China investiert Milliarden in die neue Seidenstraße und entwickelt neue Infrastrukturverbindungen und Handelswege zwischen Europa, Asien und Afrika. Im Gegensatz zur alten ist die neue Seidenstraße bisher eher eine Einbahnstraße von Ost nach West. Jochen Dieckmann* wollte sich das Projekt persönlich anschauen – „on the road“ mit seinem Camper.
Ich habe den Eindruck, dass hierzulande zwar nicht das Kriegsbeil, aber immerhin das Kalter-Krieg-Beil ausgegraben werden soll. Egal, was China macht, es wird in Westeuropa anders bewertet, als wenn andere das Gleiche machen. „China missbraucht Hochgeschwindigkeitszüge für Strukturpolitik“, heißt es zum Beispiel in einer Zeitungsüberschrift der Neuen Zürcher Zeitung vom 3. Januar 2020. In dem Artikel geht es darum, dass China in kürzester Zeit das dichteste Netz an Hochgeschwindigkeitszugstrecken weltweit errichtet hat und ständig weiterbaut. Ich fände es sehr genial, wenn auch die deutsche Regierung den Bau von Bahnstrecken für Strukturpolitik »missbrauchen« würde.
In vielen Artikeln wird China als Umweltverschmutzer dargestellt. Zum einen wird dieses Attribut nur an Länder vergeben, die man schlecht dastehen lassen möchte, oder hat man jemals Artikel darüber gelesen, wie viel Umweltschäden beispielsweise Japan oder die Niederlande in dem letzten halben Jahrhundert durch ihre Massenmobilisierung erzeugt haben, wie viel Atommüll Jahr für Jahr in Frankreich oder den USA produziert wird oder wie umweltschädlich die Ölförderung in Saudi-Arabien ist? Zum anderen gibt es weltweit kein Land, das sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt so viel Geld in Umweltschutz und neue Technologien investiert wie China.
Die Berichterstattung in Deutschland über das Corona-Virus erweckt den Eindruck, dass die Seuche benutzt wird, um Stimmung gegen China zu machen. Haben wir es nicht schon immer gesagt: Die gelbe Gefahr! Der Spiegel hatte in seiner Ausgabe 6/2020 ein so reißerisches Titelfoto mit der Aufschrift „Made in China“, dass laut einem Artikel der halbamtlichen Beijing-Rundschau vom 2. Februar 2020 sogar die chinesische Botschaft in Berlin offiziell dagegen protestierte: „Panikmache, Schuldzuweisungen und sogar Rassendiskriminierung nützen niemandem. Wir verachten solche Aktionen.“ In Düsseldorf demonstrierten chinesische Wissenschaftler und Studierende gegen die Diskriminierung mit Transparenten: „Fight against the Virus not against the Chinese“ und „Wir sind Chinesen – kein Virus“.
Besonders auffallend ist auch die Berichterstattung über den Tod des Arztes Li Wenliang, der als Erster vor dem Virus gewarnt hatte. Ich habe den Eindruck, hierzulande wird sein Tod ausschließlich dazu missbraucht, die chinesische Regierung in Misskredit zu bringen, das erste Gefühl aller Chinesen, die ich kenne, war hingegen Trauer und Anteilnahme.
Die chinesischen Offiziellen vor Ort hatten anfangs einige Tage versucht, die Seuche zu verharmlosen und zu vertuschen. Ich bin nicht mal sicher, ob das hierzulande nicht auch so wäre. Danach hat die Regierung aber diesen Fehler eingestanden und um Entschuldigung gebeten. Seitdem arbeiten sie mit aller Kraft daran, die Seuche einzudämmen, koste es die Volkswirtschaft, was es wolle. Eine Region, in der 59 Millionen Menschen leben, wurde isoliert und über eine Milliarde Menschen auf konsequente Seuchenabwehr eingeschworen. Anstatt das anzuerkennen, produzieren unsere Zeitungen reißerische Titel und China-Restaurants müssen dichtmachen, weil die China-Phobie zum Massenphänomen wird.
Dagegen verhalten sich die Menschen in China äußerst diszipliniert. Die allermeisten halten sich an die Auflagen und versuchen aktiv, sich und andere zu schützen. Kaum jemand neigt zu Hysterie oder übertriebenen Hamsterkäufen. Auch wenn das Wirtschaftsleben ansonsten fast völlig brachliegt, funktioniert die gesamte Versorgung und die Regale in den Supermärkten werden täglich neu gefüllt.
Leider bekommt man in Deutschland im Mainstream sehr selten Berichte aus China, die ein positives Licht auf dieses Land werfen oder zumindest neutral berichten, ohne gleich zu (ver)urteilen und abzuwerten. Bis heute wird beispielsweise von dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz gesprochen, obwohl seit Jahren bekannt und erwiesen ist, dass es auf diesem Platz bei der Niederschlagung des Aufstandes nicht einen einzigen Toten gab. Das kann man sogar in Wikipedia nachlesen und mehrere Quellen dafür finden.
Auf diesen Einwurf wird gelegentlich erwidert, dass die Niederschlagung des Aufstandes ja andernorts zu Toten und Verletzten führte. Aber das rechtfertigt doch keine Fakenews! Sie führen doch nur dazu, dass diejenigen Journalisten, die von besagtem „Massaker“ sprechen, jegliche Glaubwürdigkeit verlieren.
Diese Pseudodebatten erinnern mich an DDR-Besuche durch Reisegruppen aus dem Westen. Damals wurde jede Polizeikontrolle als Beleg für die unmenschliche Diktatur des Sozialismus wahrgenommen und jede Mülltonne am Straßenrand als Beleg für sein Versagen.
Angesichts einer China-Debatte, deren Teilnehmer alle viel Meinung und wenig Ahnung vom Thema haben, möchte ich mich bei meiner Beschreibung von China und der neuen Seidenstraße mit Urteilen zurückhalten. Ich schildere ehrlich das, was ich erlebe, natürlich ein wenig gefiltert durch meine subjektive Brille, aber ich möchte das Einordnen und Urteilen der geneigten Leserschaft größtenteils selbst überlassen.
*Zwischen seinen journalistischen Tätigkeiten war Jochen Dieckmann immer wieder als Fernfahrer unterwegs, anfangs mit Zielen wie die Türkei oder sozialistische Ostblockländer; später fuhr er für eine niederländische Spedition wieder LKW quer durch Europa und bis nach Nordafrika. Von 1986 bis 1987 war Dieckmann Pressesprecher der Bürgerinitiative gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf (WAA). Seit 1990 ist er journalistisch tätig für Hörfunk und Fachzeitschriften. Er war in den 1990er Jahren einer der Moderatoren der Jugendsendung „Radio unfrisiert“ des Hessischen Rundfunks. Von 2000 bis 2005 arbeitete er im Landtag NRW für die FDP-Abgeordneten Joachim Schultz-Tornau und bis zu dessen Tod auch für Jürgen W. Möllemann.