James Lovelock: „Covid-19 könnte ein Versuch der Erde sein, sich selbst zu schützen“

AKW Isar. Bild: Dennis Hansch/CC BY-SA-3.0

James Lovelock warnt vor Gaias Rache und fordert zur Rettung der Erde vor der Klimaerwärmung die Aufwertung der Atomkraft. In Berlin wird heute auf einer internationalen Demo für Atomkraft demonstriert.

 

Zur Klimakonferenz meldete sich wieder einmal James Lovelock, der apokalyptisch vor den Folgen der Klimaerwärmung warnt, wie er dies schon seit vielen Jahren tat, etwa in seinem Buch „Gaias Rache“. Im Guardian schrieb er jetzt: „Wir betreten eine Hitzezeitalter, in dem Temperatur und Meeresspiegel Jahrzehnt für Jahrzehnt ansteigen werden, bis die Erde nicht mehr wiederzuerkennen ist. Es könnte auch noch mehr Überraschungen geben. Die Natur ist nichtlinear und unvorhersehbar, und das vor allem in einer Zeit des Übergangs.“

James Lovelock, von der Ausbildung her Mediziner, ist mittlerweile 102 Jahre alt und ist allgemein bekannt geworden durch seine Gaia-Theorie, die er während seiner Zeit bei der Nasa entwickelt hat. Für die Nasa erfand und entwickelte er Instrumente zur Messung der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre, darunter den Elektroneneinfangdetektor (ECD), mit dem chlorierte Umweltgifte in der Atmosphäre wie FCKW festgestellt und gemessen werden können. Aus dieser Forschung heraus entwickelte er die Theorie, dass die Erde aufgrund der Biosphäre mit ihrer Atmosphäre als ein sich selbst regulierender lebender Organismus verstanden werden könne.

Sich selbst regulierend heißt auch, die Temperatur an der Erdoberfläche konstant oder in Homöostase zu halten, so dass Leben möglich ist, das sich aktiv als Ganzes dadurch seine Umwelt schafft. Das ist ähnlich bei Säugetieren, die trotz unterschiedlicher Außentemperaturen eine relativ gleichbleibende Körpertemperatur erhalten. Die Rede von einem Organismus war wahrscheinlich irreführend, da die Erde kein Lebewesen ist, sondern ein globales System, das sich durch die Wechselwirkungen der Biosphäre bildet. Dass die Biosphäre sich eine Umwelt schafft, haben vor drei Milliarden die Cyanobakterien am eindrucksvollsten gezeigt, die durch Abspaltung von Wasseratomen in ihrem Stoffwechsel Sauerstoff freisetzen, was seinerzeit ein Massensterben verursachte, da er sich in der Luft anreicherte, aber neues Leben ermöglichte. Zumindest bislang hat das Leben alle Katastrophen und Massenaussterben überlebt. Es wird auch die Klimaerwärmung überleben und sich anpassen, auch wenn viele Arten, darunter der Mensch, aussterben würden. Lovelock führt an, dass die Sonne heißer geworden ist, aber die Temperatur auf der Erde „relativ stabil“ durch Gaias Wälder, Ozeane und andere Elemente geblieben. Ob das wirklich so angesichts der Eis- und Warmzeiten gesagt werden kann, ist natürlich fraglich, auch wenn die Biosphäre diese und andere Katastrophen irgendwie überlebt hat.

