Das Bundesinnenministerium sieht keinen Bedarf zur Registrierung der hier ankommenden Ukrainer, die Bundespolizei warnt vor einer Wiederholung der Fehler von 2015, Arbeitgeber aus der Pflege- oder IT-Branche frohlocken.
Rund 3,6 Millionen Menschen sind bisher vor dem Krieg in der Ukraine geflohen; über 230.000 von ihnen sind in der BRD angekommen und wurden registriert, ein Bruchteil von denen, die in der Zukunft noch erwartet werden. Die Zeit spricht heute von „gigantischen Herausforderungen für Deutschland“, die Süddeutsche verortet „Deutschland schon an Grenzen“. Das Bundesinnenministerium sieht die Sache einerseits entspannt und andererseits keinen Bedarf zur Registrierung der hier ankommenden Ukrainer, die Bundespolizei warnt vor einer Wiederholung der Fehler von 2015, Arbeitgeber aus der Pflege- oder IT-Branche frohlocken, weil die ukrainischen Kriegsflüchtlinge zeitnah eine Arbeitserlaubnis bekommen und ukrainische Offizielle stellen Forderungen. Eine rechte Kakophonie also, die gerade deshalb gut zur Gesamtlage passt …
Der Ansatz des BMI: Wer braucht schon Daten, wenn er Flüchtlinge hat?!
Das effektive Management der Einreise, Unterbringung und Versorgung von zigtausenden von Kriegsflüchtlingen verlangt belastbare Daten: Wie viele und welche Menschen? Welche Altersgruppen? Mit welchem Schutzstatus? Welchem Unterstützungsbedarf? Wer will und wer wird voraussichtlich bleiben? Wer soll so bald wie möglich zurückgehen ins Heimatland? Wer will und wer kann hier arbeiten? usw. usw.
Dem Bundesinnenministerium des Innern (BMI) kommt dabei eine Schlüsselstellung zu: Denn es ist sowohl die dienstaufsichtsführende Behörde für die Bundespolizei (BPol), die die allein zuständige Polizeibehörde für die Kontrolle von Einreisenden an den Grenzen ist. Als auch für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und seine diversen Außenstellen. Die zusammen mit den Ausländerbehörden der Städte und Kommunen zuständig sind für die behördliche Bearbeitung von Ausländern, die in Deutschland leben, Unterstützung benötigen und ggf. auch arbeiten. Wobei – interessanter Weise – das BAMF mit den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine gar nicht so viel zu tun haben wird, wie die folgenden Sachverhalte zeigen. Denn die müssen, anders als die Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, dem Irak oder anderen Ländern ab 2015 gar keine Asylanträge stellen, die das BAMF zu prüfen hätte.
Umso erstaunlicher ist, dass das Bundesministerium des Innern aktuell eine bemerkenswerte Nonchalance an den Tag legt, wenn es um die Registrierung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine geht. Ukrainische Staatsangehörige werden direkt bei der Einreise i.d.R. gar nicht registriert. Und wer nach der Einreise wohin weiter reist oder bei wem unterkommt, interessiert die Innenministerin offensichtlich auch nicht.
Heute hätte man, im Vergleich mit der „Flüchtlingskrise“ ab 2015, die technische und personelle Ausstattung für die Registrierung. Man sieht aber anscheinend noch immer keine Notwendigkeit für solche Daten. Liegt es daran, dass es letztlich Aufgabe der Länder und Kommunen ist, die dann hier lebenden Menschen auch zu versorgen? Und der Bund jedenfalls finanziell und personell daher relativ ‚fein raus‘ ist, wenn die Leute erstmal im Lande sind?!
EU-weite Rechtsgrundlagen für den Schutz und die Versorgung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine
Anders als die Flüchtlinge der Jahre 2015ff, die meist keinen Pass dabei hatten und die einen Asylantrag stellen mussten, haben die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine einen anderen rechtlichen Status. Denn ihre Ausgangssituation schon vor dem Beginn des Krieges war eine andere:
EU-Visum-Verordnung: Visumfreie Einreise und Kurzzeit-Aufenthalt
Angehörige von Staaten, die nicht zum Schengen-Raum gehören, benötigen auch für eine Kurzzeit-Einreise in ein Land des Schengen-Raumes „eigentlich“ ein Visum, das vor der Reise beantragt und vom Zielland bewilligt werden muss. Dieses Visum wird in den Reisepass des Antragstellers eingestempelt.
