Ausgerechnet wenn die Buchmesse stattfinden, wird der Nahverkehr in Leipzig lahmgelegt.
Leipzig! Die knuddelige Buchmesse in der hipsten Stadt Deutschlands, fünf Hallen voller Bücher, Spiele und …. Mangas? Ja, eine Halle voller bunter asiatischer, ich habe keine Ahnung, aber ich finde es prima, wenn junge Menschen auf eine Buchmesse gehen, auch wenn sie als blaue Tiere verkleidet sind.
Weniger prima finde ich es, wenn der Nahverkehr in Leipzig lahmgelegt wird ausgerechnet dann, wenn die Messe stattfindet. Aber das sollte ich erst herausfinde, als ich schon dort war, und alles gebucht, von der Unterkunft bis zur Rückfahrt.
Vorerst saß ich im Zug inmitten einer literaturbegeisterten Schulklasse voller Vorfreude (die und ich). Wobei, zur Messe zu kommen, das war gar nicht so einfach: Der Zug von Berlin nach Leipzig war voll. Rappelvoll. Natürlich hatte ich keinen Platz gebucht, denn ich bin ein spontaner Mensch und am Vortags war’s zu spät.
Zu allem Überfluss wurden die reservierten Plätze wegen eines Computerdefekts nicht angezeigt. Nun konnten die Leute, die keinen Sitzplatz gebucht hatten, nicht erkennen, welcher Platz unreserviert war, während die, die einen gebucht hatten, umständlich ihre Tickets hervorkramen und die Platzbesetzer verscheuchen mussten.
Das führte zu 20 Minuten fröhlichen Bäumchen-Wechsel-Dich in sämtlichen Wagen, begleitet von gegenseitigen Entschuldigungen, “Es tut mir so leid, aber das ist mein Platz”, bis es irgendwer im Zug endlich schaffte, die Reservierungsanzeige anzuknipsen, allerdings erst zu einem Zeitpunkt, wo es auch schon egal war.
Merkwürdigerweise fuhr der Zug an dem Messebahnhof vorbei zum Hauptbahnhof, wendete dort, und fuhr dann zurück zur Messe. Das hieß, das war der Plan. Das ging aber nicht, weil eine Weiche am Bahnhof gestört war oder ein Signal.
Nachdem per Lautsprecher ein längerer Aufenthalt angekündigt wurde, machten sich die Ersten von uns zu Fuß auf dem Weg zur S-Bahn, kriegten aber gerade noch mit, dass der Zug dann doch vorhatte zu fahren und hüpften wieder in den Zug.
Wozu hat die Bahn überhaupt einen Messebahnhof gebaut, wenn ein Zug voller Berliner (hauptsächlich eigentlich Berlinerinnen) auf dem Weg zur Messe den nicht zur Abkürzung der Reise nutzen darf? Fragen über Fragen.
Auf der Messe angekommen, war die Stimmung ernst und gefasst. Viel ist von Krieg und Frieden die Rede, Ukraine, Israel; vor Nazis wird gewarnt und Preise werden verteilt. Dazu morgen mehr. Aber das große Flüsterthema der Messe war der Streik!
Warum bestreikt Verdi Leipzig ausgerechnet jetzt?
Der öffentliche Nahverkehr in Leipzig wird bestreikt! Mitten zur Messezeit! Busse, Straßenbahnen, alles. Die Straßenbahn vom Bahnhof zur Messe soll zwar fahren, wenngleich seltener, aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass es Veranstaltungen in der ganzen Stadt gibt, von der Moritzbastei zur Runden Ecke, vom Ariowitsch-Haus zum Werk2, wo Autoren und kleine und große Verlage die neuesten Bücher präsentieren, und da kommt man ohne Bahn und Bus wirklich schlecht hin.
Ganz abgesehen davon, dass einige von uns außerhalb wohnen, bei Freunden oder Bekannten. Gerade erst hat sich die Buchmesse von Corona erholt, zweimal ist sie ausgefallen. Warum bestreikt Verdi Leipzig ausgerechnet jetzt?
Verdi, wir erinnern uns, ist die Gewerkschaft, die behauptet, freie Journalisten zu vertreten, und Autoren. Die IG Medien ist in Verdi aufgegangen; schon damals unkten viele, dass die Interessen der Freien Verdi komplett am Hintern vorbeigehen würden und dass es ein Fehler war, die IG Medien aufzugeben.
