Besuch im polnischen Kohlekraftwerk PGE an der Oder

Der neue Block des Kohlekraftwerks. Bild: PGE

Im Kohlekraftwerk in Oppeln mussten kurz vor dem Fischsterben im neuen Block 5 die Anlagen heruntergefahren werden. Ich sah eine mögliche Verbindung und durfte das Kraftwerk besuchen, wo man sich aber immer an die Umweltanforderungen halte, wie mir gesagt wurde.

 

Eigentlich vermeiden Kraftwerke fremden Besuch, die Anlagen gelten als „kritische Infrastruktur“. Fotografieren ist streng verboten – und das ist überall auf der Welt so. Nicht nur im Kohlekraftwerk in Oppeln (Schlesien), im Elektrownia Opole.

Dass man mir den Besuch gestattet, liegt wohl an den beiden Artikeln, die ich kurz vorher veröffentlicht habe und in denen ich das Werk mit dem Fischsterben in der Oder in Verbindung bringe (Fischsterben in der Oder: Eine Spur führt nach Opole (Oppeln), Stellungnahme des Kraftwerks Opole (Oppeln): „Notfall-Abschaltung bedeutet kein Auslaufen von Flüssigkeiten“)

. Ich erwähne dort, dass in dem neuen Block 5 in der Nacht des 25. Juli und am 1. August die Anlagen herunter gefahren werden mussten: „emergency repair“, heißt es in der mir vorliegenden internen Schadensmeldung. Das Unternehmen – die staatliche PGE (Polska Grupa Energetyczna) – bestätigte mir gegenüber diese Zwischenfälle, wies aber ansonsten darauf hin, sich immer an die „aktuellen Umweltanforderungen der Europäischen Union (zu halten), den sogenannten BAT-Schlussfolgerungen (Beste Verfügbare Techniken), die akzeptable Emissionsgrenzwerte für bestimmte Stoffe festlegen.“

Am vergangenen Dienstag fahre ich um 9 Uhr morgens zum Kraftwerk im Norden von Oppeln. Seit Tagen regnet es, Nebel hängt über den riesigen Türmen, für Mitte August ist es eklig kalt. Der von PGE bestellte Übersetzer Waldemar trifft kurz nach mir ein. Die Damen hinter der Scheibe werfen einen Blick in meinen Pass, aber nicht einmal meine Tasche wird untersucht. Tomasz Gabor, zuständig für Organisation, führt uns in einen Konferenzraum im ersten Stock des Verwaltungsgebäudes. Der Energietechniker und Lokalpolitiker trägt ein großes Kreuz auf seiner Brust. Er steht der rechtsradikalen Solidarna Polska nahe, einer Abspaltung der PIS-Partei.

Gaby Weber vor dem Kraftwerk.

In Windeseile füllt sich der Raum. Anna bietet Kaffee, gute Laune und eine Übersetzung ins Spanische an. Dann treffen der technische Leiter und der Werksleiter ein, der hier „Bereichsleiter“ genannt wird: Miroslaw Pietrucha, noch bis vor kurzem stellvertretender Bürgermeister von Oppeln. Ein Mann der Politik also. PGE ist ein Staatsbetrieb, und auf den hohen Posten landen Politiker.

Als Erstes wird man mir ein Video über die hohen Sicherheitsstandards vorführen, die für das Kraftwerk gelten. Es stehe für 8 Prozent des nationalen Energieaufkommens. Danach werden wir einen „technischen Spaziergang“ machen, damit ich mir einen Eindruck von der gesamten Produktion verschaffen kann. Wir werden den neuen Block 5 besichtigen und sogar sein Heiligtum betreten – ein wahres Privileg. Denn hier herrscht das BRAVO Alarm System.