Mit der EU-Verordnung 2018/1806, der so genannten EU-Visum-Verordnung wurden die Länder festgelegt, für die diese Visumpflicht weiterhin gilt und eine Reihe von Ländern, die davon ausgenommen sind.
Die Ukraine gehört neben vielen Nicht-EU-Ländern Europas, Australien und Neuseeland, den Vereinigten Staaten von Amerika und Staaten aus Mittel- und Südamerika zu den von dieser Visumpflicht befreiten Ländern. Das hat zur Folge, dass ein Passinhaber aus einem dieser Staaten sich in einem Zeitraum von 180 Tagen bis zu 90 Tage visumfrei im Schengen-Raum aufhalten darf.
EU-Massenzustrom-Richtlinie: Vorübergehender Schutz für Kriegsflüchtlige
Schon 2001 hat die Europäische Gemeinschaft in Folge des Krieges in Jugoslawien die so genannte Massenzustrom-Richtlinie verabschiedet:
- Damit soll erreicht werden, dass im Fall eines Massenzustroms von Vertriebenen / Kriegsflüchtlingen die dadurch auf die Aufnahmeländer zukommenden Belastungen ausgewogen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden und
- es wurden einheitliche Mindeststandards für die Gewährung vorübergehenden Schutzes für Kriegsflüchtlinge durch alle Aufnahmeländer im Falle des Massenzustroms festgelegt.
Finanzielle Unterstützung erhalten die Mitgliedsstaaten aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU.
In den 21 Jahren seitdem wurde diese Richtlinie kein einziges Mal angewandt.
Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine vom 04.03.2022
Mit dem Durchführungsbeschluss des EU-Rates vom 04.03.2022 setzte der Rat der EU erstmals die Massenzustrom-Richtlinie für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Kraft.
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gehören also nicht zur Kategorie der Asylbewerber bzw. subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des deutschen Asylrechts, sondern genießen besonderen Schutz und haben Anspruch auf Versorgung nach den Regularien der Massenzustrom-Richtlinie.
Die im folgenden dargestellten Sachverhalte beziehen sich auf den Status, der durch diese genannten drei EU-Regularien definiert ist.
Einzelheiten zum Schutz und zur Versorgung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine
Berechtigte Personen
Anspruchsberechtigte für den besonderen Schutz nach der seit 4.3.2022 in Kraft gesetzten Massenzustrom-Richtlinie sind
- ukrainische Staatsbürger, die vor dem 24.2.2022 (Datum des russischen Einmarsches in der Ukraine) ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten,
- Staatenlose oder Angehörige von anderen Drittstaaten, die einen entsprechenden Aufenthaltstitel („Sichtvermerk“) der Ukraine von vor dem 24.2.2022 vorweisen können und sofern sie nicht in der Lage sind, sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurück zu kehren,
- Familienangehörige einer Person der Gruppen 1 oder 2, d.h.
- Ehegatten oder unverheiratete Lebenspartner,
- minderjährige ledige Kinder,
- enge Verwandte (, die in der Ukraine zum gleichen Hausstand gehörten,) u. ä.
Nachweis der Identität bzw. Herkunft
Der Nachweis der Identität bzw. Herkunft erfolgt durch den Reisepass.
Bei der Mehrzahl der Schutzberechtigten handelt es sich um ukrainische Staatsangehörige. Die meisten reisen in kleinen Gruppen ein, häufig z.B. Frauen mit ihren Kindern und ggf. weiteren, engen Verwandten. Mindestens eine Person aus der Gruppe hat i.d.R. einen ukrainischen Reisepass. Deren Anerkennung und Status als ukrainische Staatsangehörige wird auch auf Ehepartner, außereheliche Lebenspartner, minderjährige Kinder und enge Verwandte (aus dem gleichen Haushalt) übertragen, auch wenn diese selbst keinen Pass vorweisen können.
