Kasachstan und Russland driften auseinander

Der kasachische Präsident Kassym-Jomart Tokayev nicht sehr glücklich beim Treffen mit Putin im Mai. Bild: Kreml/Tass

Die kasachische Führung vertritt in der internationalen Politik eine Position, die sich deutlich von der Haltung Moskaus unterscheidet. Das gilt beispielsweise für das antirussische Sanktionsregime und den Krieg in der Ukraine.

Im Zusammenhang mit der russischen Militärintervention in der Ukraine und der westlichen Sanktionspolitik sehen sich zahlreiche Länder gezwungen, sich zwischen dem Westen und Russland positionieren zu müssen. Das betrifft auch Kasachstan, das als einer der wichtigsten Verbündeten Russlands gilt und vielen Kernbereichen, wie etwa der Wirtschaft und der Sicherheitspolitik, sehr eng mit seinem Nachbarland verbunden ist.

Zum Beispiel führen fast alle Handels- und Transportrouten, die Kasachstan eine breite wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Ländern ermöglichen, durch russisches Territorium. Auf diesem Wege werden etwa 80 Prozent der kasachischen Erdölausfuhren transportiert.

Kasachstan ist darüber hinaus seit mehr als 30 Jahren Mitglied des russisch geführten Militärbündnisses „Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit“ (OVKS) und außerdem auch Teil der von Moskau initiierten „Eurasischen Wirtschaftsunion“ (EAWU) – eines Binnenmarktes mit einer Zollunion, dem als Mitglieder neben Russland und Kasachstan auch Weißrussland, Armenien und Kirgisistan angehören.

Nichtsdestotrotz befinden sich die Beziehungen der beiden Verbündeten derzeit vermutlich in keinem guten Zustand. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Führung in Nursultan bei bestimmten Fragen der Weltpolitik eine für Moskau ungünstige Position einnimmt und sich deutlich von Russland distanziert, wie etwa in Bezug auf den Konflikt in der Ukraine und die antirussischen Wirtschaftsbeschränkungen.

Zu allem Überfluss haben Berichte über angebliche Waffenexporte aus Kasachstan nach Jordanien, die letztendlich in die Ukraine gegangen sein sollen, die russisch-kasachischen Beziehungen vor eine weitere Belastungsprobe gestellt. Nursultan wies solche Spekulationen als falsch zurück, nachdem diverse russische Medien dem kasachischen Staat vorgeworfen haben, eine indirekte Unterstützung für die Ukraine zu leisten.

Spekulationen um Kasachstans Waffenexporte

So berichtete die in Russland beliebte konservative Agentur „Tsargrad“ am 10. August unter Verweis auf die von der ukrainischen Hackergruppe „Beregini“ vor wenigen Wochen bereits veröffentlichten Informationen über einen Rüstungsdeal in Millionenhöhe zwischen Kasachstan und Jordanien, der von einem britischen Militärattache „beaufsichtigt“ worden sein soll. Demnach geht es bei dem Geschäft in einem Volumen von 69,5 Millionen US-Dollar um den Kauf von kasachischer Artilleriemunition durch Jordanien. Die jordanische Seite soll von dem Unternehmen „Technoexport“ insgesamt 20.000 Projektile für 122-mm-Kanonen („sowjetisches bzw. russisches Kaliber“) und 33.000 Raketen für das Mehrfachraketenwerfersystem sowjetischer Bauart „BM-21 Hagel“ erworben haben.

London sei in den Deal deshalb involviert, weil die Munition für das britische Verteidigungsministerium bestimmt gewesen sein soll, heißt es. Zudem hätten Kasachstan und Jordanien zu dem Zeitpunkt auch Verhandlungen über die Lieferung von 200 gepanzerten Mannschaftstransportern vom Typ BTR 4 und Munition für Mörsersysteme geführt.

Kasachstan hat die Vorwürfe noch am gleichen Tag als falsch zurückgewiesen, wie „Interfax“ meldete. Das Ministerium für Industrie und Infrastruktur in Nursultan erklärte unter anderem, dass das Unternehmen „Technoexport“ nicht über die Lizenz zum Verkauf von Waffen, militärischer Ausrüstung und Munition ins Ausland verfüge.

Es stellt sich nun die Frage, ob die besagten Informationen der Hacker gezielt gestreut wurden, um den Eindruck zu erwecken, dass die kasachische Munition unter Beteiligung Großbritanniens letztendlich an die ukrainische Armee geliefert wurde. Denn ist es offensichtlich, dass die britischen Truppen keine militärische Ausrüstung sowjetischer Bauart verwenden können, da die britische Armee völlig andere Standards für Waffen hat. Und ist es ohnehin allgemein bekannt, dass Großbritannien – wie übrigens auch die USA – versucht, Militärausrüstung sowjetischer bzw. russischer Bauart weltweit massenhaft aufzukaufen, um es der Ukraine im Kampf gegen Russland bereitzustellen.

