Es scheint, als würde die Welt wieder aufatmen, je mehr Nachrichten über die Schwäche von Präsident Jair Bolsonaro in Brasilien auftauchen.
Der Rücktritt und der Austausch mehrerer Minister in dieser Woche sind das Ergebnis eines langen Prozesses, der zunächst in der Anhäufung von Generälen und Militärs in Bolsonaros Regierung gipfelte. Nach einer Umfrage der Zeitung Globo sind 6157 aktive und Reserve-Militärs in zivilen Positionen in der Regierung. Hier gibt es keine Posten und Plätze mehr für brasilianische Politiker.
Diese Demonstration politischer Unabhängigkeit, die Bolsonaro der Welt zeigen wollte, hat dazu geführt, dass weder das Parlament noch der Senat mehr Gesetze verabschiedet haben. Er begann mit provisorischen Maßnahmen zu regieren, die ihre Gültigkeit verlieren, wenn sie nicht korrigiert und vom Senat genehmigt werden. Diese Anordnungen sind 60 Tage gültig und können einmal um den gleichen Zeitraum verlängert werden.
Auf der militärischen Seite sorgte die Ernennung der Generäle und Offiziere für Missstimmung innerhalb der brasilianischen Armee, denn nach der militärischen Hierarchie ist ein General mehr wert als ein anderer General, wenn er eine längere Dienstzeit hat. In Ermangelung älterer Generäle, die seine Regierung unterstützen, ernannte er jüngere Generäle, was zu Unruhen unter den Truppen führte. Das war etwa beim Verteidigungsminister General Walter Braga Neto der Fall, dessen Ernennung nicht nur gegen die militärische Hierarchie verstieß, sondern der sich auch den Wünschen des Präsidenten beugte. Ein Beispiel dafür war, dass er am 14. September 2020 den 3-Sterne-General Eduardo Pazuello, Kommandeur des Zentralen Munitionsdepots der brasilianischen Armee in Rio de Janeiro, offiziell zum Gesundheitsminister ernannt hat, ohne dass dieser eine Ausbildung im öffentlichen Gesundheitswesen vorweisen konnte.
Natürlich befolgte Pazuello genau die Anweisungen des Präsidenten. Nach 5 Monaten mit vielen Kontroversen, Widersprüchen und mangelnder Koordination und einer fehlenden nationalen Gesundheitsstrategie trat der brasilianische Presseverband mit einem Amtsenthebungsantrag gegen den General an, auch weil er mit der Werbung für Medikamente, deren Wirksamkeit nicht erwiesen ist, sich über die Empfehlungen der Wissenschaftsräte und der WHO hinwegsetzte. Am 15. März 2021 ersetzte Präsident Bolsonaro General Pazuello durch den Kardiologen Marcelo Queiroga, der keine Erfahrung mit Epidemien und öffentlicher Verwaltung hat.
Ohne politische Unterstützung im Parlament und im Senat schafft es Bolsonaro mit dem Versprechen, Mittel für die Infrastruktur in den Bundesstaaten und Gemeinden für die Politiker der Koalition freizugeben, die beiden Präsidentenposten der Häuser mit seinen Leuten zu besetzen. Mit diesem Sieg und der Gewissheit, dass die Amtsenthebung nicht mehr stattfindet, ernannte er Doktor Queiroga zum Gesundheitsminister und Flavia Arruda zur Ministerin des Regierungssekretariats. Arruda ist mit dem ehemaligen Gouverneur des Bundesdistrikts verheiratet, der auf Anordnung des Obersten Gerichtshofs (STJ) wegen Bandenbildung und Bestechung von Zeugen verhaftet und aus dem Amt entfernt wurde.
Der am Montag erfolgte Rücktritt des Verteidigungsministers und von den drei Kommandanten der Streitkräfte war ein Ergebnisses des Drucks, den Bolsanaro mit antirepublikanischen Forderungen ausgeübt hatte. So wollte er die Streitkräfte in den direkten Dienst des Präsidenten stellen. Damit wollte er sich in die Politik mehrerer brasilianischer Bundesstaaten einmischen, die aufgrund der Zahl der Todesfälle und des Mangels an Betten und Krankenhausausstattung einen Lockdown verordneten. Der Wochendurchschnitt der Opfer von Covid-19 erreichte 2728 und markiert einen neuen Höchststand für den 5. aufeinanderfolgenden Tag im Land.
Der ehemalige Chefminister des Kabinetts für Institutionelle Sicherheit (GSI), Sergio Etchegoyen, sagte am Dienstag, dass die Streitkräfte kein “Faktor der Instabilität im Land” sein werden. “Unabhängig davon, wer das Sagen hat, werden sie nie aufhören, eine staatliche Institution zu sein.”
Der fast gleichzeitig erfolgte Rücktritt des Außenministers war schon lange wegen seiner Trumpschen Haltung gegenüber China gefordert worden. Außerdem war Araujo ein überzeugter Konservativer, der gegen die Umweltbewegung war und immer behauptete, dass das Coronavirus kein so schlimmes Virus wie das Kommunismusvirus sei. Mehrmals beschwerte sich der chinesische Botschafter in Brasilia, Yang Wanming, über die Haltung Araujos vor der chinesischen Politik.
China hingegen, das ein Handelsabkommen mit dem Bundesstaat São Paulo hat und den Impfstoff Coronavac mit diesem gemeinsam produziert, verlangte von der Regierung Bolsonaro eine Entschuldigung, um das Rohmaterial für die Fortsetzung der Produktion des Impfstoffs Coronavac freizugeben. Anstatt sich zu entschuldigen, schickt Bolsonaro den Landwirtschaftsminister zu Gesprächen mit den Chinesen. Seitdem liefert China wieder die notwendigen Rohstoffe. Wenn man Impfstoffe aus China braucht, sind die Ministerien entscheidend, die direkt mit dem Export von Fleisch und Sojabohnen und dem Import von Industrieprodukten zu tun haben.
Biden und das Klimatreffen: Biden kündigte die Organisation eines Climate Leaders’ Summit am 22. April an, der den fünften Jahrestag der Unterzeichnung des Pariser Abkommens markiert. Dies könnte eines der ersten Treffen von Jair Bolsonaro mit dem neuen amerikanischen Präsidenten sein. Bei diesem Treffen hat Biden bereits eine große Summe Geld für Projekte zum Schutz des Amazonas versprochen, nur will er diesmal konkrete Daten zur Reduzierung der Abholzung und keine Versprechungen für 10 oder 20 Jahre in der Zukunft. Wie Bolsonaro konkrete Projekte vorführen wird, ist die größte Erwartung an dieses Treffen.
Noch hat Bolsonaro die Unterstützung der Militärs, der extremen Rechten und des brasilianischen Agrobusiness, aber sein Boot beginnt zu sinken.
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