Haben sich die Niederlande einen neuen Zeugen auf groteske Weise für den MH17-Prozess besorgt?

Im MH17-Prozess fehlt der Anklage ein Zeuge, der die Täter benennen kann. Nachdem einer verloren ging, wurde nun ein russisches Paar, das nach drei abgelehnten Asylanträgen abgeschoben werden sollte, auf Drängen des niederländischen Justizministeriums ein vierter angenommen. Die Frau will etwas über die Täter wissen.

 

Es gibt eine groteske neue Entwicklung im MH17-Prozess in den Niederlanden. Die Staatsanwaltschaft hat bekanntlich vier Männer, drei Russen und einen Ukrainer, beschuldigt, für den Abschuss verantwortlich zu sein. Sie sollen in der Kommandokette für die Organisation des Transports des Buk-Systems von der 53. Flugabwehrbrigade aus Kursk in die Ostukraine und wieder zurück verantwortlich sein. Verhandelt wird in Abwesenheit der Angeklagten, nur der Russe Oleg Pulatov, ehemaliger Offizier von Spetznaz-GRU, der 2014 den Geheimdienst der „Volksrepublik Donezk“ (DNR) geleitet hat, wird von Anwälten verteidigt.

Das Problem des Prozesses ist, Beweise dafür vorzulegen, dass die Passagiermaschine MH17 von einem russischen Buk-System vom damals von den Separatisten kontrollierten Gebiet abgeschossen wurde. Die USA wollen Satellitenbilder haben, die dies belegen, übergeben sie aber nicht dem Gericht. Der Transport wird mit einigen, vornehmlich von Bellingcat gesammelten Bildern aus dem Internet „dokumentiert“, es gibt einige vom notorisch berüchtigten ukrainischen Geheimdienst SBU stammende abgehörte Telefongespräche, bei denen zweifelhaft ist, ob sie manipuliert wurden, und einige Zeugen, die aber angeblich aus Sicherheitsgründen nicht vor Gericht erscheinen. Bekannt ist, dass die Aussage eines der befragten Zeugen, geführt als  S45, nicht in der Gerichtsakte aufgenommen wurde. Er hatte gesagt, dass es zur Zeit des Abschusses kein Buk-System an der angeblichen Schussposition gab.

Zur Verurteilung fehlt der entscheidende Zeuge, der beim Abschuss dabei gewesen ist. Aus Leaks war schon hervorgegangen, dass der ukrainische Geheimdienst vorgeschlagen hatte, Zeugen durch Verschleppung aus Russland oder der Ostukraine zu beschaffen.

Gewaltsame Verschleppung eines angeblichen Zeugen

Tatsächlich wurde 2019 vom Geheimdienst auch ein vermeintlicher Zeuge, Volodymyr Tsemak oder Zemak, aus der „Volksrepublik Donezk“ gewaltsam nach Kiew verschleppt. Er war im Juli 2014 Leiter einer Luftabwehrgruppe in Snischne (Snizhne) und soll angeblich gesehen haben, wer das Buk-System bediente und die Rakete abschoss.  Bellingcat will anhand der Lippenbewegungen erkannt haben, dass er in einem Video von einem Interview, bei dem die Frage und ein Teil der Antwort gelöscht worden war, von einem Buk-System gesprochen habe, das man verstecken müsse, woraus abgeleitet wird, dass damit MH17 abgeschossen wurde. Tsemak hatte allerdings von einem ukrainischen Kampfflugzeug gesprochen, das abgeschossen worden sei, ein zweites habe dann MH-17 abgeschossen. Das steht eigentlich im Gegensatz zum offiziellen Narrativ.

Zemak wurde jedenfalls in Kiew inhaftiert und der Beteiligung an einer Terrorgruppe und von Terrorakten angeklagt. Angeblich wurden ihm für eine Aussage vor dem niederländischen Gericht die niederländische Staatsbürgerschaft und ein Haus angeboten. Er wurde auch von der niederländischen Polizei trotz der gewaltsamen Verschleppung verhört.  Zunächst fungierte er als Zeuge, als bekannt wurde, dass er im Zuge eines Gefangenenaustausches nach Russland ausgeliefert werden sollte, wurde er vom Gemeinsamen Ermittlungsteam unter der Leitung des niederländischen Staatsanwalts Westerbeke schnell zum Verdächtigen erklärt, um dies zu verhindern und um ihn in die Niederlande zu bringen. Sogar die niederländische Regierung verlangte von Russland die Auslieferung des Ukrainers, was zeigt, wie wichtig man die Rolle von Zemak für den MH7-Prozess nahm. Weder die Ukraine noch Russland reagierten, er konnte aber vor der Überstellung noch einmal verhört werden, offenbar ohne erwünschtes Ergebnis. Er reichte hingegen eine Klage gegen die Ukraine und die Niederlande beim ECHR eingereicht, allerdings ohne Erfolg.

