Israel: Der überflüssige Waffengang

Nach einem Luftangriff auf den Gazastreifen. Bild: Sarah Hassan

In Israel herrscht nach dem Kampf mit dem Islamischen Dschihad und den Luftangriffen auf den Gazastreifen, durch die mehr als 40 Menschen getötet wurden, Euphorie. Verwunderlich ist, dass dieser endlose Zyklus periodisch aufflackender Gewalteskalationen so selbstverständlich hingenommen wird.

 

 

Nach dem Waffengang Israels im Gazastreifen letzte Woche herrschte unter den Juden des Landes fast einhellig eine selbstzufriedene Hochstimmung. Man redete mit Humor, wiewohl durchaus auch mit unverhohlenem Stolz, vom “Dreitagekrieg”, womit der “Rekord” des 1967er Sechstagekrieg gebrochen worden sei.

Der Vergleich ist mehr als absurd. Worüber freute man sich dennoch so? Zunächst darüber, zwei zentrale Figuren des Islamischen Dschihad in Palästina liquidiert und bei der Gelegenheit der Infrastruktur der Organisation einen herben Schlag versetzt zu haben. Darüber hinaus feierte man auch die Tatsache, dass auf israelischer Seite so gut wie keine Opfer zu verzeichnen waren. Das einzige Opfer war der bei einer Polizeiaktion eingesetzte Hund Zili, der von Palästinensern erschossen wurde. Er wurde von seiner Einheit unter Tränen und Hervorhebung “seiner Leistungen” begraben und sogar vom israelischen Premierminister Yair Lapid trauernd gewürdigt.

Um das fünfjährige palästinensische Mädchen Alaa Qadum, das bei der Liquidierungsaktion am ersten Tag des Waffengangs, gleichsam als Kollateralschaden, umkam, vergoss man natürlich keine Träne, erwähnte auch ihren Namen nicht bei der offiziellen Berichterstattung. Dafür ergötzte man sich umso mehr an der “chirurgisch” genauen Effizienz der Liquidierungsaktion.

Man kompensierte auch den durch den Tod der kleinen Alaa möglicherweise entstandenen Imageschaden der Armee sozusagen mit der Tatsache, dass bei fehlschlagenden Raketeneinsätzen des Dschihads gegen Israel nicht wenige Palästinenser im Gazastreifen umkamen. Da man das auch durch Hightech-Aufnahmen nachweisen konnte, hielt man sich das als propagandistische Errungenschaft zugute – die Verurteilung Israels blieb diesmal, gemessen an vergangenen Gewalteskalationen in Gaza, weitgehend aus. Das Selbstbild der IDF als der “moralischsten Armee der Welt” konnte somit wieder einmal erhalten, sogar gefestigt werden.

Einige der vom Islamischen Dschihad abfeuerten Raketen stürzen in den Gazastreifen ab. Bild: IDF

Der Grund, warum es für Israel diesmal so “glatt” lief, hatte primär damit zu tun, dass die Aktion der Splittergruppe Dschihad der hegemonial im Gazastreifen herrschenden Hamas nicht zupass kam. Sie konnte nicht gegen den Dschihad vorgehen, hielt sich aber zurück und involvierte sich nicht im Kampfgeschehen. Die Diskrepanz zwischen der hochgerüsteten, mit avanciertester Technologie operierenden israelischen Armee und dem Waffengegner beim diesmaligen (sinnig “Morgendämmerung” genannten) Waffengang war besonders groß. Viel Grund zum Stolz gab sie nicht. Aber angesichts der nicht gerade rühmlichen Militäraktionen der IDF seit dem 1973er Jom-Kippur-Krieg (die IDF ist ja fast nur noch damit befasst, die Okkupation zu perpetuieren, und in ihrer Funktion als “Verteidigungsarmee” längst nicht mehr gefordert) begnügt man sich auch mit derlei Operationen als Grundlage des nationalen Stolzes und Anlass zur euphorischen Stimmung.

