Fanzösischer Wirtschaftsminister: „Lassen wir uns nicht von den Amerikanern in eine Position bringen, die nicht die der Europäer ist“

Annalena Baerbock an der „Kontaktlinie“ zum Foto-Shooting, als ob sie dort gefährdet wäre. Bild: Ukrainisches Außenministerium

Bundeskanzler Scholz und die französische Regierung suchen nach einem eigenständigen Weg zur Deeskalation mit Russland, während Baerbock mit Schutzweste und Schutzhelmzum Foto-Shooting einseitige Solidarität mit der Ukraine demonstriert.

 

Nach dem Besuch des französischen Präsidenten Macron in Moskau und Kiew gab der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire ein Interview, indem er versicherte, dass die einzig mögliche Option des Ukraine-Konflikts die Deeskalation sei. Eine Eskalation würde zur Erhöhung der Energiepreise führen – die sowieso schon hoch sind, müsste man hinzufügen.

Le Maire wandte sich vor allem gegen den US-Präsidenten Biden, der beim Treffen mit Bundeskanzler Scholz sagte, dass es bei einer Invasion der Ukraine „kein Nord Stream 2 mehr“ geben würde. Man werde dies schaffen. Bundeskanzler Scholz sagte darauf, dass man „die notwendigen Sanktionen“ ergreifen werde, es werde „harte, weitreichende Maßnahmen“ geben, die er jetzt aber nicht benennen wolle. Nord Stream 2 erwähnte er nicht. Das muss mit einem Ausrufezeichen versehen werden.

Auch nachgefragt äußerte er sich nicht zur Pipeline, sondern sagte: „Wir werden bei den Sanktionen komplett einvernehmlich agieren.“ Auf eine Frage zur Abhängigkeit Deutschlands von russischer Energie verwies Scholz auf die Energiewende und die Abkehr von fossilen Energien. Gas mache gegenwärtig ein Viertel des Energiemix aus, nur ein Teil komme aus Russland.

Auffällig war, dass Biden trotz der schneidigen Worte zur Pipeline schnell den Ton zurückfuhr und beschwichtigend erklärte: „Es gibt für die Vereinigten Staaten keinen Zweifel daran, dass Deutschland unglaublich zuverlässig als Partner ist und eine der größten Kräfte in der Nato.“

Le Maire – Frankreich hat die EU-Ratspräsidentschaft übernommen – macht nur die eigenständige Haltung der französischen und deutschen Regierungen deutlich, die sich der aggressiven Strategie der USA (und Großbritanniens sowie der osteuropäischen Länder) nicht unterwerfen wollen. Beide Länder liefern keine Waffen an die Ukraine, Macron hat auch deutlich gemacht, dass von Russland geltend gemachte Sicherheitsforderungen legitim seien, die die USA und Nato ablehnen.

„Lassen wir uns nicht von den Amerikanern in eine Position bringen, die nicht die der Europäer ist. Wir haben unterschiedliche Interessen in dieser Ukrainekrise“, sagte er. Und zur Pipeline: „Die Eröffnung der Nord Stream 2-Gaspipeline ist einer der Schlüsselpunkte der Verhandlungen und zweifellos einer der Schlüsselpunkte Wege aus der Krise mit Russland.“ Das könnte auch damit zu tun haben, dass es – jenseits der Grünen – einen bereits unter Merkel ausgehandelten Deal zwischen Frankreich und Deutschland gibt, die Atomkraft und Gas vorübergehend in der Taxonomie als grüne Energie anzuerkennen.

Dazu kommt, dass die Energiepreise die Inflation antreiben und die europäische Wirtschaft gefährden können. Die Aktivierung von Nord Stream 2 könnte in diesem Sinne zu sinkenden Energiepreisen führen. Einen Krieg zu verhindern, was die Devise des Treffens von Deutschland, Polen und Frankreich (Weimarer Dreieck) war,  oder die Ausrichtung auf Deeskalation beinhaltet natürlich auch die Möglichkeit, Nord Stream 2 aktivieren zu können.

Die grüne Außenministerin Baerbock hat sich doch Habeck angeschlossen und mit Schussweste und Schutzhelm gestern die Kontaktlinie besucht, als ob sie dort wirklich gefährdet wäre: „Was ich heute in Schyrokyne gesehen habe, hat mich erschüttert. Kein Briefing ersetzt die eigenen Eindrücke. Mir ist es wichtig, die Menschen hier nicht zu vergessen. Wir sind es ihnen schuldig, alles für eine friedliche Lösung des Konflikts zu tun – sie können auf uns zählen.“ Ganze 40 Minuten war sie im Grenzgebiet, besuchte allerdings nur die eine Seite, als ob das Leiden der ukrainischen Bürger auf der anderen Seite nichts gelten könne. Ob auch die Menschen jenseits der Kontaktlinie nicht vergessen werden dürfen, scheint nicht das Thema zu sein. Man stehe auf der Seite der Ukraine, erklärte Baerbock, Nord Stream 2 wurde jedoch auch kein Thema.

Entscheidend wird werden, ob Deutschland und Frankreich im Normandie-Format mit der Ukraine und Russland eine Umsetzung des Minsker Abkommen voranbringen können. Das würde allerdings bedeuten, Druck in erster Linie auf die ukrainische Regierung auszuüben, den „Volksrepubliken“ einen Sonderstatus einzuräumen, eine Amnestie auszusprechen und direkte Gespräche mit den Vertretern der „Volksrepubliken“ zu beginnen.

Das sieht aber schlecht aus, zumal wenn die Ukraine weiter von den USA einseitig unterstützt wird. Kiew will das Abkommen nicht umsetzen, das eine Dezentralisierung und einen Sonderstatus vorsieht. Das wurde gerade wieder einmal, nachdem der Sprecher des Außenministeriums, Oleg Nikolenko, die Nachrichtenagentur Reuters rügte, die es in einem ziemlich ausgewogenen Bericht gewagt hatte, mit Vertretern der „Volksrepubliken“ zu sprechen und von Separatisten zu reden. Nikolenko schrieb: „In der Region Donezk gibt es keine Separatisten, sondern die russische Besatzungsverwaltung. Die Aufmerksamkeit auf russische Marionetten zu lenken, schafft eine falsche Realität, untergräbt die Bemühungen, Russland für seine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn es um die Sicherheit Europas geht, spielt verantwortungsvoller Journalismus eine entscheidende Rolle.“

So kann es keine friedliche Lösung geben. Das ist auch nachvollziehbar: Wenn es keinen Konflikt mit Russland mehr über die Ostukraine gibt, kann die Ukraine auch weniger „Solidarität“ einfordern, also wirtschaftliche, finanzielle und militärische Unterstützung als angebliches westliches Bollwerk gegen Russland erhalten. Und die „Volksrepubliken“ wären, auch wenn sie entsprechende Vorschläge gemacht haben, wohl auch nicht scharf auf eine Wiedereingliederung in die Ukraine.

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