Das Nowitschok soll in der Unterhose gewesen sein

Aus dem YouTube-Video von Nawalny

Nawalny hat ein Video über ein Telefongespräch mit einem angeblichen Mitglied des „Eliteteams“ des Geheimdienstes FSB veröffentlicht, der darin gesteht, am Giftanschlag beteiligt gewesen zu sein. Sind die dämonisierten russischen Geheimdienste wirklich solche Stümper?

Vor ein paar Tagen kamen Bellingcat und The Insider zusammen mit dem Spiegel und CNN mit einer „Enthüllung“ über diejenigen an die Öffentlichkeit, die für den Nowitschokanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker verantwortlich gewesen sein sollen. Aufgrund von Lokalisierungsdaten, Metadaten von Anrufen und Reisedaten wollen Bellingcat und The Insider ein Netzwerk von FSB-Agenten, als Eliteteam bezeichnet, Wissenschaftlern und Vorgesetzten aufgedeckt haben (Neue „Enthüllungen“ über den Nowitschok-Anschlag auf Nawalny). Sie sollen seit zwei Jahren Nawalny verfolgt und schließlich den missglückten Anschlag auf ihn durchgeführt haben (Putin: „Wer ist er schon? Wenn man das gewollt hätte, dann hätte man es auch zu Ende geführt“).

Waren die angeblichen Täter aus dem russischen Geheimdienst schon so unvorsichtig, dass ihre Identität, ihre Kommunikation und Reisen erfasst werden konnten, und die beteiligten Nowitschok-Experten so dämlich, das angeblich gefährlichste Nervengift der Welt nicht erfolgreich anwenden zu können und damit den Misserfolg des Anschlags auf Skripal zu wiederholen, will Nawalny einen Geheimdienstagenten des Eliteteams nun vorgeführt haben. Er veröffentlichte auf YouTube ein langes Telefongespräch mit Konstantin Kudryavtsev, dem gegenüber er sich als Maxim Ustinov, einem angeblichen Sekretär von Nikolai Patrushev, dem Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrats, ausgegeben hatte, der aufklären wollte, warum der Anschlag fehlgeschlagen war. Seine Telefonnummer war manipuliert.  Dass einer der Täter ein Geständnis ablegte, bezeichnet Nawaly selbst als unglaublich.

Nawalny hält sich weiterhin in Deutschland auf und wurde in Dresden vor dem Haus gesichtet, in dem Putin einst mit seiner Familie gewohnt hatte. Nicht nur ein Kamerateam begleitete Nawalny, sondern auch mehrere bewaffnete Leibwächter, einer trug sogar offen eine Maschinenpistole. Unklar ist, ob es sich BKA-Beamte zum Personenschutz oder um Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma handelt. Der Mieter, der nach Putin einzog und dort noch immer wohnt, ließ Nawalny nicht ein und machte Aufnahmen von der Gruppe. Nawalny wurde wie schon in Sibirien von Maria Pewtschich begleitet.

Geheimdienstagenten fallen angeblich auf billige Tricks herein

Der FSB-Agent, angeblich ein Spezialist für chemische und biologische Waffen, war so vertrauensvoll, sofort alles zu glauben und Nawalny brühwarm zu erzählen, wie alles abgelaufen ist. Das Vertrauen überrascht, weil eben gerade die Story mit dem Namen des FSB-Agenten um die Welt ging und CNN und Bellingcat versucht hatten, andere aus dem „Eliteteam“ aufzusuchen, um mit ihnen zu sprechen. Auch Nawalny hatte versucht, vermeintliche Mitglieder des Teams unter seinem Namen anzurufen, worauf alle gleich das Gespräch beendeten.

Aber das eigentlich bösartige Eliteteam scheint auch auf billige Tricks reinzufallen, wenn man Nawalny und CNN Glauben schenken mag. Jetzt also will er den Geheimdienstagenten über eine ungesicherte Telefonverbindung ausgehorcht haben, indem er ihn bedrängte, da man oben sofort einen Bericht verlangte, der vom Nationalrat diskutierte werde.

Das Telefongespräch soll vor allem die von Nawalny spät aufgestellte Behauptung unterstützen, dass er nicht durch einen Tee am Flughafen und auch nicht mittels einer Wasserflasche im Hotelzimmer, was sein eigenes Team groß herausgestellt hatte, sondern durch seine Kleidung in Kontakt mit dem Gift gekommen sein soll. Er hatte schon gemutmaßt, dass man ihm seine Kleidung, die im Krankenhaus in Omsk verblieben war, nicht zurückgeben will, um Spuren zu verwischen.

Jetzt also soll Kudryavtsev erzählt haben, dass das Nervengift im Inneren seiner Unterwäsche angebracht worden sei. Er sei danach nach Omsk mit dem Auftrag gereist, Beweise zu beseitigen. Er räumte ein, Alexei Alexandrov, ein angeblich anderes Mitglied des Teams, zu kennen. Der soll sich in der Nacht vor der Vergiftung in der Nähe des Hotels in Tomsk aufgehalten und mit Kudryavtsev telefoniert haben. Neben Alexandrov bewertete der angeblich ausgetrickste Agent auch andere Mitglieder des Teams.

Er sagte dann, dass das Ergebnis anders gewesen wäre, wenn das Flugzeug keine Notlandung in Omsk gemacht hätte. Man habe das nicht erwartet, auch die Sanitäter des Rettungsfahrzeugs hätten schnell gehandelt. Am Gift habe es nicht gelegen, man habe ihm mehr verabreicht. Die Kleidung Nawalnys, vor allem seine Unterhosen, seien mehrmals Male gereinigt worden.

Nach dem Video entsteht der Eindruck, dass Nawalny wirklich mit dem Geheimdienstmitarbeiter gesprochen hat. Nawalny ist aber auch ein Schauspieler und sein Team hat schon einmal versucht, mit dem Fund und der Mitnahme der angeblich kontaminierten Wasserflaschen im Hotel in Tomsk einen Coup zu landen. Das hat nicht wirklich funktioniert oder kam nicht an und wurde schnell vergessen und nicht mehr erwähnt.

Man gewinnt allmählich den Eindruck, dass die russischen Geheimdienste Gurkentruppen sein müssen, sollten die Enthüllungen über Skripal und jetzt Nawalny zutreffen. „Gibt es noch Profis im FSB?„, fragte kürzlich das kremlkritische Online-Magazin Meduza.

Für den FSB ist Nawalnys Telefongespräch eine „geplante Provokation“, um den Geheimdienst zu diskreditieren. Das sei nicht möglich, ohne die Mitwirkung ausländischer Geheimdienste. Das hatte auch Putin schon suggeriert.

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