Man muss sich aber doch immer wieder darüber wundern, dass dieser endlose Zyklus periodisch aufflackender Gewalteskalationen im Süden des Landes so selbstverständlich hingenommen wird. Irgendein Anlass kommt auf, die Gewalt bricht aus, Israel versetzt sich selbst in den Notstand, die staatstragenden Medien eröffnen Tag und Nacht dauernde “Sondersendungen”, bei denen nur noch geschwätzt wird: Jeder selbsternannte “Experte” darf sich mit banalem Gefasel und “professionellen Einschätzungen” dessen, was jeder im Lande weiß beziehungsweise hören will, überflüssigerweise wortreich entladen. Von selbst versteht sich, dass kein Wort der Kritik fallen darf (man ist ja im Notstand). Zwischendurch gibt es die Durchsagen von Luftalarm, besonders in den südlichen Orten des Landes, und eine “dramatische” Reportage über eine irgendwo eingeschlagene Rakete. Man ist patriotisch loyal in den Medien und von der bekannten Routine in den nichtbetroffenen Regionen des Landes abgestumpft.

Nach einiger Zeit ist man zum Waffenstillstand gelangt, hat “Abmachungen” getroffen und kann zum Alltag zurückkehren – bis zum nächsten Mal. Warum wird das alles immer wieder hingenommen? Wieso ist man so ideologisch blind geworden für die jedes Mal sich wiederholende Orgie von Blut und Tod, für so viel menschliches Leid?

Eine umfassende Antwort auf diese Frage würde den Rahmen dieses Kommentars sprengen. Sie müsste sich mit der Frage befassen, ob Israel überhaupt Frieden mit den Palästinensern haben will und zu welchem “Preis” ein solcher Frieden erkauft würde. Generell darf man behaupten: Israel will diesen Frieden nicht, denn wollte es den Frieden, hätte dieser schon längst prozesshaft in Gang gesetzt werden können. Aber warum kam es diesmal zum Waffengang (und noch dazu zu einem von Israel initiierten)?

In Israel kennt jeder die Binsenweisheit, dass wenn man Frieden haben will, die Rechten an der Regierung sein müssen; will man Krieg, sollten die Linken regieren. In beiden Fällen wäre man sich der Unterstützung durch die jeweilige Opposition sicher. Nun, in Israel gibt es längst schon keine Linke mehr, wenn man von der zionistischen Linken absieht, der Merez- und der Arbeitspartei, die ja randständig sind. Die arabischen Parteien werden ohnehin nicht gezählt; sie sind als illegitime nicht koalitionsfähig. Die beiden momentan in Israel ringenden Blöcke sind beide rechts bzw. rechtsextrem oder rechtsliberal ausgerichtet. Der eine Block ist pro-Netanjahu (und zwar fast hermetisch in der interessengeleiteten Loyalität), der andere Block ist anti-Netanjahu (auch er einigermaßen entschlossen und gefestigt in seinem Bekenntnis dazu).

Der Führer des Anti-Netanjahu-Blocks ist der gegenwärtige Premier, Yair Lapid. Er weist nach den eingefleischten Normen der israelischen politischen Kultur einen gravierenden Makel auf: Er ist militärisch unerfahren, was, gemessen an der großen Masse an ehemaligen Generälen, die Israels politische Szene an prominenter Stelle “bewohnen”, besonders hervorsticht (Lapid war in seinem Militärdienst Reporter in der Armeezeitung; kannte mithin das Schlachtfeld nie aus eigener Erfahrung). Was hat das mit dem letzten Waffengang zu tun? Nun, in Israel herrscht zur Zeit Wahlkampf… Den Rest mag sich jeder selbst denken.

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8 Kommentare

  1. „Das einzige Opfer war der Hund Zili. Er wurde unter Tränen begraben und sogar vom israelischen Premierminister Yair Lapid gewürdigt.“ – Ist Israel jetzt etwa auf den sprichwörtlichen Hund gekommen?
    Der heutige Begriff „Hund“ stammt doch sinnbildlich aus den alten Raubritterzeiten. – So bezeichnete man damals das kleine Behältnis am Boden einer großen Schatztruhe aus der der Kriegsfürst seine Söldner bezahlte.
    Im Verlauf eines Krieges wurde die Truhe immer leerer – und dem Fürst wurde dann beim Anblick des „Hundes“ am Boden seiner Truhe klar, dass es nun langsam besser wäre, Schluss mit dem Krieg zu machen – sonst würden die Söldner meutern . Was nicht im Sinne des Fürsten liegen dürfte. – So war das damals, aber wie ist das heute?

    Heute gibt eine große Bank jenseits des Atlantiks mit einer Druckmaschine, die stets aufs Neue aushilft, damit das lukrative Geschäftsmodell mit dem Krieg blos nicht zusammenbricht.

