„Freiheit für Nawalny“: Zehntausende haben landesweit in Russland an den Protesten teilgenommen

Versammlung in Moskau. Bild: Video von Team Nawalny

In Russland haben heute trotz der Einschüchterung und Ingewahrsamnahmen auch außerhalb von Moskau und St. Petersburg viele Menschen an den Protesten in mehr als 60 Städten teilgenommen, zu denen Nawalny und seine Mitarbeiter aufgerufen haben.

Insgesamt sind es viele Zehntausende gewesen sein, es wird in oppositionellen Medien wahrscheinlich übertrieben von weit mehr als 100.000 gesprochen. In Moskau um die 10.000 (Reuters will 40.000 gezählt haben), in St. Petersburg könnten es 10.000, gewesen sein, in Jekaterinburg  5000,  in Chabarowsk, wo seit Monaten gegen die Verhaftung des Ex-Gouverneur Furgal protestiert wird,  um die 1000. Wie immer gibt es große Unterschiedene  bei der Angabe der Teilnehmer. Aber es sind keineswegs nur jüngere Menschen gewesen.

Nawalny war nach Ankunft in Moskau festgenommen und zu 30 Tagen Untersuchungshaft bis zum Beginn des Prozesses verurteilt worden, bei dem es darum geht, ob seine Bewährungsstrafe wegen der Verletzung der Auflagen in eine Gefängnisstrrafe umgewandelt wird. Die Verletzung war einen Tag vor Ablauf der Bewährungszeit festgestellt worden, vermutlich mit der Absicht, Nawalny von einer Einreise abzuhalten.

Nawalny wusste, dass er bei Ankunft in Russland festgenommen wird und hat zu diesem Anlass das Video über „Putins Palast“ in Deutschland aufgenommen, das man als eine Kampfansage an den Kreml und den als Verrückten bezeichneten Putin verstehen muss. Die Veröffentlichung diente dazu, im In- und Ausland für Aufmerksamkeit zu sorgen und zu den Protesten zu mobilisieren.

Die Organisatoren der Proteste haben diese erst gar nicht angemeldet. Deswegen finden sie ungenehmigt statt, was wohl auch dazu dient, die Sicherheitskräfte zu provozieren, die allerdings sowieso hart einschreiten, und für Festnahmen vor laufenden Kameras zu sorgen. Bislang wurden schon mehr als 1300 Teilnehmer landesweit verhaftet. Die Corona-Krise sorgt auch dafür, dass die Polizei eingreifen kann (muss?), weil sichtlich die Abstandsregeln und die Maskenpflicht nicht eingehalten wurden. Massenversammlungen sind überdies zum Hygieneschutz verboten, was gleichzeitig immer auch ein Mittel sein kann, Versammlungen und Demonstrationen zu verhindern. Die meisten Festnahmen gab es mit etwa 400 in Moskau, darunter auch Julia Navalnaya. (Stand 15:30)

Nach Tass weist die Polizei darauf hin, dass Versuche, eine unkoordinierte öffentliche Veranstaltung abzuhalten, sowie alle provokativen Aktionen von Teilnehmern als Bedrohung der öffentlichen Ordnung betrachtet und sofort untersrückt würden.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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