Bidens Besuch in Israel, das seit Jahrzehnten palästinenische Gebiete okkupiert, und beim kriegsführenden saudischen Diktator

Der US-Prässident mit dem neuen israelischen Ministerpräsidenten Lapid. Bild: Weißes Haus

Moshe Zuckermann über die amerikanischen Interessen, den Palästina-Konflikt als Kernproblem der Region und warum man nur in Deutschland Antisemit ist, wenn man von Israel als Apartheidsstaat spricht.

 

Gerade war Joe Biden in Israel, er hat sogar auch die Palästinenser besucht, aber es kam eigentlich nichts heraus. Offenbar will Biden die Politik von Trump fortsetzen, eine enge Beziehung zwischen Israel und Saudi-Arabien und den Golfstaaten aufbauen. Das stößt auch auf Entgegenkommen der neuen israelischen Regierung, auch was die Anti-Iran Politik betrifft.

Moshe Zuckermann: Biden hätte natürlich einen Plan für den israelisch-palästinensischen Konflikt mitbringen müssen. Aber das ist überhaupt nicht denkbar, weil auch die neue Regierung und der neue Premierminister nichts am Hut mit Palästina haben. Alles, was er als Geschenk mitbringen konnte, war eben, die Zweistaatenlösung nicht zu forcieren. Er hält noch an einer Zweistaatenlösung fest, sagte er, aber erwarte nichts in absehbarer Zukunft. Das ist im Grunde genommen auch die Grundsituation hier. Biden wollte mehr oder weniger das verfestigen, was es ohnehin schon gibt, ohne dass dabei etwas in irgendeiner Weise politisch oder staatsmännisch vorangetrieben würde. Der eigentliche Zweck seiner Reise scheint Saudi-Arabien gewesen zu sein, weil die Amerikaner jetzt wieder stärker vom saudischen Öl abhängig sein werden. Geopolitisch ist das im Moment eine sehr wichtige Sache.

Man hatte in Israel gehofft, wenn schon nur der Status zwischen Israel und Palästina gewahrt wird, dass Biden dann  die Normalisierung der Beziehungen mit Saudi-Arabien vorantreiben kann. Aber er hat Israel gar nicht in seiner Rede in Saudi-Arabien erwähnt. Die Saudis haben hingegen erklärt, es sei  noch lange nicht so weit, dass die Beziehungen normalisiert werden können. Das könne erst dann geschehen, wenn Israel sich aus den besetzten Gebieten zurückzieht. Und da wird, glaube ich, der Messias eher bei uns angekommen sein, bevor das passieren wird.

Der einzige Erfolg war ja, dass die Saudis den Luftraum für zivile Luftfahrt auch von Israel freigegeben haben.

Moshe Zuckermann: Wenn man dafür den Präsidenten von Amerika braucht, damit so etwas zustande kommt, dann ist es sehr, sehr prekär bestellt um diese Art von Beziehungen. Was dabei rauskommen wird, das gilt es abzuwarten.

Der Grund für den Besuch, den das Weiße Haus vorgegeben hat, war, dass man ja eigentlich nicht Saudi-Arabien besuchen wollte, das Treffen mit den Golfstaaten habe dort gewissermaßen nur zufällig stattgefunden. Biden wollte, dass mehr Öl gefördert wird, um die Preise auf dem Weltmarkt und in den USA zu dämpfen. Aber Saudi-Arabien sagte nur, sie würden nur dann mehr fördern, wenn ein Mangel auf den Weltmärkten herrscht. Also auch hier gab es keinen Erfolg. Und es war ja doch auch eine Art Bittgang von Joe Biden, der nun mit dem Krieg in der Ukraine, wo angeblich die Freiheit und Demokratie und was weiß ich vor den Russen verteidigt wird, ausgerechnet zu einem Diktator geht, der einen Krieg im Jemen mit viel mehr Opfern führt als Russland bislang in der Ukraine.

