Die beschlossene weltweite Mindeststeuer kommt vor allem den USA zugute

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi auf der Pressekonferenz. Bild: G20/CC BY-SA-3.0

Die G-20-Staats- und Regierungschefs haben eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent für globale operierende Großunternehmen beschlossen, sie wird das Steuerdumping verstärken und Deutschland höchstens Peanuts einbringen.

Auf Foren wie dem G-20-Gipfel werden gerne große Worte in den Mund genommen. „Heute haben alle Staatsoberhäupter der G-20 ein historisches Abkommen über neue internationale Steuervorschriften angenommen, einschließlich einer globalen Mindeststeuer, die den schädlichen Wettbewerb nach unten bei der Unternehmensbesteuerung beenden wird“, sagte die US-Finanzministerin Janet Yellen am Samstag. Dies sei „ein entscheidender Moment für die USA und die Weltwirtschaft“, fügte sie mit Blick darauf an, dass die G-20-Staats- und Regierungschefs einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent für global agierende Unternehmen zugestimmt hatten. In das gleiche Horn stieß der G-20-Gastgeber in Rom. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi erklärte: „Wir haben eine historische Vereinbarung für ein gerechteres und effizienteres internationales Steuersystem erzielt.“

Gemessen an dem, was von der weltweiten Steuerreform erwartet wurde, kann zwar von einem Fortschritt für die USA gesprochen werden, sicherlich aber nicht für die Weltwirtschaft oder für EU-Staaten. Es ist unwahrscheinlich, dass dem ruinösen Steuerwettlauf ein Ende gesetzt wird. Vielmehr kann sogar befürchtet werden, dass der sogar noch angeheizt wird. Der Druck auf Länder wie Deutschland oder Frankreich, die sich durch deutlich höhere Unternehmenssteuersätze auszeichnen, dürfte sogar weiter steigen.

Es war eigentlich grundsätzlich ein begrüßenswerter Vorstoß des neuen US-Präsidenten Joe Biden und seiner Finanzministerin im Frühjahr, auf die globale Steuerreform mit der Einführung einer Mindeststeuer zu drängen, wie Krass & Konkret herausgearbeitet hatte (Kommt ein Ende des Steuerdumpings?) Biden hatte vor allem die Digitalwirtschaft und Konzerne wie Amazon im Blick. Die sollten ihre Gewinne nicht weiter in „Steueroasen verstecken“ können.

„Lizenz zum Betrug für die mächtigsten Akteure“

Das Problem lag aber schon zu Beginn dabei, dass nur eine Mindeststeuer von 21 Prozent angepeilt wurde, weshalb es zu einer „Zeitenwende“ und einer „revolutionären“ Veränderung gar nicht kommen konnte.  Schließlich war allen Beteiligten klar, dass der Vorstoß beim Gang durch die verschiedenen internationalen Institutionen verwässert werden würde. Das war auch schon deshalb zu erwarten, weil sich Politiker wie der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz und möglicher neuer Bundeskanzler nicht klar hinter diesen Steuersatz gestellt hatten.

Sven Giegold, finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, hatte damals die nur „ausweichende Reaktion“ von Scholz kritisiert.  Doch der hatte auch im Wahlkampf noch immer von einer „Steuerrevolution“ gesprochen, obwohl der US-Vorstoß längst schon verwässert worden war, der Mindeststeuersatz auf 15 Prozent gesenkt und etliche Schlupflöcher eingebaut worden waren.

Renommierte Kritiker, wie französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty, hatten gezeigt, dass nun eher das „Recht auf Steuerhinterziehung legalisiert“ werden würde.  Experten hatten vorgerechnet, dass jeder Steuersatz unter 25 Prozent zu niedrig sei, um den ruinösen Wettlauf nach unten zu beenden. Nun wurde die Mindeststeuer, die sogenannte „Säule II“ der Steuerreform, auf 15 Prozent bestimmt. Das, so sagte Piketty, nach der Einigung auf dem G7-Gipfel, sei „nicht mehr und nicht weniger als die Formalisierung einer echten Lizenz zum Betrug für die mächtigsten Akteure“.

