Die auftauende Arktis wird zur neuen geopolitischen Konfliktzone

Bei einer „Arktis-Expedition“ des russischen Militärs wurde der Einsatz unter den arktischen Bedingungen geprobt, u.a. von Atom-U-Booten, die das Eis durchbrachen. Bild: Russisches Verteidigungsministerium

Russland hat im Schatten des Ukraine-Konflikts seine militärische Präsenz in der Arktis aufgebaut, die USA streben nun an, die „arktische Vorherrschaft“ wieder zu gewinnen.

Die Klimaerwärmung befreit die Arktis vom Eis und beschert damit einen Zugang zu vielen neuen Ressourcen. Die USA scheinen zunehmend China als Konkurrenten zu sehen, der in vielen Bereichen die Vormachtstellung gefährdet.  Russland bleibt zwar wie im Kalten Krieg die Sowjetunion ein Gegner, der aus Sicht der US-Strategen eingedämmt werden muss, um die Nato auszudehnen, die allerdings auch zunehmend gegen China aufrüsten und in Stellung gehen soll, als ob Europa in direkter Gefahr stünde, von China militärisch angegriffen zu werden.

Wenig beachtet wird, dass im Vordergrund der Konflikt des Westens mit Russland geopolitisch über die Ukraine und die ehemaligen Staaten des Ostblocks zu gehen scheint, wobei Syrien und Venezuela mit hereinspielen, aber der neue Schauplatz dürfte zunehmend die Arktis werden. Russland hat in den letzten Jahren massiv seine militärische Präsenz in der Arktis ausgebaut und Ansprüche auf die dort vorhandenen Ressourcen angemeldet. Schon länger gibt es einen Konflikt darüber, welchen Anrainerstaaten welche Gebiete zustehen, um die Bodenschätze auszubeuten und den zivilen und militärischen Schiffsverkehr in der eisfreien Nordwestpassage zu kontrollieren. Das wird jetzt wieder interessant, nachdem der Suez-Kanal blockiert ist und eine aufgetaute Nordwestpassage für den Frachtverkehr von China nach Europa und Nordamerika eine Alternative sein könnte. China propagiert eine „polare Seidenstraße“.

Schon 2007 hatte Russland als deutliche Demonstration zwei U-Boote am geografischen Nordpol 4200 Meter tauchen lassen, um dort eine russische Flagge auf dem Lomonossow-Rücken als Zeichen für die Beanspruchung anzubringen. Es geht um eine riesige Fläche von 1,2 Millionen Quadratkilometer und um den direkten Konflikt mit den anderen Anrainerstaaten Kanada, USA, Dänemark/Grönland (und damit die EU) sowie Norwegen.

Im April 2014 hatte Wladimir Putin im Schlagschatten des Ukraine-Konflikts erklärt, dass die von Russland beanspruchten Gebiete in der auftauenden Arktis eine überragende strategische Bedeutung für die nationale Sicherheit hätten, nicht nur wegen der Ressourcen, sondern auch wegen der Umwelt sowie aus militärischen, politischen, wirtschaftlichen und technisch Gründen. Damals kündigte er den Ausbau der militärischen Infrastruktur und der Militärpräsenz mit einem Strategischen Kommando Arktis an, was dann Schritt um Schritt mit dem Bau von Häfen, Stützpunkten und Flughäfen sowie der Stationierung von Armee-, Luftwaffen- und Luftabwehreinheiten umgesetzt wurde. Gerade wurde erst wieder eine militärische Übung in der Arktis abgehalten u.a. mit drei Schiffen mit Atomwaffen an Bord, drei nuklear getriebenen U-Booten, die durch die Eisdecke stießen, und MiG-31s, die über den Nordpol kreisten und in der Luft betankt wurden.

Die USA und die Nato haben aus transatlantischer Sicht überraschend schleppend auf Russlands arktische Bestrebungen reagiert. Die Nato-Übung Trident Juncture im Jahr 2018 dürfte dazu gedient haben, einen Einsatz in der Arktis zu üben und eine Drohkulisse gegen Russland aufzubauen. Die USA wollen einen strategischen Hafen in der Arktis und mehrere Eisbrecher bauen.  Im Mai 2019 hatte der damalige Sicherheitsberater John Bolton erklärt, dass die Vorherrschaft der USA in der Arktis wiederhergestellt werden müsse.

US-Soldat in Norwegen bei der Vorbereitung der Militärübung Reindeer II. Bild: DoD

Die US-Armee hat kürzlich ihre arktischen Strategie veröffentlicht, die unter dem von Bolton geäußerten Motto steht: „Wiedergewinnung der arktischen Vorherrschaft“. Erklärt wird, die USA seien eine „arktische Nation“, in der Arktis werde die Heimat verteidigt. Die Arktis könne zu einer umstrittenen Region werden, in der die Großmachtrivalen der USA, Russland und China versuchen, militärische und wirtschaftliche Macht einsetzen, um auf Kosten der US-Interessen Zugang zur Region zu erhalten und zu sichern“. Russland und China, das auch strategischen Zugang auf die Arktis fordert, würden zunehmend eine gemeinsame Politik verfolgen. Überdies handle es sich um einen Korridor, der den indopazifischen Raum mit Europa verbindet.

 

Bislang sind die für die Region zuständigen Einheiten in Alaska. Noch gibt es keinen Plan, die mehr als 11.000 Soldaten dort aufzustocken. Entscheidend für die US-Armee ist, geeignetes Material für die extremen Bedingungen zu erhalten und Soldaten für einen Einsatz unter diesen Bedingungen auszubilden. Aufgebaut werden sollen „arktis-fähige Einheiten“. Absehbar ist, dass der Konflikt um die Arktis sich verschärfen wird und die USA auch aus diesem Grund, die Verbindung mit der Nato und vor allem mit den nordeuropäischen Ländern stärken wird. Der geopolitische Schwerpunkt in Europa könnte sich von der Ukraine in den Norden verschieben. Möglicherweise verlagert sich der Konflikt zwischen den atomaren Großmächten in die Arktis, um die Ausbeutung der gewaltigen Ressourcen zu sichern und den Schiffsverkehr zu kontrollieren.

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