Zum ukrainischen Reisepass
Dabei kann es sich um einen neuen, biometrisch auswertbaren Pass handeln, funktional vergleichbar mit dem modernen deutschen Reisepass. Der Pass enthält ein biometrisches Passfoto, einen Chip mit darauf gespeicherten Identitätsangaben (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, …) und zwar sowohl in kyrillischer, als auch in lateinischer Schrift. Probleme bei der Übertragung in Informationssysteme deutscher Behörden stellen sich daher nicht, da diese mit lateinischen Schriftzeichen arbeiten.
Die modernen ukrainischen Pässen haben einen maschinenlesbaren Chip. Diese Pässe könnten also an den Stationen der Bundespolizei direkt am Einreiseort maschinell gelesen werden. Die dafür notwendige Technik ist „ausreichend“ vorhanden, ebenso ausreichendes, geschultes Personal dafür. Das Einlesen selbst beansprucht ca. eine Minute pro Pass. Im Ergebnis wäre es damit möglich, die Identität jedes Inhabers eines modernen ukrainischen Reisepasses mit vertretbarer Wartezeit direkt in einer Station der Bundespolizei am Einreiseort elektronisch zu registrieren, so Heiko Teggatz auf Presseanfrage von Police-IT am 16. März.
Ältere ukrainische Reisepässe haben keinen maschinenlesbaren Chip. Daher müssten die Daten bei der Registrierung händisch erfasst werden.
Zur späteren vollständigen Identifizierbarkeit werden auch das Passfoto und die Fingerabdrücke in digitalisierter Form benötigt. Dafür ist eine so genannte erkennungsdienstliche Behandlung (=ED-Behandlung) mit Aufnahme der Identitätsangaben (aus dem vorhandenen amtlichen Ausweisdokument = dem ukrainischen Reisepass) und zusätzlich die Aufnahme eines digitalen Lichtbildes und der Fingerabdrücke notwendig.
Im Rahmen der Einreise wäre es sinnvoll, zumindest die Identitätsangaben aus dem Reisepass zu registrieren. Die ED-Behandlung könnte nach der Einreise bei der Aufnahme durch die Ausländerbehörde nachgeholt werden.
Im Idealfall könnte die Bundespolizei diese ganze Einreiseprozedur übernehmen, damit die Ausländerbehörden erheblich entlasten und für ein einheitliches Verfahren für alle Kriegsflüchtlinge ab der Einreise sorgen. Dazu fehlt zur Zeit die Anweisung der obersten Dienstherrin, nämlich der Bundesinnenministerin.
Das Ausländerzentralregister (AZR) als Zielsystem
Als Zielsystem für die Daten der ukrainischen Kriegsflüchtlinge ist ein eigener Pool im ohnehin vorhandenen Ausländerzentralregister (AZR) bestimmt. Was sinnvoll ist, da im AZR Kapazitäten auch für Millionen weitere Datensätze vorhanden sind bzw. vermutlich zeitnah aufgebaut werden können und die Infrastruktur für den Zugriff auf das AZR in den Grenz- und Ausländerbehörden flächendeckend im gesamten Bundesgebiet vorhanden ist.
Kriegsflüchtlinge mit ukrainischer Staatsangehörigkeit …
Anders als die Flüchtlinge der Jahre 2015 und folgende haben die ukrainischen Staatsangehörigen Reisepässe dabei, denn daraus ergibt sich ihr Recht zur visumfreien Einreise. Doch sie werden bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht registriert.
Viele kommen in (von der Bahn gestellten) Zügen über Polen nach Berlin. In solchen Zügen fahren Beamte der Bundespolizei mit. Sie lassen sich die ukrainischen Pässe zeigen, die formell notwendige Einreisebestätigung in den Schengen-/EU-Raum müsste bereits im Ersteinreiseland (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien) in den Pass gestempelt worden sein. Vermutlich kontrollieren sie, ob das Foto zum vorzeigenden Menschen passt – und sie zählen, wie viele Ukrainer im Zug sind (so sagte es am 16.3. die Bundesinnenministerin im Bundestag).
… verlieren sich für die Behörden im Nirgendwo, …
Da ukrainische Staatsangehörige nach aktuellem Recht sich bis zu neunzig Tage nach der Einreise ohne Visum in der Bundesrepublik und EU aufhalten und frei bewegen dürfen, können die Leute am Einreiseort aussteigen und ihrer Wege gehen, auch ohne Registrierung! Sie können abgeholt werden oder sich auf den Weg machen zu Freunden oder Verwandten. „Die haben das Recht, sich frei zu bewegen. Die werden wir …, wenn sie nach Paris oder Madrid weiterreisen möchten, nicht daran hindern wollen.“ So Bundesinnenministerin Faeser am 16.3. im Bundestag [1412A].
