Der Kern des Geschäftsmodells von Amazon ist Überwachung
Alle, die immer noch glauben, dass Amazon in erster Linie ein kundenfreundliches Onlinekaufhaus ist, sollten mal einen Blick in die aktuelle Analyse des amerikanischen Open Markets Institut mit dem Titel “Eyes everywhere” werfen.
Die Analyse kommt nämlich zum Ergebnis, dass Amazon vor allem eines ist: Ein Überwachungsunternehmen, dessen Datenerfassung das Herzstück des Amazon-Geschäftsmodells ist. Amazons invasive Überwachungspraktiken, so die Studie, beziehen dabei alle Bereiche und Geschäftsfelder des Online-Giganten mit ein: angefangen bei den eigenen Mitarbeiter, über Lieferanten, Drittanbieter und Kunden auf dem Amazon Marketplace, bis zu den Amazon Web Services, also der Cloud-Sparte, wo weltweit viele Unternehmen und Behörden ihre IT und Daten auslagern. Zentrales Ziel all dieser Überwachungsmaßnahmen ist es, die schon jetzt monopolartige Marktmacht weiter auszubauen, Konkurrenten zu verdrängen und natürlich die Kunden bei der Stange zu halten.
Amazon ist mittlerweile nicht nur die weltweit größte eCommerce-Plattform, inzwischen beginnen auch 60 Prozent aller Produktsuchen im Netz bei Amazon. Und damit beginnt die Überwachung der Verbraucher. Die Produktsuche eines Nutzers, seine Produktkäufe, die angesehenen Produkte und die Zeit, in der ein Produkt vom Nutzer gesucht wird, seine Bildschirmberührungen auf dem Kindle-Gerät, sein geografischer Standort, die Kontakt- und Versandinformationen, das vom Verbraucher verwendete Gerät, sein Clickstream und vieles weitere mehr wird getrackt. Was dazu führt, dass Amazon bei einem einzigen Einkauf bis zu 2000 Datenpunkte in Echtzeit sammelt, verknüpft und analysiert.
Alexa und Ziggy hören mit
Neben der Überwachung seines Marktplatzes nutzt Amazon vor allem seinen smarten Lautsprecher Alexa und sein intelligentes Türklingel-, Alarm- und Kamerasystem Ring, um die Sammlung von Kundendaten weiter zu vertiefen.
David Bowie dürfte sich im Grab rumdrehen, dass nun die zunächst in den USA als männliche Alternative zu Alexa eingeführte Stimme ausgerechnet auf den Namen “Ziggy” hört. Denn ob Alexa oder Ziggy, die smarten Superwanzen, von denen Amazon bis Januar 2019 schon 100 Millionen Stück verkauft hat (Marktanteil 70 Prozent), zeichnen die bewussten oder auch versehentliche Sprachanfragen seiner Nutzer auf und speichern sie dauerhaft.
Neben der Optimierung der Alexa-Algorithmen, ist es auch hier das Ziel, möglichst viele Produkte und Amazon-Dienste an die Verbraucher zu bringen. Startet ein Nutzer über Alexa beispielsweise eine Produktsuche oder äußert einen Musikwunsch, greift Alexa standardmäßig auf Amazon Prime zu. So werden der Wettbewerb unterdrückt und die Wahlmöglichkeiten der Kunden eingeschränkt.
Blockwart 2.0
Noch krasser fällt die Analyse des Open Markets Instituts beim Thema Amazon Ring aus, dem mit dem Internet verbundenen Türklingel- und Alarmservice, der den Nutzern einen Videostream ihrer Haustür und weitere Sicherheitsfeatures wie eine Bewegungs- und Zutrittserkennung anbietet.
Ring ermöglicht es den Verbrauchern, die eigene Haustür, oder wo immer sie diese smarte Kamera installiert haben, auf ihrem Mobilgerät zu überwachen. Jede Bewegung im Sichtfeld der Kamera wird gemeldet. Und mit der Zusatzfunktion Neighbours, also Nachbarn, können Ereignisse und Personen gemeldet werden, die sie für verdächtig halten.
Selbstverständlich schneidet Amazon auch diese Daten mit. Amerikanische Datenschützer fanden heraus, dass Amazon jede von der Türklingel erfasste Bewegung, jede Benutzerinteraktion mit der Anwendung und auch das vom Kunden für den Zugriff auf die Anwendung verwendete Telefonmodell registriert und alle diese Datenpunkte mit einem Zeitstempel versieht. Auf diese Weise erhält Amazon tiefe Einblicke in die Lebensmuster, die Gewohnheiten und das soziale Leben seiner Nutzer.
