Facebook sperrte kurzzeitig Seite der russischen Delegation für Rüstungskontrolle

Russland betrachtete dies als Zensur, beschwerte sich bei der OSZE und verlangte Aufklärung über die Gründe. Heute gegen 11 Uhr war die Seite wieder zugänglich.

Letzten Freitag hat Facebook die offizielle Seite der russischen Delegation bei den Gesprächen in Wien über militärische Sicherheit und Rüstungskontrolle gesperrt: . Nach dem Leiter der russischen Delegation, Konstantin Gawrilow, wurden dafür verbotene Inhalte als Grund genannt. Gawrilow sagt, es seien nur Erklärungen der russischen Führung und des russischen Außenministeriums veröffentlicht worden. Russland werde sich wegen der „Zensur im Informationsraum“ an die OSZE wenden. Beim Schreiben des Artikels wurde die Facebook-Seite wieder freigeschaltet.

Twitter ist nicht mitgezogen, auf armscontrol-rus kann die Delegation noch posten, allerdings war im Februar 2021 der Account nach Tass kurzzeitig gesperrt worden. Die russische Mission bei der OSZE schrieb: „Wir bedauern zu erfahren, dass das #Facebook-Konto von @armscontrol_rus ohne Erklärung gesperrt wurde. Dies ist ein weiteres Beispiel für die unrechtmäßige Zensur des Informationsraums. Liebe @OSCE_RFoM, es ist sehr gefährlich, die politisch motivierten restriktiven Aktivitäten von IT-Unternehmen zu ignorieren.“

Roskomnadsor, die russische Regulierungsbehörde für Massenmedien, Telekommunikation und Datenschutz, forderte am Sonntag in einem Brief Facebook bzw. Meta auf, unverzüglich die Seite wieder zu entsperren und die Gründe für die Sperrung darzulegen. Es sei ein „Akt der Zensur“, das würde die „Hauptprinzipien der freien Informationsverteilung“ verletzen.

Es könnte sich um eine Art Racheaktion handeln, denn Facebook war wie andere Soziale Netzwerke bereits mehrmals zu Strafzahlungen verurteilt worden, weil Inhalte nicht nach russischen Regeln moderiert werden. Zuletzt musste Facebook 27 Millionen US-Dollar zahlen, weil wiederholt in Russland verbotene Inhalte nicht entfernt wurden. Gerade wurde Google zu einer Geldstrafe von 4 Millionen Rubel verurteilt, weil Links auf in Russland verbotene Inhalte nicht entfernt wurden.

Aber in Zeiten, in denen Kriegsstimmung geschürt wird, könnte es durchaus sein, dass Meta die Informationen, die die russische Delegation über Facebook verbreitet, ganz im Sinne von Washington und der Nato als Desinformation bezeichnet. Am 14. Januar dürfte auch auf der Facebook-Seite der Tweet mit der Äußerung des russischen Außenministers Lawrow gepostet worden sein: „Wenn unsere Vorschläge [an die USA und  @NATO  über Sicherheitsgarantien] abgelehnt werden, werden wir weitere Entscheidungen unter Berücksichtigung aller Faktoren treffen. Vor allem werden wir handeln, um die nationale Sicherheit zu gewährleisten.“

In einem anderen Tweet wurden noch einmal die roten Linien gepostet. Oder eine Äußerung des Vize-Außenministers Ryabkov über strategische Gespräche zwischen Russland und USA: „Die Versuche der #USA und der #NATO, #Russland zu erpressen und einzuschüchtern, sind inakzeptabel und werden keine Ergebnisse bringen.“ Oder am 13. Januar wurde Vize-Außenminister Gruschkow nach den Russland-Nato-Gesprächen zitiert: „Es gibt keine russischen Truppen in Donetsk und Lugansk, aber Nato-Truppen in der Ukraine.“

Auch unter politischem Druck hat Facebook – wie Twitter – Seiten von Politikern gesperrt, der bekannteste Fall war natürlich die Sperrung der Seite des damals noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump nach dem Sturm auf das Kapitol. Im Sommer 2021 erklärte Facebook, Donald Trump dürfe bis 2023 keinen Account eröffnen. Die Vorzugsbehandlung für Politiker wurde beendet, deren Postings bislang keinem Faktencheck unterzogen wurden, weil sie als nachrichtenwürdig angesehen wurden. Es sollten für alle dieselben Regelungen gelten. Man hält sich allerdings Spielraum offen.

Jetzt könnten Moderatoren einen Anlass in der überhitzten politischen Stimmung gesehen haben, gegen eine Seite der russischen Regierung vorzugehen. Man wird auf die Begründung gespannt sein dürfen. Aber das Beispiel zeigt, wenn denn die russische Version korrekt ist, wie problematisch es ist, wenn Privatunternehmen weitgehend willkürlich mit Beauftragung von irgendwelchen Faktencheckern als neuer Berufsgruppe beurteilen, was korrekte Inhalte sind und was als Lüge oder Desinformation zu behandeln ist. Letzthin wurde bei den Zensurmaßnahmen im Rahmen der Pandemie erkenntlich, wie schwierig das bei politisch umstrittenen Themen ist. So wurden Postings nicht mehr gesperrt, die zum Inhalt hatten, dass Covid-19 womöglich aus einem Labor kam, weil nun auch die US-Regierung das Thema aufgegriffen hatte, selbst wenn es weiterhin nur eine Hypothese ist. Und gerade in einem hochgekochten Konflikt ist die Desinformation des einen die Information des anderen.

