sollte es am Gashahn drehen und hatte die Pressefreiheit auf dem Schirm. “Russland bricht internationales Recht und attackiert die westlichen Demokratien“, erklärte er gegenüber der konservativen Zeitung „Rzeczpospolita“ am Montag.
Die Reise war somit auch ein außenpolitisches Signal, denn selbst konservative Polen, die traditionell eher der CDU zugeneigt sind, hofften jüngst auf eine Kanzlerin Annalena Baerbock, welche etwa Nord Stream 2 ablehnt und einen konfrontativeren Kurs gegenüber dem Kreml bevorzugt.
Zudem betonte Laschet, der gerne seine EU-Verbundenheit hervorhebt, gegenüber der polnischen Zeitung, dass er die Linie Brüssels in der Auseinandersetzung um die Rechtssicherheit in Polen unterstützt. Polens Regierung mit ihren Volten gegen Brüssel mehr an Europa zu binden, wird jedoch ein mühsames Unternehmen.
Duda und Kaczynski stellten Laschet in die Ecke
Der Besuch der vielen Erinnerungsstätten kann auch als Versuch gewertet werden, den polnischen Reparationsforderungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Neben einer deutschen Unterstützung bei einem möglichen Aufbau des Sächsischen Palastes schlug Laschet die Stärkung der deutsch-polnischen Zivilgesellschaft vor, was in den Ohren von PiS-Politikern eher ungut klingt.
Bezeichnenderweise wurde der deutscher Politiker von Staatspräsident Andrzej Duda gar nicht erst in seiner sehr kämpferischen Rede während der traditionellen Feldmesse erwähnt. Und der einflussreiche PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, der nahe ihm saß, würdigte den Christdemokraten keines Blickes.
Allein Rafal Trzaskowski, der liberale Oberbürgermeister der Stadt, wies auf den Gast aus Deutschland hin. Der knapp gescheiterte Kandidat für das Präsidentamt ist ein berechenbarer Ansprechpartner; und somit eine Ausnahme. Die Realpolitik mit Polen wird fortbleibend aufreibend sein.
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