Block 5? Da waren ja die beiden Zwischenfälle Ende Juli und am 1. August? Keine Antwort. Ist die Anlage nicht gerade erst von General Electric gebaut worden? Ja. Und es gebe noch Garantie. Aha, interessant das mit der Garantie. Auf welche Teile, für welche Ausfälle und wie lange noch? Das sei wohl unterschiedlich und im Vertrag geregelt. Aber zu diesen Details können sie nichts sagen. Auf gar keinen Fall darf ich fotografieren oder Interviews führen. Man werde sich inhaltlich zu keinen Vorgängen äußern. Nicht einmal Fragen zum Video sind erlaubt. Ich möge mich schriftlich an Sandra wenden. Mit „Sandra“ ist Sandra Apanasionek gemeint, die fähige Presse-Koordinatorin in der Konzern-Zentrale. Ob ich wenigstens ein paar Bilder von dem Video machen darf? Nein, bitte nicht. Sandra werde Material liefern.

„Das hier stand in der Zeitung und betrifft Ihr Unternehmen gar nicht“, versuche ich es und reiche einen ausgedruckten Zeitungsartikel über den Tisch: „Breakdown at a large power plant. Latest carbon block not working.“ Es geht darin um das hochmoderne Kraftwerk Jaworzno, weit weg von hier und betrieben vom privaten Tauron-Konzern. Es habe gerade seinen Betrieb einstellen müssen, nachdem der Hersteller, der in Ratibor ansässige Maschinenbauer Rafako, die polnische Regierung auf erhebliche Sicherheitsrisiken hingewiesen und vor einem „Industrie-Desaster“ gewarnt habe. Das Kraftwerk kaufe eine minderwertige Kohle mit großen Brocken Gestein, denn seit den Sanktionen gegen Russland seien auf dem Weltmarkt hochwertige Rohstoffe sehr teuer geworden – zu teuer für Tauron. Obwohl inzwischen sogar der Schlacke-Entferner („slag remover“) beschädigt worden sei, wolle Tauron den Betrieb unbedingt weiter fahren. Das betreffe PGE nicht, meint der Werksleiter, er könne oder wolle dazu nichts sagen. Sein Unternehmen beziehe hochwertigen Rohstoff aus der Umgebung, der keine technischen Probleme verursache.

Wir trinken unseren Kaffee aus, und dann werden gelbe Westen und Helme verteilt. Man wirft einen Blick auf meine Turnschuhe. Ok, das geht so. Ich wundere mich: Der Werksleiter und sein technischer Chef tragen gewienerte Straßenschuhe.

Wir wollen auf das Dach von Block 5, 122 Meter hoch. Die riesigen Türme wirken imposant und sind mit Musiknoten bemalt. Alle wissen, Kohlekraftwerke sind Dreckschleudern und wahre Klima-Killer, aber aussehen sollen sie wenigstens hübsch.

Wir steigen in den Lastenaufzug. Wieso diese Musiknoten? Pietrucha lächelt. Das sei ein schlesisches Volkslied. Kann er das singen? Klar, sagt er und trällert.

Oben auf dem Dach von Block 5 ist es ungemütlich. Das Kraftwerk besteht aus insgesamt 6 Blocks, erklärt man mir, vier ältere und zwei neue, letztere gebaut von General Electric. Die Asche wird gesammelt und nach der Verbrennung Beton beigemischt. Unter uns befindet sich der Elektrofilter von Block 5.

Kühltürme des Kraftwerks. Bild: G. Weber

Der Nebel verhindert die Sicht auf die Oder, die weniger als einen Kilometer von hier fließt. Dort wird das Kühlwasser abgelassen? Ja, aber es gelten die höchsten Sicherheitsstandards. Das Wasser entnehme man nicht der Oder, sondern einem Nebenarm, dem Malapane (Mala Panew auf polnisch), der hier in die Oder einmünde. Trotz schlechter Sicht steht eines fest: Auf Werksgelände oder der Umgebung befindet sich keine Talsperre oder Stausee, der die Flutwelle in der Oder Anfang August ausgelöst haben kann.

Ich frage erst gar nicht nach dem, was Nachbarn dem Pfarrer vor Ort erzählt haben: dass nämlich nach dem ersten Unfall, als in Olawa (wenige Kilometer hinter der Malapane-Mündung) die ersten toten Fische in der Oder aufgetaucht waren, plötzlich eine ganze Mannschaft vom nationalen Wasserwerk Wody Polskie am Oderstrand aufgetaucht war. Mit großem Aufwand entnahmen sie dort Proben, wo PGE sein Abwasser in die Oder lässt. Das war keine Routine-Untersuchung gewesen, die ohnehin selten durchgeführt werden, erzählten sie dem Pfarrer, und der berichtete davon der Kurie in Oppeln. Und dort erfuhr ich davon. Der lokale Pfarrer bestätigte die Berichte und wünschte mir guten Erfolg bei meiner Recherche. Ich habe Sandra noch am Abend nach dieser Untersuchung gefragt.