In der Endrunde doch noch Zeugen gefunden?

Mit Verlesung der Anklage im MH17-Prozess und der Forderung nach lebenslanger Strafe für die vier in Abwesenheit Angeklagten, wurde nach jahrelangem Hin und Her ein russisches Ehepaar (Jelena und Igor), das 2016 in die Niederlande kam, um dort einen Asylantrag zu stellen, nun plötzlich der Asylstatus von der Einwanderungsbehörde IND zuerkannt. Im Juli 2021 war er hingegen zum dritten Mal abgelehnt und die Abschiebung der beiden nach Russland angeordnet worden.

Das weist darauf hin, dass die Einwanderungsbehörde dem Ehepaar nicht wirklich glaubte. Erst als ihr erster Asylantrag 2018 abgelehnt wurde – 2018 startete das JIT einen öffentlichen Zeugenaufruf und wollte wissen, wer an dem Abschuss beteiligt war -, kam es mit der Geschichte auf, dass die Frau versehentlich einen Telefonanruf mitgehört habe, in dem es darum gegangen sein soll, wer am Abschuss der MH17 beteiligt gewesen war. Damit seien sie ins Schussfeld des russischen Geheimdienstes FSB geraten, von diesem bedroht und misshandelt worden. Sie hätten davon erst einmal aus Angst vor dem FSB nicht gesprochen. Nach Ablehnung des Asylantrags wandte sich die Frau an die niederländische Staatsanwaltschaft.

Es sollen drei Gespräche unter höchster Geheimhaltung geführt worden sein. Die Staatsanwaltschaft soll nach Medienbericht keinen Grund gesehen haben, dass die Geschichte falsch ist, aber auch nicht wichtig genug, um die Frau zur offiziellen Zeugin zu machen. Die Einwanderungsbehörde betrachtete die Story weiterhin als unglaublich, zumal sie nicht beim Stellen des ersten Asylantrags darüber gesprochen haben. Man nahm den beiden auch nicht die Geschichte mit dem Geheimdienst ab.

Aber dann nach Ablehnung der letzten Berufung berichtete die Zeitung Volkskrant aus welchem Grund auch immer im Juli über den Fall. Es schalteten sich „Geheimdienstquellen“ ein, es kam zu parlamentarischen Anfragen. Das Justizministerium  antwortete auf die Fragen der SP-Abgeordneten ausweichend: „Die Tatsache, dass ein ausländischer Staatsangehöriger für die Zwecke einer strafrechtlichen Untersuchung ausgesagt hat, sagt nicht unbedingt etwas über die Glaubwürdigkeit der Aussagen aus.“ Das IND prüfe „die interne Kohärenz der Erklärungen, aber auch, ob die Informationen z. B. mit der offiziellen Mitteilung des Außenministers übereinstimmen“. Die Kritik an derEinwanderungsbehörde wird zurückgewiesen. Wenn Aussagen Lebensgefahr mit sich bringen, schalte sich das Team Bijzondere Getuigen (TBG) ein. Die Gespräche mit ihm bleiben geheim. Aber der Außenminister weigerte sich, konkret auf diesen Fall einzugehen. Ob eine Aussage relevant ist, entscheide auch die Staatsanwaltschaft.

Wie Volkskrant jetzt berichtet, erhielt der Anwalt des russischen Paares schließlich vom Staatssekretär des Justizministeriums das Angebot, einen neuen Asylantrag zu stellen: „angesichts dessen, was in verschiedenen Medien über Ihre Klienten berichtet wurde“. Es sei außergewöhnlich, dass das Ministerium aktiv Migranten auffordert, einen  neuen Asylantrag zu stellen. Und weil es vom Justizministerium kam, war nun auch die Einwanderungsbehörde überzeugt und genehmigte den vierten Antrag. Damit dürfen die beiden in den Niederlanden bleiben – und werden wohl zumindest in der Hinterhand gehalten, um doch im MH17-Prozess auszusagen.  Ob Jelena die Zeugin ist, von der Westerbeke sprach, als er noch die Ermittlungen leitete?

