„Die Menschheit steht nahe der nuklearen Auslöschung“

Wasserstoffbpmbentest 1952. Bild: DoD

UN-Generalsekretär Guterres warnt vor dem neuen Wettrüsten und fordert die Abschaffung der Atomwaffen, aber es ist noch nicht einmal der Kernwaffenteststopp-Vertrag in Kraft getreten.

Am Internationalen Tag zur vollständigen Abschaffung der Atomwaffen am Sonntag hat  UN-Generalsekretär Antonio Guterres gewarnt, dass die Menschheit weiter nahe an der nuklearen Auslöschung stehe. Es sei höchste Zeit, Atomwaffen abzuschaffen und in ein „neues Zeitalter des Dialogs, des Vertrauens und des Friedens“ einzutreten. Seit Barack Obama angekündigt habe, eine atomwaffenfreie Welt anzustreben, ohne dass darauf Schritte der Atommächte erfolgten, hat längst ein nukleares Wettrüsten wieder begonnen. Es sei zwar die Zahl der Atomwaffen gesunken, aber es gebe weiter 14.000 auf der Welt, die seit vier Jahrzehnten heute mit dem „höchsten nuklearen Risiko“ konfrontiert sei.

Am Donnerstag hatte Guterres bereits zur Ratifizierung des Kernwaffenteststopp-Vertrags (CTBT) aufgerufen, der vor 25 Jahren beschlossen wurde, aber seitdem in der Warteschleife hängt. Er ist von 170 Staaten ratifiziert worden, aber nicht in Kraft getreten, weil ihn noch China, Nordkorea, Indien, Pakistan, Ägypten, Iran, Israel und die USA nicht ratifiziert haben. Sie sind der Rest der 44 Annex 2-Staaten, die über Nukleartechnik verfügen und den Vertrag ratifizieren müssen, um ihn in Kraft treten zu lassen. Das Hinausschieben der Ächtung aller Nuklearversuche sei enttäuschend und frustrierend, zumal der Vertrag ein entscheidender Schritt auf eine atomwaffenfreie Welt darstelle.

 

Am 22. Januar 2021 trat der Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) in Kraft, nach dem die Länder, die ihn ratifiziert haben, „unter keinen Umständen Atomwaffen oder andere nukleare Sprengkörper entwickeln, testen, herstellen oder auf andere Weise erwerben, besitzen oder lagern dürfen“. Verboten ist auch die Aufstellung von Atomwaffen in anderen Ländern oder die Mithilfe bei den verbotenen Aktivitäten. Unterzeichnet wurde er von 86 Staaten, ratifiziert von 56 Staaten, unter den EU-Staaten nur von Österreich und Irland. Schweden hatte den Vertrag mit angeschoben, unterzeichnete ihn dann aber aufgrund des Drucks seitens der USA nicht. Deutschland hat wie alle Nato-Länder, fast alle EU-Länder und natürlich alle Atomwaffenstaaten die Verhandlungen boykottiert. Argumentiert wurde etwa paradox, der TPNW unterhöhle den Atomwaffensperrvertrag, der eine Abrüstung vorsieht.

Die erste Vertragsstaatenkonferenz zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag findet vom 22.-24. März 2022 in Wien statt. Die SPD will als Beobachter teilnehmen, die Grünen und die Linke will ihm beitreten, die FDP windet sich. „Wenn die künftige Bundesregierung Deutschlands Rolle als Vermittler in internationalen Konflikten und Nuklearfragen glaubhaft aufrechterhalten will, darf der Prozess zum Verbot von Atomwaffen nicht mehr länger blockiert werden. Die Teilnahme an der Staatenkonferenz wäre ein erster Schritt zur Verständigung mit Befürwortern und Gegnern der nuklearen Abschreckung“, sagt Florian Eblenkamp, Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland. Im Wahlkampf haben allerdings SPD und Grüne ihre Treue zur Nato und zur USA auch militärisch bekundet, so dass man hier, sollte es zu einer Ampel kommen, nicht viel zu erwarten hat, bei Jamaika noch viel weniger.

