Greenwashing der Oder-Katastrophe

Fischsterben in der Oder. Bild: Hanno Böck/CC0

Deutsche und polnische Umweltbehörden nennen in ihren Berichten weder die Ursache des Fischsterbens in der Oder, noch wer die Verantwortlichen bei Industrie und Behörden sein könnten. Nach polnischer Sicht sei eine “natürliche Ursache” verantwortlich.

 

Eigentlich wollten die polnischen und deutschen Umweltbehörden bis zum 30. September einen gemeinsamen Bericht über das Fischsterben in der Oder vom 26. Juli (im schlesischen Olawa, Ohlau) bis zum 9. August 2022 (Brandenburg) vorlegen. Bei diesem Ökozid waren über 300 Tonnen tote Fische geborgen worden, das gesamte Ökosystem wurde nachhaltig zerstört.

Diesen gemeinsamen Bericht gibt es nicht, sondern nur drei verschiedene: einen polnischen, einen vom Umweltbundesamt und einen von Greenpeace. Die Gründe hierfür können nur vermutet werden, etwa weil die Polen sich von jeglicher Verantwortung reinwaschen wollen, während die Deutschen vage von einer von „Menschenhand verursachten Katastrophe“ sprechen – freilich, ohne Ross und Reiter zu nennen. In einem Punkt sind sich die drei Berichte einig: Sie verraten weder, woran die Tiere gestorben seien, noch wer die Verantwortlichen bei Industrie und Behörden sein könnten, und sie gehen auch konkreten Hinweisen, die ich auf Krass&Konkret und in einem Dokumentarfilm veröffentlicht habe, nicht nach, etwa dass es im Kohlekraftwerk Opole (Oppeln) im fraglichen Zeitraum zu Unfällen und Notfall-Abschaltungen der Kessel gekommen war. Die Betreiberfirma PGE bestätigte diese Zwischenfälle und ließ mich die Anlagen besichtigen. Auch die Flutwelle, die am 7. August auf der Höhe von Frankfurt/Oder gesichtet wurde, wird ignoriert. Die konkreten Hinweise werden nicht einmal erwähnt oder widerlegt. Vertuschung auf ganzer Linie.

Das polnische Umweltschutzinstitut strapaziert die Intelligenz der Bürger besonders. Es behauptet: „Das Fischsterben wurde weder durch Schwermetalle, noch durch Pestizide, noch durch Kohlenwasserstoff verursacht“: Keiner der untersuchten Industriebetriebe habe Schadstoffe eingeleitet, “die über das erlaubte Maß hinausgingen”. Das Fischsterben habe eine natürliche Ursache, vermutlich das Algenwachstum. Wenn man diese Theorie weiter spinnt, entdeckt man wahrscheinlich einen Massenselbstmord der Tiere, die angesichts der Algen, verursacht durch den Klimawandel, in eine tiefe Depression verfallen sind….

Der Greenpeace-Bericht ist unvollständig. Er erwähnt immerhin eine hohe Quecksilber-Konzentration. Dies weist auf das Kohlekraftwerk als Verursacher hin. Doch das Kraftwerk in Opole wird nicht einmal in einer kleinen Fußnote erwähnt. Schließlich leben wir in Zeiten des Energie-Notstandes, und Kohle und Atomkraft haben ein Revival, da sind Fragen nach den negativen Auswirkungen der Sanktionen unerwünscht. Und Greenpeace hält sich daran. Am Quecksilber seien die Tiere nicht verendet, heißt es in dem Bericht, sondern vermutlich an den Algen aus den schlesischen Bergwerken; das Algentoxin sei in den Kiemen nachgewiesen worden:

“Das deutsch-polnische Team hat insgesamt siebzehn Proben gezogen. Schwermetalle waren in vier Proben von Flusssedimenten erhöht. Die höchsten Salzwerte fanden sich an einem Rückhaltebecken des Bergbaukonzerns KGHM in Gmina Polkowice. Dort liegt der Salzgehalt 40-fach über den für Süßwasser empfohlenen Werten. Ebenfalls auffällig waren hohe Salzwerte flussaufwärts am Gliwice-Kanal, über den andere Bergwerke ihr Abwasser in die Oder beseitigen. Das salzhaltige Wasser begünstigt giftige Algenarten, wie Prymnesium parvum, die bei hohen Wassertemperaturen allem Anschein nach das Fischsterben ausgelöst hat.”

Wie sich diese Goldalgen in einem strömenden Gewässer explosionsartig vermehren können und praktisch über Nacht ein Massensterben auslösen, bleibt das Geheimnis von Greenpeace.

Die Organisation, bis vor kurzem geleitet von Jennifer Morgen (im März 2022 von Außenministerin Baerbock zur Staatssekretärin und Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik berufen), entnahm die Proben erst ab dem 15. August, eine Woche nach dem Scheitel der Welle in Frankfurt. Der Pegel dieser Dreckwelle ist in dem UBA-Bericht eindeutig zu sehen, wird aber nicht weiter problematisiert und die naheliegende Frage nach dem Entstehen dieser Welle gestellt. Da es am Oberlauf der Oder nicht zu einem Tsunami gekommen war, ist diese Welle nur durch das Aufmachen der Schleusen durch die polnischen Wasserbehörden zu erklären – wahrscheinlich, um die in den Fluss gelangten Schadstoffe wie das Quecksilber schneller zu entsorgen. Dabei sind wohl auch die Rückhaltebecken der schlesischen Bergwerke samt des salzhaltigen Brackwassers geöffnet worden.

