Führt der schwedische Sonderweg zum Abbiegen nach rechts?

Regierungschef Stefan Löfven unter wachsender Kritik wegen der Corona-Politik. Bild: Government Offices of Sweden

Ein scheinbares Paradox : Ulf Kristersson, Chef von Schwedens größter Oppositionspartei „Die Moderaten“,  verlangte  mehr Macht für seinen politischen Gegner, den sozialdemokratischen Regierungschef Stefan Löfven.

„Es war falsch, so viel Macht an eine Behörde abzugeben“, sagte der Bürgerliche, der damit auf das schwedische Gesundheitsamt abzielte. Der Vorstoß ist selbstverständlich ein Vorwurf an Löfven sowie eine Absage an den schwedischen Sonderweg, der im vergangenen Frühjahr mit seinen milden Maßnahmen für internationale Beachtung sorgte.

Der Druck hat ein konkretes Ziel – der Vorsitzende der Moderaten will zusammen mit den kleineren Christdemokraten die rotgrüne Minderheitsregierung bei den Parlamentswahlen im September ablösen. Doch dazu brauchen sie höchstwahrscheinlich eine Kooperation mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten. Die galten lange als nicht salonfähig. Doch die Krise kann ihr Geburtshelfer werden.

Das Gleiche gilt für die Moderaten und Kristersson, der ein wenig wie ein zupackender Manager und somit unschwedisch wirkt, doch aktuell in den Umfragewerten als vertrauenswürdigster Politiker führt. Er fordert mit Blick auf die skandinavischen Nachbarn ein umfassendes politisches Krisenmanagement. Denn bislang hat das schwedische Gesundheitsamt die Maßnahmen vorgegeben, die dann zumeist von der rotgrünen Minderheitsregierung mitgetragen wurden.

Auch will der 57-Jährige weg von den Empfehlungen hin zu Verboten beziehungsweise Geboten, auch bezüglich der Masken in den öffentlichen Verkehrsmitteln, die in nur in einigen Regionen empfohlen sind.

Empfehlungen anstatt Verbote – ein Merkmal der international debattierten schwedischen Krisenpolitik,  als deren Kopf Anders Tegnell gilt, der Staatsepidemiologe und Beamte des Gesundheitsamtes mit den ungebügelten Hemden. Typisch ist auch dessen Abneigung gegen Masken, Tegnell meinte kürzlich, dass sie vielleicht nützlich seien, im Vorfeld warnte er stets davor, sie würden ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Viele Mediziner des Gesundheitsamtes teilen diese Auffassung. Derzeit scheint es so, dass sich die Masken langsam durchsetzen. In den schwedischen Medien wird gerade erklärt, wie eine OP-Maske aufzusetzen ist; ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie machen sich nun die Schweden damit vertraut.

Tegnell ist seit Beginn der Pandemie ebenso beliebt wie umstritten. Kürzlich wurden er und weitere prominente Mitglieder des Gesundheitsamtes aufgrund von Drohungen unter Polizeischutz gestellt (Querdenker der anderen Art). Da die schwedische Regierung im Verbund mit der Behörde nicht in der Lage war, die Altersheime und ambulant Betreuten zu schützen, gab es dort viele Opfer, die zwei Drittel der mittlerweile fast 13.000 an oder mit Covid-19 Verstorbenen  ausmachen.

Dem 64-jährigen Mediziner wird auch angelastet, im Sommer die zweite Welle für Schweden ausgeschlossen zu haben. Als Anfang November die Zahlen dann anstiegen, soll sich das Verhältnis zwischen ihm und Stefan Löfven verschlechtert haben. Der Sozialdemokrat agierte darauf etwas selbständiger und drang nach mehr Maßnahmen – im Januar führte das Land die Pandemiegesetze ein, die eine Handhabe zur Schließung von Geschäften und der öffentlichen Verkehrsmittel einschließlich Inlandsflügen boten, aber bislang noch nicht umgesetzt wurden.

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Ein Kommentar

  1. Den Fehler, Altenheime nicht ausreichend geschützt zu haben, den kann man auch Deutschland vorwerfen. In Schweden ist es allerdings auch noch die Arbeitssituation in Altenheimen, die oftmals von Aushilfskräften und Minijobs geprägt sein soll. Da bleibt dann ein erkrankter Mitarbeiter eben nicht zuhause, wenn er meint Symptome zu haben, da ihm sonst der Lohn fehlt.

    Dazu hin kommt, dass Schweden durch seine massive Migration eine Bevölkerungsstruktur hat, die eben nicht über Generationen an die dortigen Umgebungsverhältnisse angepasst ist. Afrikaner haben in Europa mit Corona ein erheblich höheres Sterberisiko. Nach einem Bericht unter https://unser-mitteleuropa.com/ist-das-corona-virus-ein-rassist-afrikaner-in-europa-ueberproportional-in-lebensgefahr/ wurde bereits im März letzten Jahres in Schweden beobachtet, dass sechs von 15 „Covid-Toten“ ethnische Somalier waren. Diese Relation hat sich gefestigt. 40 Prozent der „Covid-Toten“ gehören der somalischen Gemeinschaft in Schweden an. Eine relevante Übersterblichkeit wegen Corona in Schweden ist mir aber ansonsten auch nicht bekannt. Die Schäden des Lockdowns in Deutschland sind jedoch nicht mehr zu übersehen.

    Von daher sollte Schweden seinen Weg fortsetzen, die Mehrheit im Land wird das wohl denn auch begrüßen.

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