Ganz ähnlich sehen das nun verabschiedete Paket auch entwicklungspolitische Organisationen wie Oxfam, worüber Krass & Konkret schon berichtet hatte: „Es ist eine Verhöhnung der Fairness, die den von Pandemien heimgesuchten Entwicklungsländern dringend benötigte Einnahmen für Krankenhäuser, Lehrer und bessere Arbeitsplätze raubt“, sagte Susana Ruiz, Leiterin der Steuerpolitik bei Oxfam International.  Sie nennt das Abkommen „heuchlerisch“, es halte nicht einmal der kleinsten Prüfung stand. Deshalb kommt Oxfam zu Ergebnis, dass man es mit einer „gefährlichen Kapitulation“ vor „Konzernschwindlern“ zu tun hat.

Das kann man schon angesichts eines Steuersatzes so sehen, der nahe am Niveau von Steueroasen wie Irland (12,5 Prozent) liegt. Dass zwischenzeitlich auf dem Weg durch die internationalen Institutionen noch Schlupflöcher eingebaut wurden, unter anderem für Banken, hatte die mögliche Wirksamkeit weiter vermindert. Auch die Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen Lisa Paus hatte von einem „Schweizer Käse mit riesigen Löchern“ gesprochen und Leuten wie Scholz vorgeworfen, sie hätten eine „symbolische Einigung um jeden Preis – auch auf Kosten einer echten Lösung im Kampf gegen Steuerdumping“ erzielen wollen.

Bild: G20/CC BY-SA-3.0

Abkommen wird vor allem den USA nützen

Tatsächlich darf auch davon ausgegangen werden, wie allseits vermutet wird, dass die fatale Negativspirale nicht gestoppt, sondern sogar noch weiter angetrieben wird. Die hat seit 1985 dafür gesorgt, dass der der durchschnittliche Körperschaftssteuersatz von etwa 50 Prozent im Jahr 1985 weltweit inzwischen auf 22 Prozent gesunken ist. Unklar ist zudem auch noch, ob das Abkommen von den 136 Unterzeichnerstaaten gebilligt wird, die zusammen 90 Prozent der Weltwirtschaftsleistung ausmachen.

„Die Linke“ hatte schon angesichts der bisherigen Planungen über eine Studie durchrechnen lassen, welchen Effekt diese geplante Mindeststeuer für Deutschland überhaupt hätte. Sie wies auf einen wichtigen Fakt hin: „Ein Großteil der Besteuerungsrechte, und vor allem das Recht auf Erhebung der Mindeststeuer, stehen dem Land zu, wo die Konzerne ihren Sitz haben, und nicht, wo die Gewinne eigentlich erwirtschaftet werden.“

Damit haben wir eine Erklärung, warum das Abkommen, das nur auf Firmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro angewendet werden soll, vor allem den USA nützen wird. Denn mit der Mindeststeuer in der Säule II sollen Heimatländern von Konzernen die Differenz nachkassieren können, wenn die Gewinne in anderen Ländern mit einem niedrigeren Steuersatz als 15 Prozent besteuert wurden, wie im Fall von Google, Facebook, Apple, Microsoft, die allein im vergangenen Jahr weltweit Einnahmen von fast 600 Milliarden Euro verbuchen konnten und dabei Gewinne von etwa 180 Milliarden Euro gemacht haben.

