„Eine Flugverbotszone würde den Krieg ausweiten, statt ihn zu beenden“

80 Experten sind sich einig: Eine „rücksichtslose“ Flugverbotszone würde bedeuten, in einen Krieg mit Russland zu ziehen.

Fast 80 außenpolitische Experten forderten am Donnerstag die Regierung Biden auf, sich weiterhin gegen eine Flugverbotszone im ukrainischen Luftraum auszusprechen. Sie warnten, dass eine solche „rücksichtslose“ Politik die Vereinigten Staaten in einen „Schießkrieg mit den russischen Streitkräften“ verwickeln würde, während diese ihren Angriff auf ihren Nachbarn verstärken.

„Eine Flugverbotszone würde die Streitkräfte der USA und der NATO dazu verpflichten, jedes russische Flugzeug abzuschießen, das in die Zone eindringt. Es wäre naiv zu glauben, dass die bloße Ausrufung einer Flugverbotszone das russische Militär davon überzeugen würde, sich freiwillig zu fügen“, schreiben 78 Experten unter der Leitung von Stephen Wertheim vom Carnegie Endowment for International Peace und Will Ruger vom American Institute for Economic Research in einem offenen Brief an das Weiße Haus.

„Kurz gesagt“, heißt es in dem Brief, „würde eine Flugverbotszone bedeuten, in einen Krieg mit Russland zu ziehen.“

Selbst eine „begrenzte“ Flugverbotszone, wie sie in den letzten Tagen von einer Reihe mit der Wirtschaft verbundener ehemaliger US-Diplomaten und Generäle im Ruhestand befürwortet wurde, würde die Wahrscheinlichkeit eines ausgewachsenen Konflikts mit direkter Beteiligung der USA und Russlands erhöhen, die zusammen mehr als 90 % der weltweiten Atomwaffen besitzen, so der neue Brief.

„Einige derjenigen, die eine ‚begrenzte‘ Flugverbotszone fordern, geben zu, dass sie bereit sind, die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten zur Verteidigung der Ukraine gegen Russland in den Krieg ziehen zu sehen“, heißt es in dem Schreiben. Ein prominenter Unterzeichner eines Briefes, der eine Flugverbotszone befürwortet, hat beispielsweise kürzlich eingeräumt, dass eine Flugverbotszone „eine Kriegshandlung ist… Man muss eine Flugverbotszone durchsetzen, was bedeutet, dass man bereit sein muss, Gewalt gegen diejenigen anzuwenden, die die Flugverbotszone durchbrechen.“ Noch bevor der Krieg begann, schrieb ein anderer Unterzeichner, dass „die US-Führung eine internationale Koalition der Willigen zusammenstellen und militärische Kräfte bereithalten sollte, um Putin abzuschrecken und, falls nötig, einen Krieg vorzubereiten“.

„Eine Flugverbotszone“, so der neue Brief weiter, „würde den Krieg ausweiten, nicht beenden.“

Der Brief kam zu einem Zeitpunkt, als Russland seine Luftangriffe auf die Ukraine weiter intensivierte, Großstädte bombardierte und die Hauptstadt Kiew mit Bodentruppen einkesselte.

Nachdem das russische Militär am Mittwoch ein Kinderkrankenhaus in der belagerten Stadt Mariupol bombardiert hatte, wiederholte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij seine Forderung nach einer Flugverbotszone über dem Land und forderte den Westen auf, „sofort den Himmel zu schließen!“

Bartosz Cichocki, der polnische Botschafter in Kiew, wiederholte Selenskijs Forderung am Donnerstag und behauptete in einem Interview, dass Russlands Angriff auf die Ukraine „viel schneller“ beendet wäre, wenn die westlichen Mächte den Luftraum über der Ukraine schließen würden.

Die USA und andere Nato-Länder haben die Forderung nach einer Flugverbotszone bisher jedoch abgelehnt, da sie mit Analysten darin übereinstimmen, dass dies fast eine Ausweitung des russischen Krieges gegen die Ukraine garantieren würde. Putin sagte am Sonntag, er würde eine von der Nato durchgesetzte Flugverbotszone als Kriegserklärung an Russland betrachten.

Anatol Lieven und William Hartung vom Quincy Institute for Responsible Statecraft – die beide den neuen offenen Brief unterzeichnet haben – schrieben Anfang dieser Woche in einer Kolumne, dass die Einrichtung einer Flugverbotszone, egal welcher Art, ob für die gesamte Ukraine oder „nur“ zum Schutz humanitärer Korridore und ukrainischer Verteidigungssysteme, bedeuten würde, dass die US-Luftwaffe im Wesentlichen zur ukrainischen Luftwaffe würde, die an der Seite der ukrainischen Bodentruppen gegen Russland kämpft.

„Präsident Biden hat Recht, wenn er sich diesen Forderungen widersetzt“, schreiben sie. „Der Abschuss russischer Flugzeuge und die Bombardierung russischer Flugabwehranlagen würden die Risiken einer Eskalation bis hin zu einer nuklearen Konfrontation erheblich erhöhen. Das ist Grund genug, nicht weiterzumachen, egal wie laut die Forderungen danach auch sein mögen.“

Der Artikel ist im englischen Original auf CommonDreams.org unter der CC-Lizenz BY-NC-ND 3.0 erschienen. Der Titel wurde für die Übersetzung verändert.

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