Moshe Zuckermann: Es ist eine große Scheinheiligkeit, dass man die Menschenrechte und den Liberalismus hochhält, aber es dann ans Eingemachte geht, mit wem man die Geschäfte macht. Das ist schon immer so gewesen und wirklich nicht so neu. Deshalb meinte ich auch immer, wenn es darum ging, dass die Amerikaner sich hier in der Region involvieren, dass das immer nur dann sein wird, wenn amerikanische Interessen tangiert sind. Als die Ölfelder brannten beim Golfkrieg 1991, wurde schleunigst dafür gesorgt, dass es in Madrid zu einem Treffen zur Beilegung kam. Die Amerikaner haben natürlich ihre geopolitischen Interessen, dem diente der beiläufige, sehr kitschige und teilweise auch schnulzige Besuch Bidens, auch mit den ganzen Herumgetue in Yad Vashem.

Immer wieder hat man das Gefühl, dass, um wirklich knallharte Interessen durchzufechten, die ganze Erinnerungskultur aufgewärmt wird, und zwar auch von israelischer Seite. Man hat so über gar nichts geredet, aber behält das sozusagen in Erinnerung. Bidens Gespräch mit den beiden alten Damen, den Holocaustüberlebenden, wird das Bild von seinem Besuch bleiben. Aber es sind amerikanische Interessen, die nichts zu tun haben mit dem eigentlichen Problem hier in dieser Region.

Joe Biden mit den Holocaust-Überlebenden. Bild: Weißes Haus

Wo siehst du das eigentliche Problem?

Moshe Zuckermann: Ich sehe noch immer das Kernproblem im palästinensischen Konflikt. Es gibt mittlerweile auch Ausläufer etwa im Jemen, auch was sich im Libanon oder in Syrien abspielt, ist explosiv. Der palästinensische Konflikt aber tangiert alles, was in der Region läuft. Das verhindert noch immer, dass es einen ernstzunehmenden, einen warmen Frieden mit Jordanien und auch mit Ägypten gibt, obwohl es einen formalen Frieden gibt. Das ist noch immer ein Problem, auch wenn Israel es geschafft hat, es zu einem Nicht-Problem werden zu lassen. Das heißt, keiner redet über die Okkupation und keiner will irgendetwas unternehmen. Auch Bidens Besuch bei Abu Mazen (Abbas) war ein Witz. Sie konnten keine gemeinsame Deklaration formulieren, gar nichts, weil eben gar nichts läuft.

„Israel begeht, ich würde fast sagen, täglich Kriegsverbrechen“

Russland wird derzeit angegriffen, weil es einen völkerrechtswidrigen Krieg führt. Israel besetzt völkerrechtswidrig schon seit Jahrzehnten das Westjordanland. Wird das überhaupt thematisiert?

Moshe Zuckermann: Die Verdrängungskapazität der israelischen Bevölkerung mit einer bigotten Selbstgerechtigkeit im Sinne, dass wir hier Besatzer sind, ist schon seit vielen Jahren rationalisiert bzw. sogar schon so von der Tagesordnung gelöscht worden, dass niemand mehr über Besatzung redet. Dazu trägt auch der religiöse Faktor bei, also dass Israel Gott verheißenes Land ist sowie der ganze Stuss, den man hier politisch verbreitet. Israel begeht, ich würde fast sagen, täglich Kriegsverbrechen. Mit Kriegsverbrechen meine ich allein schon die Tatsache, dass man in einem durch einen Krieg besetzten Gebiet anfängt zu bauen. Das ist nach Den Haag ein Kriegsverbrechen. Ich will gar nicht darüber sprechen, wie man die palästinensische Bevölkerung schikaniert. Das ist überhaupt kein Thema hier. Und dann redet man so großartig von Russland als Invasionsmacht.

