Machtübernahme der Taliban: Eva C. Schweitzer berichtet aus den USA

US-Präsident Biden alleine am 15. August bei einer Videokonferenz mit Vizepräsidentin Harris und Mitgliedern des Nationalen Sicherheitsrats über die Evakuierung. Bild: Weißes Haus

Die Journalistin Eva C. Schweitzer berichtet aus New York, wie in den USA die Niederlage in Afghanistan gesehen wird, die Ergebnis einer naiven Sicht amerikanischer Interventionen und einer Lernresistenz ist, die dem aufgeblähten militärisch-industriellen Komplex Profite und Arbeitsplätze garantiert.

Obwohl Joe Biden den Wunsch der Amerikaner nur umgesetzt hat, die US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen, missfällt ihnen nicht nur das nicht vorhergesehene Debakel, sondern auch die Niederlage der Großmacht. Der aufgeblähte Geheimdienstapparat war unfähig, die schnelle Machtübernahme vorherzusehen. Das sei aber nichts Neues, er lag schon oft daneben. Viele Amerikaner seien entsetzt, man wollte schon abziehen, aber die Einheimischen sollten den Amerikanern hinterherwinken.

Schon kurz nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul wurden an Geschäften Bilder von Frauen gelöscht. Der Bildersturm geschieht präventiv.

Joe Biden hat den Abzug gerechtfertigt, die Mission als erfolgreich erklärt, aber jede Selbstkritik vermieden: „So sind die amerikanischen Präsidenten“, kommentiert Eva C. Schweitzer. Eigentlich würden die Amerikaner nicht wollen, dass ihre Soldaten ins Ausland gehen. Niemand sage, das hätte nicht passieren dürfen, lasst uns ein paar hunderttausend Soldaten nach Afghanistan schicken, um dort aufzuräumen. Ganz klar sei auch, dass man gegen Flüchtlingsaufnahme ist. Es sollen gerade einmal 20.000 aufgenommen werden von 300.000 Ortskräften. Das ist inklusive Familien. Flüchtlinge über die Ortskräfte hinaus, werden nicht aufgenommen. Und wer aufgenommen wird, muss langwierige Prozeduren bewältigen, was Jahre dauern kann.

 

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Eva C. Schweitzer, geboren 1958 in Stuttgart, ist eine deutsche Amerikanistin, Journalistin und Buchautorin. Sie war Redakteurin bei der taz und beim Tagesspiegel und arbeitet als USA-Korrespondentin für Die Zeit, die Berliner Zeitung, die Financial Times Deutschland, die Frankfurter Rundschau und Cicero. Für einen Artikel über einen Mord in der Berliner Bauszene zur Zeit der Wende erhielt sie 1992 den Theodor-Wolff-Preis.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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