Der UBA-Bericht schließt das Quecksilber als Ursache kategorisch aus: „Eine akut toxische Wirkung von Quecksilber für die Fischfauna und andere aquatische Organismen war im Untersuchungszeitraum auszuschließen.“ Begründet wird dies aber nicht weiter. Es sei ein erhöhter Salzgehalt nachgewiesen worden, aber auch “die erhöhte Leitfähigkeit (…) ist nicht ausreichend, um ein Fischsterben in diesem Ausmaß auszulösen”. Wie das UBA zu dieser Annahme kommt, begründet es nicht, angeblich “mangels verfügbarer Informationen”. Auch der Zusammenhang mit der Flutwelle wird nicht hergestellt. Denn wenn  man davon ausgeht, dass eine Salzbrühe aus dem Bergwerk von 100.000m3 in einer Stunde (etwa 30m3/sec) in die Oder eingelassen wurde, kann dadurch sehr wohl ein gewaltiges Fischsterben ausgelöst worden sein, durch das Salz, nicht durch die Algen.

Das Kohlekraftwerk in Opole wird von keinem der drei Berichte erwähnt. Dass die polnische Regierung dies unterlassen hat, ist verständlich, schließlich wird es von der PGE betrieben, und dem polnischen Staat gehört die Mehrheit der PGE-Aktien. Zweitgrößter Aktionär ist der US-Vermögensverwalter BlackRock. Und wer will sich mit diesem allmächtigen Finanzorganisator schon anlegen und dessen Greenwashing bezweifeln?

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12 Kommentare

  1. Niemand braucht Fische ! Die erschrecken einen nur beim Tauchen und Bootfahren.

    Es war der Bundesverband für fischfreie Gewässer ( BffG ). Der steckt dahinter. Belege gibt es keine, nur Behauptungen und Schuldzuweisungen. Der Rest versendet sich.

  2. Ja supi, man würden denken das dieses Thema die Kernkompetenz der Grünen trifft – weit gefehlt. Die Grünen sind mit transatlantischem Arschkriechen und niederträchtigstem Kriegsgehetze voll ausgelastet, nebenbei wird noch ein bißchen innen- und wirtschaftspolitisch dilettiert. Und wenn man sich die Umweltministerin (GRÜNE) von der traurigen Gestalt ansieht, ist klar, das der Pole mit so jemandem Schlitten fährt

  3. Danke für den Artikel. Ich fand angesichts der Medienartikel “Fischsterben an Oder aufgeklärt”, dass diese so eine Botschaft transportierten:”Puh, jetzt müssen wir uns nicht mehr mit verunsichernden Fragen beschäftigen und können dieses Thema endlich hinter uns lassen. Die Polen stehen ja an unserer Seite, Greenpeace will nur Gutes für die Umwelt. Also Thema abgeschlossen.” Und wenn man wirklich davon ausginge, dass eine bislang unbekannte Alge plötzlich so massenhaft auftrete, dass die Fische eines Flusses massenhaft wegsterben, dann müsste man drastische Maßnahmen gegen diese neue “Killeralge” einleiten, aber ich habe nichts davon gehört. Das Fischsterben sei halt Zufall gewesen, niemand verantwortlich, wird schon nicht wieder auftreten.

    Mich würde nicht wundern, wenn die Suche nach den Tätern der kaputten NordStream Pipelines in den Medien ebenfalls beendet würde mit “Algen griffen die Röhren an und verursachten die Lecks”. Wobei man hier ja den Narrativ-Konform Russland verantwortlich machen kann.

    1. 😉
      Das hättest du auch einfach selbst machen können.
      Streiche: „Algen griffen die Röhren an und verursachten die Lecks“
      Setze: „In russischen Biolaboren gezüchtete Mutanten-Algen griffen die Röhren an und verursachten die Lecks“

  4. “Und wer will sich mit diesem allmächtigen Finanzorganisator schon anlegen und dessen Greenwashing bezweifeln?Und wer will sich mit diesem allmächtigen Finanzorganisator schon anlegen und dessen Greenwashing bezweifeln?”
    Immerhin Sie liebe Fr. Gaby Weber! Dankeschön und auch für den Hinweis B&R.

    1. Nicht funktioniert besser, als wenn eine selbsternannte “Umweltpartei” Umweltkatastrophen “reinwäscht”. Wer will da noch zweifeln?

      Siehe Grüne und der Hambacher Forst…
      oder Rot-Rot (PDS) in Berlin und der Verkauf von kommunalen Wohneigentum Anfang der 2000er Jahre….
      Partei mit pazifistischen, umweltpolitischen und antiatomkraft Hindergrund und der erste Angriffskrieg ausgehend von Deutschland nach dem 2. WK auf Serbien (Fischer und Co.)….