Wir fahren wieder in den Heizraum hinab. Alles ist sauber, keine Spuren einer Havarie oder eines platzenden Kessels. Alles funktioniert am Schnürchen, es scheint, man hat sogar Staub gewischt.

Wir laufen entlang der Strömung des Wasserdampfes, erklärt der Werksleiter. Links sind die Wassertanks, es ist ein geschlossener Kreislauf. Im Kessel wird das Wasser erwärmt, es entsteht Dampf, der in die Turbine (mit einer maximalen Temperatur von 600 Grad) geleitet wird. Hier entsteht die mechanische Energie, die am Ende ins Stromnetz eingespeist wird. Wir stehen vor dem Generator. Und schließlich landen wir im Steuerraum für Block 5 und 6, die beiden neuen Blocks. Die vier alten werden von einem anderen Kontrollraum überwacht.

Im Steuerraum für die beiden neuen Blocks (jeweils 905 Megawatt) sitzen nur sechs Techniker, die auf die Bildschirme starren. Es wird im Schichtbetrieb gearbeitet, 24 Stunden am Tag. Ob diese moderne Technik nicht auch anfällig für Störungen sei? Nein, meint der Schichtleiter, im Gegenteil. Die Technik sei sicherer als die Menschen.

Auf jeden Fall hat Sandra versprochen, meinen Fragenkatalog spätestens am Montag zu beantworten. An diesem Tag trifft sich der deutsch-polnische Umweltrat, um über das Fisch-Sterben in der Oder zu debattieren.

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5 Kommentare

  1. Laut allgemein Nachrichten sind nur Fische, Wasserschnecken Muscheln, Krebse, und Amphibien betroffen. Keine Säugetiere und Vögel. Die Behörden werden schon wissen warum sie die Gefahren/Ursache verschweigen. Und wie sieht es mit den Insekten/Spinnen aus, die im Oder-Wasser leben?

  2. Wovon handelt der Artikel? Darüber, dass das Kraftwerk Sie auf das Gelände gelassen hat, damit Sie mit eigenen Augen sehen können, wie es funktioniert? Haben Sie dort Unregelmäßigkeiten festgestellt? Niemand außer Ihnen bringt dieses Kraftwerk mit dem in Verbindung, was an der Oder passiert ist – was wollen Sie beweisen? Sie wissen nicht viel über Energie und machen Journalismus zu diesem Thema – es sieht schlecht aus. Kraftwerksblöcke schalten häufig ab und das hat nichts mit Flusswasser zu tun.
    Ein Artikel wie aus einem minderwertigen Blog eines 15-jährigen Mädchens, das weiß, dass es Strom zu Hause hat, aber keine Ahnung hat, wie dieser produziert wird.
    Warum haben Sie außerdem das Kreuz um den Hals des Kraftwerksarbeiters erwähnt? Sie haben kommentiert, wie du aussiehst?

  3. „Auf Werksgelände oder der Umgebung befindet sich keine Talsperre oder Stausee, der die Flutwelle in der Oder Anfang August ausgelöst haben kann.“

    Es gab keine Flutwelle in der Oder.

  4. Das Bild zeigt keine Kühltürme…

    Es ist bitter, dass das ansonsten gute intellektuelle Niveau dieser Seite durch solche vollkommen unqualifizierten Beiträge heftigst herunter gezogen wird.

    Der Artikel liefert jedem Kritiker der Seite die beste Munition auf dem Silbertablett.

  5. Für was ist ein Elektrofilter denn gut? Mich würde auch interessiere ob er noch in anderen Bereichen zum Einsatz kommt. Die Kraftwerke sehen schon beeindruckend aus. Sind denn alle noch im Einsatz?

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