Ich bin nicht glücklich über diesen Krieg von Russland. Russland hat einen Krieg vom Zaun gebrochen, den man natürlich geopolitisch erklären kann, aber was dort angestellt wird, ist natürlich zu verurteilen. Aber Israel hat schon zwei Mal eine Invasion im Libanon begangen. Israel hat schon eine Invasion im Gazastreifen gemacht. Israel besetzt das Westjordanland. Und die Amerikaner, die großen Verurteiler, man muss nur mal versuchen, die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg anzuschauen, wo sie schon Invasionen gemacht haben, in Südamerika, wo sie  Regierungen zum Sturz gebracht haben. Das ganze Gerede ist ein totaler Blödsinn.

Man muss allerdings auch sagen, dass ich auch nicht erwartet hatte, dass Putin in die Ukraine einmarschiert. Man kann jetzt versuchen, Argumente dafür zu finden, warum er es gemacht hat, aber ich war total überrascht, als es passierte. Die Amerikaner brauchen überhaupt keine Begründung. Als George Bush meinte, jetzt zuschlagen zu müssen, hat er nicht die Vereinten Nationen oder sonst jemand gefragt, sondern ist einfach in den Irak einmarschiert. Und weil er die Arbeit nicht abgeschlossen hat, wie man sich ausdrückt, kam sein Sohn und ist noch einmal einmarschiert. Afghanistan, Vietnam … wir wissen, wie es gelaufen ist.

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Noch einmal zum Palästinenser-Thema zurück. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass der Konflikt gegessen oder von der Tagesordnung verschwunden  ist. Der Konflikt mit dem Iran scheint aber doch bedrohlicher zu sein, was auch mit der geopolitischen Konstellation zusammenhängt. Iran ist mit Russland verbunden, hat aber auch Öl. Wenn die USA jetzt die Sanktionen aufheben würden, damit das iranische Öl in den Markt flutet, würde man natürlich Schwierigkeiten mit Saudi Arabien bekommen, wenn die Preise heruntergehen.

Moshe Zuckermann: Man vergisst immer, dass der erste Golfkrieg der Krieg des Irak gegen den Iran war. Eine Million Soldaten haben ihr Leben gelassen, das vergisst man nie. Aber Iran ist natürlich jetzt ein Problem in dieser Region. Ich gehe davon aus, dass früher oder später die gesamte Region nuklearisiert sein wird. Ich glaube nicht, dass man sich besonders anstrengt, die Region atomwaffenfrei zu machen, und dann wird es darauf ankommen, ob es dann zu einer Balance of Horror oder zu einem Gleichgewicht des Schreckens kommt. Davon gehe ich aus. Übrigens weiß man genau, dass Israel, wenn jemand seine Existenz bedroht, so zurückschlägt, dass der halbe Nahen Osten in Schutt und Asche liegen wird.

Ich gehe aber davon aus, dass das Nukleare im Moment keine unmittelbare Bedrohung  ist. Man kann natürlich sagen, dass dann, wenn Iran jetzt zu allem, was er ohnehin schon besitzt, also Langstreckenraketen und so weiter, auch noch die Atombombe hat, dies ein Game Changer in dem Sinne ist, dass  das Gleichgewicht gestört wird. Aber es wäre nur gestört in dem Sinne, dass beide wissen, dass sie einander nicht attackieren können.

So habe ich auch immer den Konflikt zwischen Amerika und den Sowjets verstanden, nachdem 1962 in Kuba klargestellt worden war, dass keine Mätzchen mehr gemacht werden können. Es war auch nie wieder eine Frage, dass diese Mächte die Atomwaffen einsetzen. Das Problem ist, dass Netanjahu sich zum Sender der Iran-Bedrohung gemacht hat, die heraufbeschworen wird wie die Shoah. Er hat immer wieder die Iranbedrohung als zweite Shoah so diplomatisch propagandistisch eingesetzt, dass das zum Wesen und zum Kern seiner Politik geworden war und ist. In dieser Hinsicht lassen sich natürlich die Iraner nichts sagen.