Und so war es bisher auch tatsächlich. Verdi setzt sich für höhere Tariflöhne für Angestellte ein, Honorare von prekär Arbeitenden interessieren die Gewerkschaft nicht die Bohne. Daran sind wir gewöhnt. Seit heute aber haben wir eine “Interessenvertretung”, die vorsätzlich eine der wichtigsten Werbe- und Präsentationsplattform für Autoren und Verlage torpediert. Dabei entblödet sich Verdi nicht, auf seiner Website herumzublöken, die Gewerkschaft sei für alle da.
Leipzig hat auch eine Automesse, könnten die den ÖPNV nicht bestreiken, wenn die stattfindet? Oder traut Verdi sich das nicht? Da sind ja ganz andere, finanzstarke Interessen vertreten, die will man sicherlich nicht verärgern.
In jedem Fall ist es eine Unverschämtheit, was sich Verdi herausnimmt. Natürlich kassiert die Gewerkschaft weiterhin Beiträge von uns. Wofür eigentlich? Es ist an der Zeit, Verdi zu verlassen. Für Journalisten und Autoren gibt es Alternativen; Berufsverbände, die ebenfalls Rechtsschutz anbieten und diverse Versicherungen. Eine Gewerkschaft, die ihre schwächsten Mitglieder aktiv sabotiert, braucht niemand.
Die Bahn, wiederum, die müssen wir hinnehmen. Es sei denn, wir fahren mit dem Auto. Das löst übrigens auch das Problem des bestreikten Nahverkehrs.
Frau Schweitzer, Sie erinnern mich an die Frau, die sich beschwerte, daß die Straßenräumdienste ausgerechnet dann streiken würden, wenn es schneit.
Die Bahn hat heute gesagt: Ja, zurzeit ist es nicht gut (dickes Minus im Jahr 2023), aaaaaber in Zukunft wird alles besser. Das nennt sich dann auch Zeitenwende, denn besser war es früher auch schon mal. Wir hatten also bei der Bahn 2 Zeitenwenden, jeweils um 180°, ergibt, wen wundert es, 360°.
Irritierend finde ich auf jeden Fall, dass die Wende zum Besseren jeweils vorher angekündigt wird, aber wenn es mal schlechter wird, dann sagt keiner vorher etwas.
Ja, die Leipziger Buchmesse – muss man da hin? Ich gestehe, dass ich noch nie dort war. Wohl deshalb weil ich aus Berufsgründen allgemein messegeschädigt bin. Zugige Hallen, öde Hotels, viel sinnentleerter Smalltalk. Zum Glück lief es in den 1990ern und Anfang der 2000er bei der Bahn noch besser. An einen Vorfall erinnere ich mich allerdings. Ich hatte eine Platzkarte mit einer Wagennummer, das war der Speisewagen. Der IC nach Hannover war rappelvoll, keine Plätze frei. Der Zugchef gab mir einen “Verzehrgutschein” über 10 DM und sagte, das im Speisewagen genug Platz sei.
Wo sind die Skandale,
gibt’s noch Rechte auf der Buchmesse oder haben die Amazon und der Bertelsmann diese Faschisten verjagt? Übrigens dies Jahr ist Dreihundert Jahre Emanuel Kant wurde der Alte-Imperativ schon so richtig Rund gemacht?
Und zum Schluss sind alle Toiletten auf der Messe, denn Gendergerecht, frage hier für mich und meinen Kater?
So eine Unverschämtheit, Arbeiter streiken, wie kann man denn da als aufrechter Linker arbeiten? Virtue Signaling betriebt sich schließlich nicht von selbst. Unter dem Führer wäre das nicht passiert…
Der Deutsche Linke hat so wenig mit dem Proletariat zu tun, dass er im Rest der Welt eindeutig als Rechts bezeichnet wird. Aber wehe man sagt ihm das.
Eine bessere Satire als dieser Beitrag ist selten zu finden.
Das kommt dabei heraus, wenn man den Sinn und Zweck eines Arbeiskampfes nicht verstanden hat. Hätte die Autorin schon in Berlin vergebens auf einen Zug gewartet , wären Weseslky und die GDL Schuld gewesen, und hätte die Autorin vergebens das Flugzeug gewählt, wäre sie über UFO oder COCKPIT hergefallen. Streiks passen ja auch nicht mehr in die Zeit, um Lohnerhöhungen sollte jeder Beschäftigte gefälligst selbst bei seinem Arbeitgeber persönlich betteln müssen.
