Polen, das beim Einsatz gegen die Flüchtlinge auf Patriotismus setzt, verhindert weiter eine Berichterstattung von der Grenze, die Bilder von der Situation der Flüchtlinge von weißrussischen und westlichen Medien gleichen sich
Rund 3,5 Tausend Migranten harren seit Montag an dem weißrussisch-polnischen Grenzübergang Brugi-Kuznica auf weißrussischer Seite aus. Ihnen gegenüber – Stacheldraht, polnischer Grenzschutz mit Helmen und Schutzwesten, dazu Polizisten und Wasserwerfer.
Der Grund für den Andrang: „Fake News“ seien im Umlauf, dass Busse aus Berlin die Migranten abholen und nach Deutschland bringen würden, schrieb der polnische Geheimdienstkoordinator Stanislaw Zaryn.
Nach Angaben des oppositionellen belarussischen Nachrichtenportals „Nexta“ wäre ein Teil der Migranten auf der Überlandstraße an den weißrussisch-polnischen Grenzübergang geführt worden sein.
Auch sollen belarussische Uniformierte Migranten von dem Zeltlager an der grünen Grenze zum offiziellen Übergang geleitet haben. In der vergangenen Woche brachten die Behörden rund 4000 Migranten in den Bereich des Grenzübergangs, wo diese improvisierte Lager aus Zelten und primitiven Unterständen gebaut hatten.
Am Dienstag wurden bereits grenzüberschreitend von der polnischen Polizei Wasserwerfer eingesetzt, die Migranten bewarfen die polnischen Kräfte mit Gegenständen.
Polen rechnet mit einem möglichen Ansturm am Grenzübergang, in fünf Sprachen wird den Ausharrenden via Megaphone vermittelt, dass sie nicht durchgelassen würden. Es ist eine direkte Ansprache im Krieg der Worte und der Bilder, die sich zwischen beiden Ländern entwickelt hat.
Auf belarussischer Seite waren lange allein die staatlich genehmen Medien unterwegs, die oft die Bilder von kleinen Kindern brachten, die im Grenzbereich ausharren mussten. Begrenzt wurden auch ausländische Medienvertreter zur Grenze eingeladen.
Lukaschenko will keine Verantwortung für die Krise übernehmen, das belarussische Narrativ weist dem Westen seine Verantwortung für die Krise im Nahen Osten zu, somit sollten Deutschland und andere EU-Staaten auch die Menschen aufnehmen, die sich an der Grenze drängen. Allerdings wird es nun immer kälter, die menschliche Not somit immer größer. Die polnische Boulevardzeitung „Fakt“ behauptet, dass Minsk nun Afghanen anwerben wolle, da diese die Kälte besser vertragen könnten als Menschen aus dem Nahen Osten. Die Zeitung stützt ihre These auf die Aussage eines ehemaligen belarussischen Diplomaten.
Mittlerweile sind auf weißrussischer Seite Fernsehteams von BBC und CCN zugelassen. Der amerikanische Sender zeigt dabei ein Mädchen, das mit traurigen Augen am Stacheldraht stehend in den ersehnten Westen schaut. Ähnliche Bilder, wie sie die Lukaschenko-Medien zeigen. Ein irakischer Kurde erzählt über seinen vergeblichen Versuch, den Stacheldraht zu überwinden und die Folgen des Tränengases, das er von polnischer Seite ins Gesicht gesprüht bekam. Der Nato-Alliierte Polen kommt in diesem Bericht nicht gut weg.
Auch der BBC-Report, wo der Medienberichterstatter an vorderster Front am Grenzübergang steht, zeigt Kinder am Stacheldraht. Von den Bildern her gleichen sich somit die westliche und belarussische Berichterstattung.
Eine Berichterstattung von polnischer Seite aus ist nicht möglich. Seit Anfang September herrscht an dem über 400 Kilometer langen Grenzstreifen der Ausnahmezustand, der nach einer Verlängerung bis zum 30. November andauert. Zugang zu der Zone haben nur Bewohner und besonders Befugte, wozu keine Pressevertreter gehören. Von der aktuellen Situation am Grenzübergang berichteten der öffentlich-rechtliche Sender TVP wie der private Sender TVN vor der Straßensperre, die die Polizei errichtet hat, die Bilder über die Menschenansammlung lieferte der Grenzschutz.
War der Blick der westlichen Presse lange auf das Schicksal der Migranten und die verbotenen Push-Back-Methoden der polnischen Einsatzkräfte gerichtet, viele Kamerateams gingen auch mit Menschrechtsaktivisten in den Wald, um deren Rettungsaktivitäten zu begleiten, so gab es seit einer Woche auch Anerkennung für die bedrängte Lage Polens und Anschuldigungen gegen Russlands “Hybridkrieg”. Allerdings bewirkt das Zugangsverbot sicherlich auch eine eher negative Haltung westlicher Medienvertreter zur polnischen Regierung.
Offiziell erklärt Premierminister Mateusz Morawiecki, dass die Anwesenheit von Journalisten an der Grenze die Migranten zu provokativen Verhalten führen würden. Doch Kritiker glauben eher, dass die nationalkonservative Führung in Warschau sich nicht in die Karten schauen lassen will. Wer dies versucht, wird bestraft. Kürzlich nahmen Ordnungskräfte ein Kamerateam von RT France fest.
„Ich bitte um Geduld“, so ein Sprecher des polnischen Außenministeriums bei einer Pressekonferenz am Montag auf die Fragen nach einem Zugang für Journalisten in der Grenzzone. Denn ab Dezember ist ein zum dritten Mal verhängter Ausnahmezustand nicht mehr gesetzesmäßig. Die Regierung will noch vorher ein Gesetz durchboxen, das die Pressearbeit im Grenzbereich weiterhin verhindert oder zumindest erschwert.
Nach innen versucht Warschau bereits die Berichterstattung auch mit dem Argument „Patriotismus“ und „innere Sicherheit“ zu steuern. Das Narrativ der staatsnahen Medien wie „TVP Info“ hebt den Einsatz der Uniformierten für das Vaterland hervor. So sendet der Staatssender einen Clip, wo Sportler aus der an Belarus grenzenden Wojwodschaft Podhalien „wie eine Mauer hinter der polnischen Uniform stehen”.
Bei der Nachrichtenmoderation des Nachrichtensenders „TVP Info“ prangt nun ein Zitat von Marschall Jozef Pilsudski, dem entscheidenden polnischen Politiker der zwanziger Jahre, neben den Sprechern: „In Krisenzeiten – ich wiederhole mich – hütet euch vor den Agenten. Geht euren Weg, liebt allein Polen und hasst alle die, die den Fremden dienen.“
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