
Die Journalistin Eva C. Schweitzer berichtet aus New York, wie in den USA die Niederlage in Afghanistan gesehen wird, die Ergebnis einer naiven Sicht amerikanischer Interventionen und einer Lernresistenz ist, die dem aufgeblähten militärisch-industriellen Komplex Profite und Arbeitsplätze garantiert.
Obwohl Joe Biden den Wunsch der Amerikaner nur umgesetzt hat, die US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen, missfällt ihnen nicht nur das nicht vorhergesehene Debakel, sondern auch die Niederlage der Großmacht. Der aufgeblähte Geheimdienstapparat war unfähig, die schnelle Machtübernahme vorherzusehen. Das sei aber nichts Neues, er lag schon oft daneben. Viele Amerikaner seien entsetzt, man wollte schon abziehen, aber die Einheimischen sollten den Amerikanern hinterherwinken.

Joe Biden hat den Abzug gerechtfertigt, die Mission als erfolgreich erklärt, aber jede Selbstkritik vermieden: „So sind die amerikanischen Präsidenten“, kommentiert Eva C. Schweitzer. Eigentlich würden die Amerikaner nicht wollen, dass ihre Soldaten ins Ausland gehen. Niemand sage, das hätte nicht passieren dürfen, lasst uns ein paar hunderttausend Soldaten nach Afghanistan schicken, um dort aufzuräumen. Ganz klar sei auch, dass man gegen Flüchtlingsaufnahme ist. Es sollen gerade einmal 20.000 aufgenommen werden von 300.000 Ortskräften. Das ist inklusive Familien. Flüchtlinge über die Ortskräfte hinaus, werden nicht aufgenommen. Und wer aufgenommen wird, muss langwierige Prozeduren bewältigen, was Jahre dauern kann.
Eva C. Schweitzer, geboren 1958 in Stuttgart, ist eine deutsche Amerikanistin, Journalistin und Buchautorin. Sie war Redakteurin bei der taz und beim Tagesspiegel und arbeitet als USA-Korrespondentin für Die Zeit, die Berliner Zeitung, die Financial Times Deutschland, die Frankfurter Rundschau und Cicero. Für einen Artikel über einen Mord in der Berliner Bauszene zur Zeit der Wende erhielt sie 1992 den Theodor-Wolff-Preis.
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