Adrian Naef, Schweizer Schriftsteller, ist kein Fußballnarr, aber kann sich den Spielen um den europäischen Thron doch nicht entziehen. Sein brandaktuelles Gedicht entstand in seinem Garten in Camanoglio, Tessin – aus Bewunderung für Künstler wie Breel Embolo und Wilhelm Busch.
Für W. Busch
I
Erst redeten Experten viel
Dann kam der Zufall
und das Spiel
Danach war mehr noch Rede gar
bis Zufall
wieder Regel war
II
Erklär’s dem Tier
an Menschen statt
Wer nimmt schon Fuss
der Hände hat
Und auch der Kopf
von dort besehen
war mal für anderes vorgesehen
Mich dünkt
es nüchtern mal betrachtet
sind wir mit Fussball
überfrachtet
So ist der Ball
nach Protokoll
meist irgendwo
statt wo er soll
III
Und ohne Richter
offensichtlich
wär’ Mord und Todschlag
augenblicklich
Ging’s um das Edle
beim Gebandel
wozu das Geld
der Menschenhandel
Doch will’s nun mal die Nahrungskette
Am Anfang war und ist
die Wette
IV
Dann siegten wir
doch bitte helf
wenn ich sie zähle
sind’s nur elf
Wie wurde ich Gewinner hier
auf unserem Sofa mit dem Bier
So gab’s schon
einen Fussballkrieg
kein Witz: Kanonen für den Sieg
Drum schiesst man erst in diesem Spiel
und geht’s daneben, ist’s nicht viel
V
Und wird mal nicht für Recht gestritten
wird auf dem Rasen viel gelitten
man wälzt sich um, als wär’s der Tod
der Richter blickt, dann zückt er Rot
Und wie ein Wunder: Auferstehung
War mal Gehinke, ist jetzt Gehung
und läuft bald schneller als zuvor
er tribbelt gar und schiesst ein Tor
VI
Doch Schluss damit
Die Zeit verrinnt
man ruft mich schon
Das Spiel beginnt
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