Wahrscheinlich aus niederländischer Sicht korrekt, also auf jeden Fall gegen Russland (Niederländische Regierung klagt Russland wegen MH17 vor dem Europäischen Menschengerichtshof an), auch wenn diese Geschichte ebenso wie die des Paars unglaubwürdig – und politisch interessiert erscheint. Schließlich soll der Mammutprozess in den Niederlanden zu einem Ende kommen, den man politisch vertreten kann. Aber vielleicht kommt ja doch alles anders? Welche Informationen das Paar über welche Täter haben will, bleibt erst einmal Geheimnis.

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Ein Kommentar

  1. Satanowski fordert Russland auf, sich nach MH17-Vorwürfen von EU-Gerichten zurückzuziehen

    Die niederländische Entscheidung, dem russischen Ehepaar, das im Fall MH17 mit der niederländischen Justiz kooperierte, „Gnade“ zu erweisen, hat den politischen Analysten Jewgeni Satanowski nicht überrascht. In einem Interview mit Svobodnaya Pressa gab er eine entsprechende Erklärung ab.
    Die niederländische Zeitung Volkskrant veröffentlichte kürzlich einen Artikel über den Asylantrag eines russischen Ehepaars, der vom niederländischen Einwanderungs- und Einbürgerungsdienst (IND) bewilligt wurde. Es wird darauf hingewiesen, dass sie die Justizbehörden aktiv bei der Untersuchung der Ursachen des Absturzes der malaysischen Boeing in der Ostukraine im Jahr 2014 unterstützt haben. Interessanterweise hatte Amsterdam das Paar zuvor dreimal abgewiesen, aber jetzt hat es „Erbarmen“ gezeigt.

    Laut Jewgenij Satanowskij, Präsident des Forschungszentrums des Nahost-Instituts und Politikwissenschaftler, waren die Europäer zunächst damit beschäftigt, Russland die Schuld an der Tragödie zu geben. Deshalb haben sie sich auf Aussagen bestimmter Personen berufen, die nicht der Realität entsprechen. Dies ist jedoch das Einzige, was Amsterdam gegen Moskau hat.

    „Die niederländische Staatsanwaltschaft hat nichts anderes, was sie Russland vorwerfen könnte. Diese Leute könnten alles Mögliche sein – Gauner, Betrüger, prinzipientreue Oppositionelle, die beschlossen haben, die russischen Behörden zumindest auf diese Weise zu bescheißen. Oder sie könnten einfach nur Einflussnehmer sein. Aber das macht nichts – es gibt einige Leute, die behaupten, sie wüssten um die Schuld Russlands und wie man es ihnen nicht recht machen kann“, erklärte er. Der Experte erinnerte daran, dass die niederländische Staatsanwaltschaft von Beginn des Prozesses an alle Argumente und Beweise der russischen Seite ignoriert hat. Seiner Meinung nach ist eine solche Politik nicht neu. In der Vergangenheit hat der Westen Russland wiederholt verschiedener Vorfälle beschuldigt, die auf unbestätigten Daten beruhten. Es bleibt unklar, warum sich Moskau weiterhin an internationalen Gerichten, insbesondere in den Niederlanden, beteiligt. Der politische Analyst betonte, dass diese Organisationen unehrlich arbeiten und ihre Kompetenz „keinen Pfennig wert“ ist. „Ich denke, der nächste Schritt sollte darin bestehen, zu erkennen, warum die Russische Föderation Mitglied in den zahlreichen Organisationen sein sollte, die sie in die Seite beißen. Die Gerichte, Tribunale und anderen Einrichtungen haben keine anderen Ziele. Und wir stecken immer noch bis zum Hals darin fest. Es ist höchste Zeit, etwas dagegen zu tun“, sagte Satanowskij. Zuvor hatte der Militäranalyst Alexej Leonkow angedeutet, dass es sich bei der MH17-Tragödie um eine koordinierte Operation des Westens gegen Russland handelt.

    Eine Übersetzung der Original – Quelle aus dem Russischen, übersetzt mit DeepL:

    https://newinform.com/322765-satanovskii-prizval-rossiyu-otkazatsya-ot-uchastiya-v-sudakh-es-posle-obvinenii-po-delu-mh17

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