Die Studie, die Christoph Trautvetter für „Die Linke“ erstellt hat, geht deshalb davon aus, dass die Neuregelung in Deutschland dagegen nur zu bescheidenen zusätzlichen Steuereinnahmen führen wird. Die Linksfraktion im Bundestag stellte mit Blick auf die Trautvetter-Studie deshalb fest: „Die Mindeststeuer würde zuallererst in den USA und nicht in Deutschland fällig.“ Sie fügte an: „Bei den riesigen Digitalkonzernen halten also vor allem die USA die Hand auf.“

Mehreinnahmen für Deutschland: Peanuts

In „Säule I“ könne Deutschland zu den jetzigen Bedingungen unterm Strich mit Zusatzeinnahmen von „etwa 450 Millionen Euro“ hoffen, erklärte der Experte Trautwein. Er liegt mit seiner Rechnung sogar noch über der, welche die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte errechnet hatte. „Die globale Mindeststeuer brächte 380 Millionen Euro zusätzlich“, verwies „Der Spiegel“ auf einen Deloitte-Experten. Das seien „Peanuts“ und der Betrag ist weit entfernt von einem „Milliardenbetrag“, den Scholz stets in Aussicht gestellt hat. Allein die Kaffeesteuer bringe „jährlich 1,1 Milliarden Euro“ ein.  Grundsätzlich ist er sich mit Trautvetter einig, dass das Ergebnis in den meisten anderen Industriestaaten ähnlich ausfallen werde.

Man kann dahingestellt lassen, welche Rechnung nun richtiger ist. Im Verhältnis zum Gesamtsteueraufkommen von rund 740 Milliarden Euro in Deutschland sind beide Summen sehr bescheiden. Trautvetter, der schon diverse Studien und Unternehmensanalysen mit dem Fokus Steuervermeidung vorgelegt hat und unter anderem als forensischer Sonderprüfer bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG beschäftigt war, errechnet, dass auf die vier großen Firmen der Digitalwirtschaft bei Umsetzung der Reformpläne in Deutschland nur etwa 267 Millionen Euro zusätzlich als Steuerlast zukommen würden.

Dass nur geringe neue Einnahmen geschaffen werden, hat auch damit zu tun, dass nur etwa 100 Unternehmen – aber auch nur einen Teil – der Gewinne zukünftig dort versteuern sollen, wo sie auch erzielt werden. Und besteuert werden soll zudem nur ein sogenannter Residualgewinn. Das ist nur der Fall, wenn der Anteil der Rendite (also der Gewinn im Verhältnis zum Umsatz) die Marke von zehn Prozent übersteigt. Es ergibt sich damit weiter nicht selten eine absurde Situation wie im Fall von Amazon, dass Unternehmen wie der Onlinehändler trotz Rekordumsätzen und Rekordgewinnen weiter unter dieser Schwelle für den Residualgewinn bleiben. In Europa hat Amazon 2020 trotz seines Rekordumsatzes und eines Rekordgewinns von mehr als 21 Milliarden US-Dollar nicht einen Cent Steuern bezahlt.

Trautvetter geht zwar davon aus, dass die Mindeststeuer die globalen Steuerzahlungen der Digitalwirtschaft erhöhen werde, aber insgesamt kann man davon ausgehen, dass es für die Firmen so billig wird, dass sie diese Steuern praktisch aus der Portokasse bezahlen können. Somit ist klar, warum auch die großen Steuervermeider Beifall für diese Mindeststeuer klatschen. Denn, das sollte hier auch gesagt werden, ist es Biden in den Verhandlungen auch gelungen, die geplante EU-Digitalsteuer für Facebook, Google, Apple, Microsoft zumindest zu blockieren. Damit bleiben sie von weiteren Steuerzahlungen über dieses Konzept verschont.

Deshalb muss die EU für den Schuldendienst im Rahmen des sogenannten „Wiederaufbaufonds“ nach der Covid-Pandemie eigene Einnahmen nun an anderer Stelle schaffen. 750 Milliarden Euro werden aufgenommen. Im Gespräch ist deshalb eine Abgabe auf Flugbenzin. Das ist zwar aus ökologischer Sicht richtig, macht aber klar, dass die EU eher daran denkt, die nötigen Einnahmen bei den Verbrauchern zu holen, statt an die enormen Gewinne der Digitalwirtschaft zu gehen.

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