Ich bin nicht glücklich über die Tatsache, dass die Iraner eine Atomwaffenpolitik verfolgen, aber sie hängt auch davon ab, dass Israel eine Nuklearpolitik verfolgt hat. Das ist natürlich nach offizieller Lesart nicht so. Ich berufe mich hierbei, das sei jetzt offiziell gesagt, auf fremde Quellen. Weil von israelischer Seite wissen wir natürlich nicht, dass Israel auch eine Atommacht ist. Aber es ist vollkommen klar, dass das für den Iran eher eine Bedrohung ist als irgendetwas anderes.

Mit dem Siedlungsbau wurde die Zwei-Staaten-Lösung unmöglich gemacht

Der Iran-Konflikt ermöglichte die Bildung der Liaison Israel-Saudi-Arabien?

Moshe Zuckermann: Natürlich, das war ja einer der Gründe, dass Saudi-Arabien diese Achse gegenüber dem Iran angenommen hat. Der Irak ist eine Bedrohung des Iran gewesen, aber auch gegenüber Saudi-Arabien, das  im Golfkrieg vom Irak auch mit Raketen beschossen wurde. Aber als es jetzt darum ging, die Beziehungen zu normalisieren, haben die Saudis erklärt, dass es, solange Israel noch die Gebiete besetzt, keine Normalisierung geben kann. Natürlich gibt es geheime Abmachungen und andere Interaktionen.

Also ist die Besetzung der palästinensischen Gebiete noch länger ein Thema für die arabische Welt. Solange dies so bleibt, wird es keine Ruhe geben.

Moshe Zuckermann: Das ist, was ich sage. Und die Frage ist natürlich, wer hat ein Interesse daran? Ein Interesse daran haben alle diejenigen, die involviert sein wollen, wie das auch im Kalten Krieg war. Man wollte den Konflikt nicht beilegen, weil dieser sowohl den Sowjets als auch den Amerikanern die Möglichkeit gegeben hat, sich in der Region einzumischen. Deshalb ist der Palästina-Konflikt das Kernproblem in dieser Region.

Aber warum kann Israel nicht mal nachgeben oder die Zwei-Staaten-Lösung angehen?

Moshe Zuckermann: Um sich das überhaupt durch den Kopf gehen zu lassen, muss Israel bereit sein, Gebiete zurückzugeben. Man muss  verstehen, was im Westjordanland in den letzten 30 Jahren passiert ist. Orte wurden so angesiedelt, dass es überhaupt kein homogenes Territorium mehr für die Palästinenser gibt. Man spricht von 650.000 Siedlern, offiziell soll es eine halbe Million Siedler geben. Kannst du dir vorstellen, dass man logistisch oder sonstwie diese halbe Million wieder nach Israel zurückzieht und die Siedlungen abbaut? Schon vor 20 Jahren sagte ein Forscher namens Meron Benvenisti, das sei irreversibel. Ariel Scharon hat es geschafft, mit dem Siedlungsbau die Zweistaatenlösung zu verunmöglichen, die radikal ist, weil.

Würde das Israel zersprengen?

Moshe Zuckermann: Wenn heute jemand sich einfallen ließe, die Zweistaatenlösung im Sinne der Räumung der Gebiete, Abbau der Siedlungen und der Lösung der Jerusalem-Frage als Hauptstadt von zwei Staaten durchzuführen, dann würde es bürgerkriegsähnliche Situationen geben, wenn er nicht umgelegt wird, wie Issak Rabin seiner Zeit. Also, das ist heute mehr oder weniger gegessen, das wissen ja auch alle. Diese Lösung ist strukturell verbaut. Deshalb können wir auch von Apartheid reden, also dass eine binationale Struktur hergestellt wird, die man aber nicht demokratisch absegnet. Deshalb wird es ja eine Apartheid-Struktur.

Du weißt schon, dass du Antisemitisches äußerst, wenn du von Apartheid sprichst? Ds war ja gerade hier in der documenta und der Presse Thema.