      Danke Frau Weber, dass Sie an dem Thema dran geblieben sind!

  5. Ich hatte bisher von Frau Weber eine hohe Meinung, aber mit ihren pauschalen, nicht näher begründeten Anschuldigen gegen das Kraftwerk schießt sie sich aus meiner Sicht ein Eigentor.

    Ich bin Ingenieur und weiß so ungefähr, wie ein Kohlekraftwerk funktioniert. Schadstoffe fallen da zwar an, aber eher gasförmig bzw. in fester Form. Die gasförmigen Schadstoffe und Feinstäube, die früher über den Schornstein abgelassen wurden. versucht man in feste Form zu überführen, weil die sich besser deponieren lassen als flüssige Schadstoffe.

    Als Zwischenschritt werden die jedoch temporär in Wasser gebunden (Stichwort: Rauchgas-Wäsche) und dann getrocknet. Es wäre zwar denkbar, dass kleine Mengen dieses Wassers wegen einer Betriebsstörung in einem sicherlich vorhandenen Sammelbecken gesammelt, dann jedoch nicht ordnungsgemäß entsorgt bzw. wieder in den Aufbereitungsprozess eingespeist wurden, sondern kriminell in die Kanalisation abgelassen wurden und den Weg bis in die Oder gefunden haben. Aber ob die Menge für ein massenhaftes Fischsterben reichen würde? Ich bezweifele das.

    Zur journalistischen Arbeit sollte gehören, sich erst mal schlau zu machen und einen möglichen Hergang halbwegs plausibel zu beschreiben. Wird ja Leute geben, die sich mit so was auskennen und die man fragen kann.

    Ins Blaue zu schießen ist kein seriöser Journalismus.

    Schadstoffhaltige Abwässer fallen eher beim Bergbau an. Kohlekraftwerke werden oft in der Nähe von Kohlegruben errichtet; anscheinend gilt das auch für das verdächtigte Kraftwerk. Frau Weber ist wohl gerade dabei, das ebenfalls raus zu finden. Work in Progress, aber insgesamt kein Ruhmesblatt für die Autorin.

    1. Wieso erwähnst Du nicht die Riesenmengen Asche, die anfallen und irgendwo deponiert werden müssen? Die liegen ja nun nicht in Form von chemisch völlig inaktiven Schlackegranulaten irgendwo auf Halde, sondern die sind vermischt mit Staub und Abrieb und direkt nach der Extraktion aus der Brennkammer auch heiß und chemisch sehr reaktiv. Werden sie abgelöscht und auf Halde gefahren, hat man das Ablöschwasser, das sehr viel gelöste ausgewaschene Salze und Mineralien enthält, in nicht gerade kleiner Menge. Werden die Schlacken heiß verkippt, können intensive Regenfälle das Auswaschen erledigen, aus der Halte auslaufen und wohin gelangt dieses Sickerwasser? Größere Müllhalden hier in DE erhalten spezielle Regenabdichtungen und Sickerwassersammler – aber Schlackehalden?
      Hier aus Berlin ist bekannt, daß nach einiger Trockenzeit intensive Regenfälle bei Gewitter Fischsterben in Spree und Havel auslösen können (mehrfach berichtet). Grund sind angesammelter Straßenschmutz und angesammelte, nicht ausgespülte Verunreinigungen in den Abwasserrohren, die plötzlich in hoher Konzentration in die Flüsse gespült werden. Hört sich ähnlich an wie das Event an der Oder? Ich denke schon. Nur daß es wohl zur fraglichen Zeit am Oberlauf der Oder keine größeren Niederschläge gab. Oder doch? Frau Weber? Ausschlussverfahren?

  6. Das Zentrum Liberale Moderne ist offenbar im Aufwind mit der grünen Regierungsbeteiligung. So hat man sich gerade mit Vertretern der Chemieindustrie getroffen und geklärt, wie diese decarbonisiert werden können. Man könne fossile Energieträger durch Öko-Strom ersetzen, wenn man der Chemieindustrie die Strommenge zur Verfügung stelle, die ganz Deutschland in einem Jahr produziere. Zudem könnten neue Technologien helfen, die laut Paper ca. ab dem Jahr 2035 zur Verfügung stünden. Na, da brauchen die Chemiewerke nur 13 Jahre stillzustehen ohne Insolvenz. Zum Paper:
    https://libmod.de/konsenspapier-eckpunkte-zukunft-dt-chemieindustrie/

  7. “Wehe dem Menschen, wenn nur ein einziges Tier im Weltgericht sitzt” (Christian Morgenstern).
    Das ist das erste, was mir zu dem Titelbild einfällt, aber auch zu Stichworten wie dem Keulen von 100.000en von Schweinen, Geflügel etc, den Tierversuchen, dem gedankenlosen Umgang mit “Haustieren” usw.

    Aber um noch eins draufzusetzen, gehen wir auch miteinander um wie mit Tieren.

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