Lovelock argumentiert allerdings so, Gaia doch irgendwie als Lebewesen zu betrachten. Er sagt, Gaia könne möglicherweise Wege suchen, die Menschheit zu zerstören, bevor diese die Erde zerstört: „Covid-19 könnte ein Versuch der Erde sein, sich selbst zu schützen. Gaia wird es das nächste Mal mit etwas noch Hässlicherem versuchen.“ Damit will Lovelock u.a. darauf hinweisen, dass Klimaschutz ohne Umwelt- und Artenschutz einen falschen Ansatz verfolgt. Dass in Glasgow die Klimakonferenz stattgefunden hat, während es kurz zuvor in China getrennt davon eine globale Konferenz für Biodiversität gab, offenbart für ihn den Fehler, den auch Universitäten machen, wenn sie das Fach Chemie getrennt von Physik, Geologie und Biologie lehren. Organismen verändern die Umwelt, bestimmen die Zusammensetzung der Atmosphäre und die Temperatur auf der Erdoberfläche. Es geht also nicht allein um eine Reduzierung der menschengemachten Treibhausgase bei der Bekämpfung der Klimaerwärmung, sondern es muss auch die Biosphäre geschützt werden.

Aber Lovelock bleibt dann doch auch bei der Reduzierung der durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe stehen, was ähnliche Anstrengungen wie in einer Kriegswirtschaft verlange. Mit Erneuerbaren werde man das nicht lösen, man brauche mehr Atomenergie. Das predigt Lovelock schon lange. Die damit verbundenen Gefahren würden übertrieben, sagt er und spricht nicht von Tschernobyl oder Fukushima, sondern von persönlichen Erfahrungen, die mit Atomkraftwerken allerdings nichts zu tun haben. Er sei Millionen von Kilometern geflogen und dabei einer zehnmal höheren Strahlung als am Boden ausgesetzt worden: „Die Gefahren sind übertrieben.“

Damit will er wohl auf sein Alter anspielen, macht aber deutlich, dass er durch das Vielfliegen auch persönlich einen guten Anteil an der Klimaerwärmung beigetragen hat, was er aber nicht thematisiert. Lieber spricht er davon, dass man das Problem der Überbevölkerung angehen und die Zerstörung der Regenwälder angehen müsse: „Vor allem müssen wir auf die Erde ganzheitlich sehen.“ Was das genauer heißt und warum hier Atomenergie die große Rettung sein soll, wird nicht gesagt.

Und er droht auch am Ende seines Beitrags mit der angeblich zu erwartenden Rache von Gaia. Wenn die Menschen nicht lernen, „in Partnerschaft mit der Welt zu leben, wird der Rest der Schöpfung als Teil von Gaia unbewusst die Erde in einen neuen Zustand bringen, in dem die Menschen nicht länger willkommen sind.“ Wenn die Menschen ihre Lebensgrundlagen untergraben, braucht man eigentlich keine Gaia-Theorie, um zu erkennen, dass das für sie schlecht ausgehen wird. Aber es sind schon viele Arten ausgestorben, auch ohne Menschen wird das biologische Leben weitergehen. Lovelock sieht die Möglichkeit, dass mit Cyborgs Künstlicher Intelligenz neue Lebensformen entstehen können.

Der französische Präsident Macron wird sich über die Unterstützung freuen, er setzt wie Regierungen anderer Länder auch auf den Bau neuer AKW und die Verlängerung der Laufzeiten der alten und will viele Milliarden investieren, um beim alten Kurs zu bleiben, der oft auch eine militärische Komponente hat. Die EU steht unter Druck, Atomkraft ebenso wie vielleicht Gas als nachhaltige oder saubere Energie in der „Green Finance Taxonomy“ einzustufen (EU will Atomkraft auf Druck aus Frankreich als „nachhaltig“ einstufen).

 