Moshe Zuckermann: Am allerliebsten bin ich Antisemit. Nur in Deutschland übrigens. Das ist wirklich eine deutsche Spezialität.

Ist das in anderen Ländern, etwa in Frankreich, nicht so?

Moshe Zuckermann: Nein. Israel versucht natürlich, das über die Propaganda zu erreichen. Aber das einzige Land, in dem Israel wirklich durchschlagenden Erfolg mit dieser Einhaltung dessen, dass jeder, der Israel kritisiert oder Israel „verleumdet“, indem er sagt, es sei ein Apartheidstaat, ist aus bekannten historischen Gründen Deutschland. Hier ist das so effizient, wie nur Deutsche sein können. Nur in Deutschland wirst du dann als Antisemit eingestuft.

Wie ist es denn bei den amerikanischen Juden?

Moshe Zuckermann: Da gab es ja früher das AIPAC, das war und ist konform. Es gibt natürlich eine Schicht von konservativen Juden, die immer Demokraten gewählt und dafür gesorgt haben, dass diese Solidarität gewahrt bleibt. Die allermeisten amerikanische Juden, es sind ungefähr 6 Millionen, haben jedoch kein sehr fanatisches Verhältnis zum Zionismus. Sie sind amerikanische Juden und haben mit dem Zionismus nur insofern etwas am Hut, dass man sagt: Gut, dass es dieses Land da drüben gibt, aber das tangiert unser Alltagsleben nicht. In den letzten Jahren ist gerade unter jungen Juden immer mehr Israelkritik aufgekommen ist. Und man hört in letzter Zeit, dass mit einem Mal viele ernüchtert sind und nicht automatisch Solidarität mit Israel artikulieren. Das war früher viel homogener.

Aber um noch mal auf das Thema zurückzukommen: Antisemit bin ich als einer, der sagt ist, wenn es einer Partei statt nur in Deutschland oh!

Es wird gefordert, die documenta wegen Antisemitismus zu schließen. Die Direktorin ist gerade zurückgetreten. Also es ist schon ein Wahnsinn.

Moshe Zuckermann: Wenn ich recht verstanden habe, gibt es auch einen Antrag, dass künftig alles, was in der documenta gezeigt werden soll, einem politischen Ausschuss vorgelegt werden muss. Ihr seid auf dem besten Weg, die Meinungsfreiheit zu eliminieren.

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7 Kommentare

  1. Zuckermanns Realismus und Abgeklärtheit ist erfrischend. Ich stimme ihm bei all seinen Aussagen zu.

    Leider sind ein paar seiner Sätze etwas verstümmelt transkriebiert. Vorallem gegen Ende.

  2. … scho wieder einen Fehler übersehen, es sollte natürlich ‚transkribiert‘ heissen. Eine Korrekturmöglichkeit wäre für Schussel wie mich hilfreich…

  3. …am Vorabend von 1948 war ein Viertel aller auf dem Territorium des späteren Israel befragten Juden, gegen die Staatsgründung. Sie befürchteten durch eine Staatsgründung mit all ihrem auch staatsgewaltigen, normierenden, begradigendem und ausschließenden Charakter den Verlust der lokalen Freundschaften und Netzwerke, die die Immigranten seit den 1890ern mit den einheimischen Arabern geknüpft hatten. Das war eine moderne, „post-nationale“ Graswurzelbewegung gewesen, deren Bestandteil auch viele Kibbuzim waren… Die 25 % Skeptiker sollten Recht behalten. In gewisser Weise erfuhr der Begriff des Zionismus eine komplette Umwertung seitdem. Aus Liberal wurde nationalistisch und rassistisch. (Inwieweit rassistisches Denken dem Zionismus bereits eingschrieben war, weil auch immer ein nationales-ethnisches Projekt ganz in der Tradition des 19. Jhrdts., wäre eine eigene Diskussion.)