    1. Und wie heisst diese Bank?
      Etwa FED?
      Und Zentralbankgeld wird einfach so gedruckt, aus dem Nichts geschaffen bzw. wie sonst noch Märchen suggerieren wollen?
      Wenn jemand eine Aktiva kauft und als Sicherheit diese verpfändet, um den Kauf teilweise zu finanzieren, dann ist das Geldschöpfung aus dem Nichts, Fiat money?
      Dabei muss die Aktiva Notenbank-fähig sein, also Investmentgrade-Status aufweisen, und auch die Tilgung einschließlich Zinszahlungen muss nachvollziehbar sein.
      Wenn Achmetow sein Stahlwerk Asow verloren hat, dann ist das für die finanzierende Bank nicht so ohne.
      Was war mit den britischen Banken nach dem 2. Weltkrieg und ihren deutschen Schuldnern? Die Mär, ein Krieg würde dem Kapitalismus bzw. den Kapitalisten immer helfen, stimmt so nicht.

      1. Rockefeller sagte mal: „Wenn die Mehrheit der Leute das mit der Geldschöpfung heute verstehen würden, hätten wir morgen eine blutige Revolution“
        Ich finde es schön, dass du zu der Mehrheit gehörst.

      2. Natürlich hilft jeder Krieg dem Kapitalismus als System. Wenn dem nicht so wäre, bräuchte das System „Kapitalismus“ diese Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln nicht und von Krieg würden wir in der Vergangenheit sprechen.

        Alle Ihre obigen Fragen haben nur eine Antwort: Ja. Zumindest, solange wir das westliche Geldsystem als Grundlage der Betrachtung nehmen.

        Und was Achmetow angeht: Auch dieser Herr und dessen Bank wussten, warum sie auf das System Ukraine setzten …

  2. AHA, hätte jetzt ein Blogwart geschrieben…
    Also Demokratie mit ihren inneren Machtkämpfe, bedeutet, für die Machtergreifung muss BLUT fliessen?
    Dann möchte ich ergänzen, das Autokrate Systeme besser funktionieren und das mit erheblich weniger Aufwand für den Steuerzahler und eine allgemeine Mehrheit ’natürlicher leben darf‘.
    Israel hat und besitzt einen auferlegten Status, der ein Sinnbild entspricht wie !es!, um eine Alternsivlosigkeit handelt. Dieser Staat darf alles tun…, nur wehe dem Staat der sich des gleichen betätigt..
    Um einen positiven Gedanken fassen zu dürfen, möchte ich persönlich schreiben:
    Die Juden werden missbraucht um des zionistischen Ideologie WILLEN…

  3. Aussenministerin Naledi Pandor  aus Suedafrika, die im Beisein von Aussenminister Blinken auf der Pressekonferenz folgendes sagte:
    „Wir sind der Meinung, dass die Grundlagen von Multilateralismus und der UN-Charta für alle Länder gelten müssen, nicht nur für bestimmte.
    Ebenso wie das ukrainische Volk hat auch das palästinensische Volk Anspruch auf sein Land und seine Freiheit.
    Wir sollten ebenso besorgt darüber sein, was mit den Menschen in Palästina geschieht, wie was mit den Menschen in der Ukraine passiert.
    Wir sehen hier derzeit keinen ausgewogenen völkerrechtlichen Ansatz.
    Wir sind besorgt über die Lage in Gaza auch eingedenk unserer eigenen Vergangenheit, da wir auch selbst Apartheid durchlitten haben.“ Quelle: NDS

  4. >>Eine umfassende Antwort auf diese Frage würde den Rahmen dieses Kommentars sprengen. Sie müsste sich mit der Frage befassen, ob Israel überhaupt Frieden mit den Palästinensern haben will
    und zu welchem “Preis” ein solcher Frieden erkauft würde. <<

    Die voellige Unterwerfung der Palaestinenser, nur dann wuerde Israel einen Frieden in Erwaegung ziehen. Und das auch nur unter bestimmten Voraussetzungen.
    Selbst ein Staat Palaestina stuende unter ihrer Kontrolle und waere nichts anderes als eine Aussenstelle Israels….keine eigenstaendige Aussen- und Handelspolitik und eine Verteidigungspolitik mit eigener Armee waere voellig illusorisch.
    Bestenfalls eine bewaffnete Polizei fuer die inneren Unruhen waeren erlaubt!
    So lange ein Ungleichgewicht im Nahen Osten besteht, so lange wird es kein Frieden in der
    Region geben!

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