Die Aussicht, dass ausgerechnet Kasachstan, das im Grunde mit Russlands Hilfe im vergangenen Januar es geschafft hatte, die blutigen Ausschreitungen im Land zu beenden und die konstitutionelle Ordnung im Land wiederherzustellen, Rüstungsgüter bereitstellt, die gegen russische Soldaten eingesetzt werden, wäre für die Russen bestimmt sehr schmerzhaft gewesen. Zugleich würde es aus russischer Sicht einen sogar noch größeren Affront darstellen als die offenkundige Tatsache, dass Kasachstan in einer für die Russland derart lebenswichtigen Angelegenheit wie der seit über acht Jahre andauernden Tragödie in der Ukraine nicht hinter der Politik des Kremls steht.

Ukraine-Krieg und antirussische Sanktionen 

Dass das wohl der Fall ist, wurde nach dem Auftritt des kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg Ende Juni deutlich, bei dem der 69 Jährige als Ehrengast seines russischen Amtskollegen Wladimir Putin auf dem Podium vertreten war. Damals distanzierte sich Tokajew deutlich von Putin, indem er eine Rhetorik nutzte, die in einen klaren Gegensatz zum Moskaus Vorgehen im Ukraine-Konflikt steht. Es betraf die Anerkennung der beiden Volksrepubliken Donezk und Lugansk, mit deren Verteidigung der Kreml die eigene Intervention in der Ukraine begründet, und die in diesem Zusammenhang eingeführten Sanktionen gegen Russland.

Tokajew hat laut dem Portal des TV-Senders n-tv offen zum Ausdruck gebracht, dass er das russische Vorgehen in der Ukraine nicht unterstützt, ohne die Militäroperation jedoch explizit zu bewerten, und äußerte sich unter anderem sehr negativ bezüglich Anerkennung der beiden Volksrepubliken durch Moskau. Er bezeichnete Donezk und Lugansk als „quasistaatliche Gebiete“, fur die – ungeachtet des UN-Rechts auf Selbstbestimmung – „offensichtlich“ das Prinzip der territorialen Unversehrtheit gelte. Dies brachtes ihm viel Kritik vonseiten der Russen ein, die ihn beschuldigten, sich gegenüber dem Donbass respektlos zu verhalten.

In puncto Wirtschaftsbeschränkungen hat Tokajew unmissverständlich klar gemacht, dass sein Land die gegen Russland verhängten westlichen Sanktionen befolgen werde. Damit könnte Kasachstan aber auch versuchen, Profit für sich aus der Sanktionspolitik zu schlagen. Wie die russische Ausgabe des US-Wirtschaftsmagazins „Forbes“ schreibt, hat Tokajew jene ausländischen Unternehmen, die nach der russischen Invasion in der Ukraine ihren Rückzug aus Russland angekündigt hatten oder sich mittlerweile bereits vom russischen Markt zurückgezogen haben, dazu aufgerufen, doch besser in Kasachstan Fuß zu fassen. Um das zu ermöglichen, sei die Regierung bereits damit beauftragt worden, günstige Bedingungen für solche Unternehmen zu schaffen. Der kasachische Staatschef bezeichnete seine Initiative in diesem Zusammenhang als einen Schritt im „globalen Kampf um Investitionskapital“ und rechnet sich dabei „gute Chancen“ aus.

 

Der Artikel ist zuerst auf EuroBRICS erschienen.

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7 Kommentare

  1. Also ich glaube ja das, das ganze mehr Theater ist um eben Sanktionen umgehen zu können.
    In Zukunft wird die Sanktionierte Technik ihren Weg wie schon oben steht durch die Transportwege von Kasachstan nach Russland finden. Da muss man halt etwas Theater machen um nicht aufzufallen, kennt ja jeder in der Dienstleistungsbranche 😉 außerdem muss ja der Kapitalistische Rachen weiter ausgereizt werden, wer denkt den das die ganzen Firmen die aus Russland „ausgezogen“ sind dort nicht weiter Kapital schlagen können/werden.

    Apropos Dienstleistung die wird in Kasachstan bestimmt bald aus nicht nachvollziehbaren Gründen aufnehmen…

  2. Herr Männer nennt ganz viele Beispiele, des nicht guten funktionieren der bilateralen Beziehungen zwischen Kasachstan und Russland. Leider geht er nicht auf die Gründe ein. Ich kenne diese leider auch nicht. Die Hintergründe sind aber für das Verständnis der bilateralen Krise von großer Bedeutung, weil diese entscheiden, wie es morgen und übermorgen zwischen den beiden Ländern weiter geht.