Dass die Interessenvertretung der Drucker und Schreiberlinge in die Obhut von Verdi gelangt sind, war ein Beschluss Delegierter der ehemaligen Spartengewerkschaften. So konsequente und ehrliche Gewerkschaftsführer wie Leonhard Mahlein oder Klaus Weselsky passen auch nicht mehr in eine woke und vollgekiffte grüne Welt.
“… Gerade erst hat sich die Buchmesse von Corona erholt, … ”
Die im März 2020 verkündete Verschärfung der Risikobewertung von „mäßig“ auf „hoch“ – Grundlage sämtlicher Lockdown-Maßnahmen und Gerichtsurteile dazu – gründete, anders als bislang behauptet, nicht auf einer fachlichen Einschätzung des RKI, sondern auf der politischen Anweisung eines externen Akteurs …
https://multipolar-magazin.de/artikel/rki-protokolle-1
na wohl eher von den Corona Maßnahmen als von Corona selbst….
Egal Streik oder nicht, die Manga Gemeinde hatte ihre Freude.
Im Übrigen wissen wir doch alle, Bahn, Streik, Buchmesse alles scheiß egal, Hauptsache die Ukraine verliert nicht, Warum muss der Scholz eigentlich die Stimmung mit seiner Anwesenheit versauen, ist der immer noch nicht an der Front ?
Ich schließe mich da meinen Vorrednern an, ein Streik wirkt nur wenn er weh tut.
Das sieht man auch bei den Bauern.
Das sage ich als ehemaliger Chef.
Die Berichterstattung über Streiks in den Medien, sprich was Journalisten über die Streiks, Arbeitsbedingungen und Gehälter schreiben ist zum Teil schon nicht so doll. Da ist das doch kein ganz dummer Plan, den Streiks im Nahverkehr zur Buchmesse zu planen.
Journalisten sind genervt von den Streiks bei der DB und vergessen zu berichten, dass andere Bahnunternehmen die 35 Stunden Woche eingeführt haben.
Es wird über Fachkräftemsngel und Mindestlohn berichtet und über angeworben Mitarbeiter aus dem Ausland ohne zu erwähnen, dass es absolut den Prinzipien des Marktes entspricht, dass bei einem geringen Angebot von Arbeitskraft diese teurer eingekauft werden muss. Menschen aus anderen Ländern zu importieren, die mit weniger Geld zufrieden sind ist Turbokapitalismus.
“Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will”. Immer noch- zum Glück- aktuell,
“In der ganzen Stadt”? Die Lokalitäten, die Schweitzer da aufzählt, befinden sich bis auf’s Werk 2 alle im unmittelbaren Stadtzentrum und sind vom Bahnhof aus bzw. untereinander in deutlich weniger als 30 Minuten zu Fuß zu erreichen. (max. Entfernung 1,5 km)
Und deswegen ruft Frau Schweitzer zum Austritt aus der Gewerkschaft auf? Grotesk, aber wenig überraschend.
Ein durchaus unterhaltsamer Artikel. So kann es einem eben gehen, wenn man in der großen Welt lebt. Ja, ja.
Frau Schweitzer, Sie haben die Satirekennzeichnung vergessen!
War ja klar, dass man die Gelegenheit zur Gewerkschaftskritik in diesem unseren Magazin nicht ungenutzt verstreichen lässt. Indes, man kann ja mal vergleichen, was wäre, wenn das ein Mathematikerkongress wäre.
Klaglos hätten diese den Fußweg auf sich genommen, die meisten von ihnen sind Peripatetiker, also Leute, die beim Herumgehen denken und diskutieren. Die Peripatetiker sind mit dem fortschrittlichen Aristoteles assoziiert, während der Reaktionär Platon offenbar immer nur herumsaß. Überhaupt sind die Mathematiker überaus bescheiden und wissen, dass ihnen aus der Öffentlichkeit nur Misstrauen entgegen schlägt. Sie, die die Menschheiut aus dem Mittelalter geholt haben und die wohl Wichtigeres zu sagen haben, als die zeitgenössische Literatur. Wird man ja mal sagen dürfen. Diese aber erwarten Pomp and Circumstances und haben Autorin und Öffentlichkeit auf ihrer Seite.
Dass es diesen Herrschaften mal gut tut, wenn sie mal ein bisschen laufen müssen, kann durchaus das Kalkül der führenden Genossen von Verdi gewesen sein. Die IG-Metall repräsentierend, finde ich das vertretbar.