  4. Ich behaupte jeder Deutsche, der als Antisemit verstanden wird, hat einen Antideutschen in sich. Und das ist ein Problem. Denn nicht jeder als Antisemit begriffene Deutsche ist auch wirklich ein Antisemit. Deutschland ist nicht neutral und Kritiker an israelischer Politik haben es hier schwer, weil es quasi einen strukturellen Philosemitismus gibt, was eigentlich einem positiven Antisemitismus entspräche. Israel ist eine Kreation der UN und eines Schöpfers, der Ländergrenzen zieht. Die UN hat diesen Konflikt zwischen Palästina und Israel nicht gelöst und wird ihn auch nicht lösen, weil auch die UN sich gerade um andere Sachen zu „kümmern“ scheint.

    Auf der anderen Seite geht man hier (und in anderen Ländern auch?) soweit, selbst jüdische Kritiker an israelischer Politik über die Diffamierung als selbst hassende Juden zu Antisemiten zu erklären. Und je größer die antideutschen Anteile in jedem von uns sind, desto kleiner ist die Kritik an Imperialismus, an Lösungen für das Finanzsystem UND eben auch ein über das symbolische hinaus reichende Eintreten eines Friedens zwischen Palästina und Israel. Solange von Deutschland keine Kriege ausgingen, war all das für mich verschmerzbar – sehr naiv und ignorant: Es musste schließlich anders kommen. Die Außenpolitik in Deutschland (ohne Diplomatie oder irgendeinem souveränen Interesse im Gepäck) ist mittlerweile eine vollendete Katastrophe.

    Pathologischer, Generationen übergreifende Schuldkult und hohle, weil unechte Erinnerungskultur ohne ernste Veränderungen im Denken, Handeln und dem Erkennen totalitärer Strukturen. Wenn ich dann noch sehe, wie in der Vergangenheit viele Nazis ohne Bestrafung, Verlust ihrer Reputation oder Reue (gerade auch im ärztlichen Segment) einfach mal weiter machen durften weil eine echte Entnazifizierung nie stattfand, die vereinigten Staaten sich sogar Nazi-Wissenschaftler nach Übersee holten, bleibt festzustellen: Ja, der Geist dieser Zeit lebt weiter, war nie erloschen und nimmt nun wieder Gestalt an. Auf bizarre Weise diesmal in den Hüllen einer identitären Linke, welche mittlerweile die gesamte Linke öffentlich repräsentiert und eines opportunistischen Bürgertums von Antideutschen.

    Da denke ich u.a. an die vier großen Wandgemälde am Denver-Airport, die unter „Esoterikern“ große Abscheu verursachen. In einer Zeit, in der viele Verschwörungstheorien keine Theorien mehr sind, sind solche ekelhaften Bilder vermutlich wirklich politisch motivierte Prophezeiungen.

    1. Im ersten Satz ist ein Fehler (der sich leider auch inhaltlich stark auswirkt): Das Wort NICHT fehlt an entscheidender Stelle.

      Zum Thema Linke könnte ich noch einiges erzählen, aber das hätte mit dem Thema Frieden zwischen Israel und Palästina dann letztendlich überhaupt nichts mehr zu tun. Vielleicht an anderer Stelle.

  5. Sind die folgenden Zitate antisemitisch?
    „Lasst uns heute die Mörder nicht verdammen. Was wissen wir denn von ihrem grausamen Hass auf uns? Sie müssen seit acht Jahren in den Flüchtlingslagern des Gazastreifens leben, während wir, gleichsam unter ihren Augen, das Land, auf dem sie und ihre Vorfahren lebten, zu dem unseren machen…“ (Moshe Dayan, zitiert nach Fischer Weltgeschichte 36 S. 191)
    „Wenn hier Palästina ist, dann gehört das Land dem Volk, das hier lebte, bevor sie gekommen sind. Nur wenn hier Erez Israel ist, haben sie das Recht, in Ein Hakohoresh und Degana zu leben.“
    (Menachem Begin, zitiert nach Fischer Weltgeschichte 36 S. 175)

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