  3. Das National Endowment for Democracy (NED), Verbindung zum CIA, hat seinen zentralasiatischen Sitz in Kasachstan. In K. tummeln sich die NGO’s.
    Angeblich hat NED Dezember/Januar 1,2 Mio USD für die angezettelte Color Revolution zur Verfügung gestellt.
    K. wird mit Sanktionen i.V.m. Ukraine gedroht.

  4. Nicht nur Kasachstan. Wenn man die neue Seidenstraße verhindern oder wenigstens verzögern und behindern will, braucht man auch die anderen zentralasiatischen Republiken. Und solange man Geld drucken kann…….

    (x)https://tj.usembassy.gov/regional-cooperation-22/

    Außer Kasachstan sind auch Kirgisien und Tadschikistan Mitglieder der von Russland geführten Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, OVKS. Und nun üben sie zusammen mit dem US-Militär, wie man die Sicherheit und Stabilität in der Region gewährleisten kann. Und um Terror- und Drogenbekämpfung geht es natürlich sowieso; das lernen Zentralasiaten natürlich am besten von den erfolgreichen Afghanistankämpfern.

    (x)https://tsargrad.tv/articles/sensacija-o-kotoroj-pomalkivaet-moskva-chleny-odkb-podchinilis-nato_605277

  5. Es ist zur Zeit tatsächlich äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, sich ein klares Bild über die neue(?) politische Ausrichtung Kasachstans zu verschaffen. Eine sehr unübersichtliche Gemengelage in der mittendrin ja auch noch der erratische Erdogan agiert. Zu Vieles kommt hier zusammen um es in einem notwendigerweise knappen Kommentar zusammenzufassen. Tokajews Äußerungen bzgl. der Ukraine fand ich auf jeden Fall sehr erstaunlich/verwirrend. Und beschwichtigende russische Äußerungen zum Thema sind wohl eher der Diplomatie zuzuschreiben als den tatsächlichen Überlegungen in der russischen Führung.

    Als Befürworter der sich formierenden multipolaren Weltordnung lese ich z. B. gerne die Beiträge von Pepe Escobar, der ja auch viel in den -stans unterwegs ist. Es ist aber vielleicht noch etwas zu früh, um seinen manchmal etwas überbordenden Optimismus zu teilen.

    https://cooptv.wordpress.com/2022/01/24/nach-kasachstan-ist-die-ara-der-farbrevolution-vorbei-von-pepe-escobar-the-cradle/

    Es ist doch genau diese multipolare Weltordnung, die für die USA und ihre alliierten Neocon-Ideologen (Baerbock wäre hier leider auch an prominenter Stelle zu nennen) ein Dorn im Auge ist. Nach dem Afghanistan-Debakel und dem Regime-Change in Pakistan sind die USA ja auch in Uzbekistan und Tajikistan recht aktiv. Und in Kazakhstan sitzen sie auch dick mit drin. Zu nennen wären hier nicht zuletzt die Bio-Labore dort. Ich begreife noch immer nicht, wieso Kazakhstan die in diesem Ausmaß überhaupt und schon so lange zulässt.

    https://tass.com/politics/1426195/amp

    Kazakhstan ist ein rohstoffreiches Land während viele Exportrouten aber nach wie vor durch Russland führen. Russland will eine neue Weltraumstation bauen und dafür brauchen sie wohl auch Baikonur. Kazakhstan ist auch ein wichtiges Bindeglied für die neue chinesische Seidenstraße, die (s. o.) den Neocons natürlich so gar nicht gefällt. Verquickungen ohne Zahl…….

    https://www.spiegel.de/politik/ausland/kasachstan-jaeger-des-schwarzen-schatzes-a-318380.html

    Und dann gibt es ja auch noch die Korruption in einem Ausmaß, die sogar einen Olaf Scholz zu einem kleinen Schuljungen werden lässt. Neben dem geschassten Nazarbajew wäre hier auf der anderen Seite auch Ablyazov zu nennen, der jetzt als verfolgterWirtschaftskrimineller in Paris ‚residiert‘ und von dem man vermutet, dass er in die Revolte Anfang des Jahres stark involviert war.

    https://en.m.wikipedia.org/wiki/Mukhtar_Ablyazov

    Zu viel auf einmal und sehr kompliziert. Abwarten, wie das sich hier weiter entwickelt.

    P. S. :
    Und mittendrin (wie so oft) die Briten

    https://www.globalresearch.ca/how-britain-fueled-ukraine-war-machine-invited-direct-conflict-russia/5790296

  6. Die Staaten der OVKS und Rußland als stärkste Macht dieses Bündnisses retten Tokajew den Arsch. Aber wie dankt er dies?
    Mit dem unter dem Gewand versteckten Messers eines Brutus.

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