Ein Bahnstreik gegen eine Automesse? Hmm 🙂
Grundsätzlich ist das Problem nachvollziehbar, denn eine Gewerkschaft kann für Selbstständige eigentlich nichts “direkt” tun, höchstens Aufrufe an die Politik machen.
https://mmm.verdi.de/beruf/berufliche-interessen-von-freien-vertreten-16315
Darum sind Eva’s “kleinliche” Gründe – am Nutzen der Gewerkschaft gemessen – gar nicht so klein.
Man könnte es auch so machen wie die Besitzer der US Firma Orion, die haben den Streik abgeblasen indem sie ihre Firma in Arbeiterhänden übergaben. Seit die Arbeiter die Firma selbst verwalten und leiten brummt diese und kaufte aktuell sogar die Konkurrenz, eine renommierte chinesische/US- Firma, auf. Wäre doch begrüßenswert wenn die gierigen Glücksritter aus Hannover der LVB, die sich finanziell besser als ein Bundesminister gestellt haben, zurück in den Westen müssten. Darüber hätte geschrieben werden müssen.
Nach der Wende haben die ausgebeuteten Leipziger ihren Chefs noch zugerufen: “wir lieben Dich”. Ist doch ein Fortschritt wenn sie heute streiken.
Vielleicht könnte, nein sollte sich die (freie) Journaille, dazu aufraffen Bus- und Straßenbahnfahrer als Ihresgleichen zu betrachten und adäquat darüber berichten?
Die werden nämlich ebenso besch… bezahlt, kurz über Mindestlohn. Dafür hat man dann in Spitzenzeiten 140 Leute im Bus und muss diesen möglichst geschmeidig zwischen hippen Radfahrern rechts und dem motorisierten Individualverkehr links hindurchmassieren. Unfallfrei versteht sich von selbst. Montag bis Sonntsg? Ja, bitte gerne doch! Darf der Busfahrer Kosten verursachen? Nein! Beim Allmächtigen, wo kämen wir hin?! Das Geld für die ökologische Verkehrswende wurde doch bereits CO²-neutral in der Ukraine verballert. Tja dann, kann man wohl nix machen.
Journalisten sehen sich oft genug als etwas besseres als gemeine schwitzende Arbeiter. Igittigitt. Ehrliche Arbeit.
Es fibt natürlich Ausnahmen wie Wallraff, der das genaue Gegenteil dessen ist, und sich die Hände sxhmutzig gemacht hat.
Leipzig hat mehr als 600.000 Einwohner einen ziemlich guten öffentlichen Nahverkehr. Man darf vermuten, dass viele davon den auch nutzen. Sicher ist es keine Spekulation, wenn man vermutet, dass die wenigsten von ihnen den Streik mit Freude zur Kenntnis nahmen.
Nichts dagegen, seinen Ärger, wenn die eigenen Pläne durchkreuzt werden, auch mal raus zu lassen. Und wenn man das auch publizieren kann, ok, das ist dann so. Aber Streik funktioniert nur, wenn man Abläufe und Gewinnerwartungen stört. Es wird immer viele geben, die bei Streik, zumal der Öfis, Grund zur Klage haben. Wenn das zur Grundlage würde, gäbe es nie einen Streik.
Halte ich nicht für eine gute Idee.
Ich liebe Satire! Wenn auch hier mitgedacht werden muß, um sie zu erkennen. Overton ist halt nichts für Oberflächliche.
Finde die Kritik mehr als berechtigt. Hier wird der Stadt Schaden zugefügt und der Umwelt. Die Leute reisen beim nächsten mal dann wieder mit dem Auto an.
“Es muss wehtun” das tuts auch ausserhalb der Buchmesse.
Wenn man Leute von auswärts zu einer Messe einlädt kann man erwarten das alles funktioniert. Da zählt dann auch der ÖPNV dazu.
Bei Verdi hat man öfter mal den Eindruck es geht mehr um Publicity als um die Sache.
Und die Gewerkschaft hat jetzt die Arbeitgeber, die gleichzeitig 50%ige Eigentümer der die Buchmesse Veranstaltende sind, davon abgehalten, die Tarifverhandlungen so zu führen, dass ein Streik unnötig ist?
Einerseits wird Ver.di permanent vorgeworfen, zahnlos zu sein, nur als Feigenblatt zu dienen und eher für AG-Interessen zu stehen. Wenn dann aber ein sichtbarer Arbeitskampf gestartet wird, ists auch wieder nicht recht.
Oder empfinden Sie Gewerkschaften, die effektive Arbeitskämpfe bestreiten, eher gar durchweg als böse?