Doch das ist noch nicht alles. Die riesigen Datenmengen nutzt Amazon als lukratives Zusatzgeschäft. Bis Januar 2021 hat Amazon US-weit Partnerschaften mit mehr als 2000 Polizeidienststellen abgeschlossen, die damit Zugriff auf die Videoaufzeichnungen von Ring erhalten. Kürzlich hat Amazon zudem das Patent auf ein neue Ring-Funktion angemeldet, die den Nutzer informiert, wenn die Ring-Software eine von der Kamera erfasste Person als verdächtig einstuft.
Überwachung als Dienstleistung
Als noch beunruhigender stuft die Open Markets Analyse Amazons Gesichtserkennungstechnologie Rekognition ein, die ursprünglich für die kassenlosen Amazon-Go Läden entwickelt wurde, mittlerweile aber an US-Strafverfolgungs-, Einwanderungs- und Zollbehörden verkauft wird. Wann Rekognition auch mit den Produkten der Ring-Familie verknüpft wird, ist nach Ansicht der Analysten nur noch eine Frage der Zeit.
Ring & Co bilden auch die Grundlage für Amazons neuestes Überwachungsprojekt: Amazon-Sidewalk. Mit diesem Dienst verschickt Amazon Software-Updates an Verbraucher, die ihre Internet-Netzwerke mit anderen Bluetooth-fähigen Produkten von Amazon teilen. So fügt Sidewalk die unterschiedlichsten Dienste von Überwachungsprodukten zu einem Netzwerk zusammen, das von Amazon zentral überwacht wird. Auch wenn Amazon den Nutzern einräumt, diesen Dienst zu deaktivieren, ist die Funktion standardmäßig aktiviert.
Mit all diesen smarten Spionagemöglichkeiten arbeitet Amazon derzeit auch intensiv daran, den lukrativen Gesundheitsmarkt zu erobern. Mit schön designten Fitness-Trackern werden Blutdruck, Puls, Schlafgewohnheiten und andere Körperfunktionen überwacht, um den Nutzern dann entsprechende Dienstleistungen und Medikamente zu verkaufen.
Was ist zu tun?
Die Studie von Open Markets kommt zu dem Schluss, dass die Fähigkeit von Amazon, Verbraucher, Wettbewerber und Arbeitnehmer zu überwachen, ein grundlegender Aspekt seiner Marktmacht ist, die die Dominanz des Unternehmens weiter festigt, den Wettbewerb unterdrückt und die Märkte manipuliert. Sie fordert deshalb u.a. eine strikte strukturelle Trennung der Geschäftsbereiche von Amazon , sowie die Durchsetzung des Kartellrechts in Bezug auf die Bündelung und Kopplung der Geschäftsbereiche.
Bisher jedoch hat sich die Politik – ob in den USA oder Europa – als eher zahnloser Tiger erwiesen, dem es noch nicht einmal gelungen ist, wenigstens die riesigen Gewinne des Unternehmen auch nur ansatzweise angemessen zu besteuern. Der einfachste wie radikalste Weg, sich den Überwachungspraktiken von Amazon zu entziehen, ist deshalb immer noch: Konto kündigen und die Geschäftsbeziehungen mit Amazon beenden.
In meinen Augen der falsche Fokus.
Jede treusorgende Partnerin oder Mutter wäre in diesem Fall ein Überwachungsmonster, das Informationen wie Esspräferenzen oder Freizeitgestaltungsvorlieben auswertet und zum eigenen Nutzen anwendet. Jeder Geschäftspartner befragt seinen Kunden nach Informationen um dessen Wohlbefinden in Bezug auf die Geschäftsverbindung zu steigern aus dem induzierenden Bestreben der eigenen Gewinnsteigerung heraus.
Den Grad an “Aufmerksamkeit” bei der Auswertung und der Wunsch die Menge an auswertbaren Informationen zu steigern (so lange sie freiwillig bereit gestellt werden) kann man Amazon nicht vorwerfen.
Wenn Kritik angebracht wäre, dann dass man diese “Fürsorge” privaten Interessen anvertraut anstatt sie gesamtgesellschaftlich zu organisieren, aber damit stellt sich die Systemfrage.
na klasse: die neoliberale „(alb-)traumfrau“!
um sich als „treusorgende partnerin“ zu erweisen, muss sich der „partner“
wahrscheinlich ersteinmal eine tracking-app installieren (lassen), damit
sie sich auch ausführlich über seine eß- und freizeit-präferenzen informieren
kann. die sie dann „zum eigenen nutzen anwendet“! was natürlich bedeutet, ihrer fürsorgepflicht nachzukommen, ähhh…
danke auch für so eine scheiß-weltanschauung!
gibt es tatsächlich jemanden, der es länger als eine woche mit dir ertragen hat? so einen echten hanswurst?
das problem ist ja anscheinend, dass diese verkorkste realität schon jede
vorstellung von einer gesellschaft, wie sie sein sollte, korrumpiert hat…