Die „nukleare Teilhabe“, mit der die USA Atomwaffen in Deutschland, Belgien, Italien, den Niederlanden und der Türkei lagern, die für einen Einsatz Flugzeuge und Rakete bereithalten, wäre nach dem TPNW klar verboten, verletzt aber eigentlich auch schon den Atomwaffensperrvertrag. In dem verzichten die Mitgliedsstaaten auf den Erwerb von Atomwaffen, die fünf anerkannten Atommächte sind verpflichtet, die Atomwaffen abzurüsten. Indien, Pakistan und Israel, die sich Atomwaffen beschafft haben, unterzeichneten wie der Südsudan den Atomwaffensperrvertrag nicht, Nordkorea ist aus ihm ausgetreten.

Guterres wies darauf hin, dass die Abwendung der Bedrohung durch Atomwaffen den Vereinten Nationen seit ihrer Entstehung zentral gewesen sei: „1946 forderte die allererste Resolution der Generalversammlung ‚die Abschaffung der Atomwaffen und aller anderen großen, zur Massenvernichtung fähigen Waffen‘.“ Jetzt würden Staaten „ihre Arsenale qualitativ verbessern“, man sehe „beunruhigende Zeichen eines neuen Wettrüstens“. Aber Guterres kann mahnen, so viel er will, scheint es, zu erwarten ist nicht, dass etwas geschieht.

Bezeichnend ist, dass weder das Wettrüsten noch Atomwaffen ein Thema des Wahlkampfs in Deutschland gewesen sind. Die Vereinten Nationen sind schon lange blockiert, selbst im Kalten Krieg waren Abrüstungsabkommen möglich, der Atomwaffensperrvertrag hat die Position der fünf Atommächte zementiert, die beständige Mitglieder im Sicherheitsrat sind und mit ihrem Veto alle Entscheidungen blockieren können. Mit dem seit 20 Jahren, nur überdeckt durch den Krieg gegen den Terror überdeckten geopolitischen Konflikt zwischen den Atommächten USA/Nato, Russland und China hat sich das Wettrüsten vornehmlich der Atomwaffenarsenale und Raketenabwehrsysteme immer schneller verstärkt. Mit den neuen Hyperschallraketen und -drohnen schrumpft die Reaktionszeit, verstärkt sich das Risiko des Irrtums und werden Entscheidungen zunehmend von autonomen KI-Systemen ausgeführt werden. Daher ist das Risiko eines gar nicht intendierten Atomkriegs heute größer denn je, zumal die Zahl der Atommächte gestiegen ist und Nordkorea sowie der westliche Krieg gegen den Irak und Libyen gezeigt hat, wie wichtig für Regime der Besitz von Atomwaffen zur Abschreckung und damit zum Überleben ist.

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Ein Kommentar

  1. Dazu passt die Aussage der FDP-Frau Strack-Zimmermann bei Lanz-TV am 28.09., dass ihre Partei bei den kommenden Koalitionsverhandlungen an der nuklearen Teilhabe festhalten werde.

    Als „Entschuldigung“ für die frühere FDP-Ablehnung wurde erwähnt, dass es damals die Vorgänge in der Ostukraine/Krim noch nicht gegeben hätte.
    Dabei war gerade die wohlerzogene Diplomatin Nuland der USA eine der Figuren, die vorab absichtlich die Fackeln in die Ukraine warfen – auf Anweisung, was sonst

    Man stelle sich vor, Strack-Zimmermann würde Verteidigungsministerin werden, wie Lanz kurz vermutete. Militärexpertin sei sie ja.
    PS: Ihre stellenweise plötzlich eintretenden Augenzuckungen…ein EEG ist dringend anzuraten.

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