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3 Kommentare

  1. Wer nur genaueres wissen möchte, was da an der Ostfront der NATO los ist, warum plötzlich Kriegsdrohungen mit verschärftem Feindbild im Raum stehen, wer da wen erpresst (und womit) ist auf Informationen angewiesen. So weit so klar. Liest man hiesige Zeitungen von Bild, Spiegel bis SZ und FAZ inklusive deren Facebook & Twitter Content fällt das Urteil glasklar aus: Ein aggressives Russland mit gewaltbereitem Egozentriker an der Spitze bedroht den freien Westen. Für diese Botschaft sammeln heimische Journalisten, die auf der Payrole der Medienjournale stehen, die Belege mit der entsprechenden Auskleidung und eben derselben immer gleichen Aussage: Unbelehrbare Russen konzentrieren ihr Gewaltpotential an der Westgrenze, sperren den Gashahn nicht auf und wollen frecherweise noch Sicherheitsgarantien für ihr Territorium. So etwas ist ganz offensichtlich aus westlicher Sicht nicht zu haben. Die Schuldzuweisungen für alle politischen und letzendlich militärischen Konsequenzen an der Nato-Ostgrenze sind damit ausgesprochen. Wer da noch störend dagegenhält und darauf aufmerksam macht, dass es doch der Kreml ist, der seine Karten in Sachen Sicherheit sowohl in Washington als auch in Brüssel zum Nachlesen auf den Tisch gelegt hat, der wird gleich als Russenfreund einsortiert und abgemahnt. Da braucht man nicht weiter zur Kenntnis nehmen, was ein Putin/Lawrow oder andere Vertreter der russischen Delegation über ihre Beweggründe so rauslassen. Das ist sowieso russische Propaganda, die man überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen braucht, denn es steht längst fest: Der Kriegstreiber sitzt in Moskau, wir verteidigen nur unsere Interessen, deren Härte ja den Kreml-Protagonisten gerade so aufstoßen. Punkt. Toller Standpunkt, denn damit relativiert sich so ein bisschen Zensur auf der Facebook-Plattform, schließlich hat da offensichtlich der Algorithmus nichtkonforme Aussagen zur westlichen Lesart – korrekterweise – aufgespürt und gesperrt.

  2. Was mir immer öfter in den Sinn kommt, dass es zwischen Staat und den sozialen Medien keine Grenze gibt. Da wird formal von privaten Akteuren geredet und der Staat kann sich dahinter verstecken. Russland wird als kommunistisch oder ähnlich dargestellt. Vernachlässigt werden da die Oligarchen, außer es gibt was gegen die, zu „wettern“. Dann sind sie Putin nahe.
    Was erst einmal anerkannt werden muss, ist das die publik Relation einfach besser ist, wie in diesem Fall gegen Russland. Wenn in Russland was passiert dann wird im Westen immer abgewogen, ist es positiv und es wird einem Oligarchen zugeschrieben, ist es negativ dann ist es immer der Staat.
    Es geht nicht darum, dass was richtig berichtet wird, es geht darum, die Köpfe der Bevölkerung zu gewinnen. Dabei besteht das Problem, dass die Bevölkerung nicht in Aktion verfallen soll, das kann „ins Auge gehen“. Da zählt dann überall, in Deutschland bei Corona und den sozialen Medien zu sehen.
    Es erstaunt mich immer mehr, dass Pressefunktionäre trotz nachgewiesener Lügen das immer weiter betreiben und es stört die Retter der Enterbten nicht.
    Bei allen Kritiken kann ich nicht sehen, dass es eine Änderung geben wird, zumindest nicht so lange es im System bleibt.

  3. Das Schlimme ist, man will eine bestimmte Sichtweise den Köpfen nahebringen, die nicht zufällig mit der offiziellen Lesart und der dazu passenden Politik übereinstimmt. Früher nannte man das einmal parteiliches Denken. Die Medien sind m.E. tatsächlich zum Sprachrohr der maßgeblichen Politiker geworden alles andere wird als abweichende Meinung, Minderheitendenken oder fremdgesteuerte Belanglosigkeiten abgetan oder, noch übler, als gefährliches Gedankentum diffamiert, das in die Schublade der Rechtsnationalen/Verschwörungstheoretiker oder anderer „schädlicher“ Abweichler (früher waren es mal die Linken) gehört. Wer so vorsortiert und den Leuten das Denken abgewöhnt legt auf gute Recherche mit nachvollziehbaren Schlußfolgerungen keinen besonderen Wert und zückt schnell mal den Rotstift, wenn ein Gegner nur mitteilt, wie er die Sache sieht. Das interessiert halt einfach nicht.

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