Heute wird in Berlin eine „internationale“ Pro-Kernkraft-Demonstration stattfinden, zu der Nuklearia aus Deutschland, FOTA4Climate aus Polen, Mothers for Nuclear (Deutschland, Österreich, Schweiz) und die internationale Nuclear Pride Coalition („Stand up for nuclear“) aufgerufen haben. Allerdings in erster Linie mit dem Slogan: „Damit Strom bezahlbar bleibt.“ Sprechen wird dort auch der bekannte Klimawissenschaftler James Hansen. Er fordert einen Ausstieg aus dem deutschen Atomausstieg. Wenn man die sechs deutschen Kernkraftwerke weiterlaufen ließe und dafür aus der Kohle aussteige, könnte das Aussterben von über 100 Tierarten verhindert werden, so seine Behauptung. Seit langem argumentiert Hansen, dass Atomenergie das Leben von Menschen durch Vermeidung von Luftverschmutzung retten würde. Er hatte im Oktober auch einen offenen Brief an die Deutschen unterschrieben, in dem gefordert wurde, den Atomausstieg noch einmal auf 2030-2035 zu verschieben und dafür aus der Kohle auszusteigen. Die Veranstalter sagen, die sechs noch laufenden AKW seien „echte Klimaschutz-Kraftpakete“ und würden jährlich 70 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

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Ein Kommentar

  1. Zwei der reichsten Männer der Welt, Bill Gates und Warren Buffett, sind dabei, neue Atomkraftwerke zu bauen, also rühren die von Gates alimentierten Medien auch hier kräftig die Werbetrommel, offenbar ohne Rücksicht auf die eigene Reputation. Mit James Lovelock und seiner „Gaia-Theorie“, die wohl mehr mit einer Art Religion als mit einer wissenschaftlichen These zu tun hat, sollen offenbar Ökos, speziell Ökofeministinnen und Esos geködert werden. Die Drohung, eine Gottheit werde die Menschen für ihre Sünden bestrafen, diente auch in früheren Zeiten schon als Herrschaftstechnik. Wie es scheint, will auch die „Atom- und Klimakirche“ nicht darauf verzichten. Dass der Guardian solch abstrusen Geschwurbel ein Forum bietet, ist schon erstaunlich.

    Die Verknüpfung von Klimapanik mit Atom-Propaganda ist dabei nicht neu.
    Die Linguistin Dr. Petra Pansegrau beobachtete schon vor vielen Jahren:
    „Die Forderung nach einer veränderten Energiepolitik mündete sehr unverhohlen in den langfristigen Ausbau der Kernenergie, die in den Monaten nach dem Tschernobyl-Unfall auf dem Tiefpunkt ihrer Akzeptanz in Deutschland angekommen war. Entgegen bis dahin erfolgloser Versuche, die Aufmerksamkeit der Medien und der Politik für den drohenden Klimawandel zu erlangen und damit als Argument für den Ausbau der Kernenergie zu etablieren, zeigte dieser Aufruf schnell Wirkung in der Politik und den Medien.“
    https://www.humanistische-union.de/publikationen/vorgaenge/179-vorgaenge/publikation/winds-of-change/

    Befremdlich ist gegenwärtig die sogenannte „Freie Linke“, die vorgeblich Linke versammeln will, die den demokratiefeindlichen Covid-Maßnahmen kritisch gegenüberstehen. In deren Blog „Freier Funke“ erscheinen jedoch auch regelmäßig Beiträge, die eine Rückkehr zur Atomenergie fordern. Viele Linke dürfte das eher irritieren und davon abhalten, sich der „Freien Linken“ anzuschließen.
    https://freie-linke.de/freier-funke/2021/06/alternativen-zum-great-reset

    Im Schatten der Corona-Maßnahmen soll offenbar die über Jahrzehnte von der Anti-Atombewegung erarbeitete Kritik vergessen gemacht werden, ebenso wie Ideen der Umweltbewegung zur Ressourceneinsparung und einem ökologisch nachhaltigen Lebensstil, die durch die Mogelpackung eines neo-feudalen“Great Resets“ ersetzt werden sollen.

    Für alle, denen bisher die Risiken der Atomenergie entgangen sein sollten:

    Jan Böhmermann ruft in einer hervorragenden Zusammenfassung die Problematik des Atommülls in Erinnerung:
    Atommüll: Kein Endlager in Sicht! ZDF Magazin Royale
    https://www.youtube.com/watch?v=zDIDOdUPFjs

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