Chile: Kontinentaler Impfmeister meldet Rekord der Ansteckungen

 

Die meisten Chilenen sind mit erneuten Lockdown einverstanden, nicht aber mit der Regierung und dem Präsidenten.

Am Donnerstag ist Chile in den von der Regierung in Santiago beschlossenen “totalen Lockdown”  gegangen. Die Maßnahme betrifft zunächst 72 % des 19-Millionen Volkes, denn die Ansteckungen seien so hoch wie zu keinem anderen Zeitpunkt der Pandemie. Dabei ist der Andenstaat südamerikanischer Impfmeister, innerhalb von zwei Monaten wurden bereits 30 Prozent der Bevölkerung (6 Millionen) mit Sinovac (VR China) und dem Vakzin von Pfizer erstmals geimpft, darunter ein 6 Monate altes Baby. Auch die 16.400 Obdachlosen sollen jetzt an die Nadel geholt werden.

Trotzdem vermeldeten die Gesundheitsbehörden die letzten Tage bis zu 7000 tägliche Ansteckungen und eine bedrohliche Situation der Intensivstationen. Am 25. März wurden 4825 Neuinfektionen registriert.

Bisher galten die Ausgangssperren nur nachts und am Wochenende, aber Genehmigungen zum Einkaufen und für Arztbesuche konnten bei den Carabineros online beantragt werden und wurden praktisch automatisch und ohne Kontrollen erteilt, allein am letzten Wochenende 3,9 Millionen Anträge. Damit ist jetzt Schluss, entschied das Gesundheitsministerium. Supermärkte und Apotheken sollen Waren nur noch online verkaufen und nach Hause liefern. Auch die Schulen schließen ihre Pforten und gehen zum Online-Unterricht über. Das klappt einigermaßen in den reicheren Stadtteilen , in den Armenvierteln mangelt es an Computern.

Laut Gesundheitsminister Enrique Paris können die Krankenhäuser keine Patienten mehr aufnehmen, und täglich steige die Zahl der Kranken. 70 % aller Betten seien von an Covid Erkrankten belegt. Bis Ende Juni will er 15 Millionen Chilenen impfen, Auswirkungen auf die Immunisierung habe das aber nicht direkt, was sich an den erneuten hohen Infektionszahlen zeigt. Warum trotzdem geimpft wird, erklären die Behörden nicht; angeblich garantiere die Impfung einen schwächeren Krankheitsverlauf. Aber den Beweis dafür bleiben sie schuldig. Das Alter der Patienten sei von 70 auf 50 Jahre gefallen.

Insgesamt haben wurden in Chile bislang  947.783 Infizierte registriert,  22.402 sind mit oder an dem Coronavirus gestorben, so die Angaben der Johns Hopkins Universität. 63 Prozent der Chilenen sind stark oder ziemlich verängstigt, Lockdownmaßnahmen werden von der überwiegenden Mehrzahl der Bürger in Umfragen als notwendig empfunden, so eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Cadem, die am 22. März veröffentlicht wurde.

Während jetzt erneut die Wirtschaft und das soziale Leben auf Null heruntergefahren wird, sollen aber die Wahlen am 10. und 11. April für die Verfassungsgebende Versammlung auf jeden Fall stattfinden. „Wie bereits bei der Volksabstimmung im vergangenen Oktober werden die Wähler alle Vorsichtsmaßnahmen respektieren”, so Minister Paris auf der Pressekonferenz.

62 % aller Chilenen sind aber für eine Vertagung der Wahl. Die Basisbewegung, die seit Oktober 2019 Millionen für eine neue Verfassung auf die Straße gebracht hat, hatte unter Pandemie-Bedingungen keine ausreichenden Möglichkeiten, eigene Kandidaten aufzubauen und sich auf die Wahl vorzubereiten. Dies konnten allenfalls die traditionellen politischen Parteien – also dieselben Berufspolitiker, die seit 30 Jahren grundlegende Reformen verhindert haben. Zwar sind die Chilenen mit dem Lockdown einverstanden, nicht aber mit der Regierung. Nach der schon erwähnten aktuellen Umfrage lehnen weiterhin über 70 Prozent die Amtsführung des Präsidenten ab, der nur eine Zustimmung von 20 Prozent erfährt.

Zur politischen Situation in Chile hat Gaby Weber im Januar 2021 ein Video veröffentlicht: Chile: Nach der Revolte – ein Zwischenbericht.

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