… wenn sie nicht in einer Erstaufnahmeeinrichtung landen
Nur wer nicht weiß, wo er nach der Einreise unterkommen kann, muss Unterkunft in einer Erstaufnahmeeinrichtung nehmen, die Teil der Ausländerinfrastruktur ist. Dort werden die Neuankömmlinge erstmals registriert. Wer nicht in einer solchen Unterkunft ankommt, von dem weiß zunächst keine deutsche Behörde, wo er/sie sich aufhält.
Der Grund für die Zurückhaltung bei der Registrierung gibt Rätsel auf
Beobachtet man jedoch aufmerksam das servile Verhalten, das viele deutsche Politiker gegenüber den Ansprüchen ukrainischer Offizieller an den Tag legen, kommt der Verdacht auf, dass man sich nicht traut, Registrierungen bei der Einreise vorzunehmen. Möglicherweise, weil es keine Rechtsgrundlage gibt, um die Identität von ukrainischen Staatsbürgern zu erfassen, weil diese doch aufgrund der EU-Visum-Verordnung von 2018 visumfrei einreisen dürfen. Dabei wäre es, jedenfalls nach meinem Verständnis für eine Kooperation zwischen Hilfsbedürftigen und Helfern, nur selbstverständlich, weil pragmatisch und effektiv, dass man alle Ankommenden schon bei der Einreise erfasst. Nicht zuletzt, um deren Versorgung orts- und zeitnah planen und organisieren, eben effektiv managen zu können.
Registrierung nur bei Beantragung weiterer Leistungen
Tatsächlich wird derzeit nur registriert, wer nach der Einreise eine weitere Leistung eines deutschen behördlichen Leistungsträgers in Anspruch nimmt, sei dies Sozialhilfe, medizinische Versorgung oder eine frühzeitige und umfassende Arbeitserlaubnis, verbunden mit einer entsprechenden mehrjährigen Aufenthaltserlaubnis. Das alles sind Leistungen, die die Massenzustrom-Richtlinie vorsieht.
Registrierung bei der Beantragung des Aufenthaltstitels
Eine Registrierung erfolgt bei der Ausländerbehörde, wenn die betreffende Person die für ihren Wohnort zuständige Ausländerbehörde aufsucht und dort einen Aufenthaltstitel im Sinne des vorübergehenden Schutzes (durch die Massenzustrom-Richtlinie) beantragt.
Dauer des vorübergehenden Schutzes
Der ukrainische Pass bringt per se „nur“ die Berechtigung zu einem visafreien Aufenthalt von maximal neunzig Tagen Dauer mit sich. Dieser Zeitraum kann erweitert werden durch einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei der zuständigen Ausländerbehörde: Und zwar zunächst auf eine Gültigkeit von einem Jahr, verlängerbar auf bis zu zwei Jahre bzw. mit erneutem, qualifiziertem EU-Beschluss des EU-Rates auf maximal drei Jahre.
Der entsprechende Antrag kann frühzeitig, also nicht erst mit dem Ablauf der Neunzig-Tage-Frist gestellt werden, um entsprechend früher eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, weil nur damit die Aufnahme einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit möglich ist.
Aufenthalts- und sofortige Arbeitserlaubnis
Diese spezielle Aufenthaltserlaubnis nach der Massenzustrom-Richtlinie berechtigt Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine automatisch auch zur Aufnahme einer selbstständigen oder unselbstständigen Beschäftigung; dies wird in der Aufenthaltserlaubnis vermerkt, so dass keine Erlaubnis einer weiteren Behörde erforderlich ist.
Eine Freude für Arbeitgeber
Arbeitgeber, gerade in der Pflegebranche, werden sich darüber freuen. Dieser „Nachschub“ an potenziellen Pflegekräften macht es umso leichter, die eingearbeiteten und deutsch sprechenden Pflegekräfte zu ersetzen, die wegen der zum 16.3.2022 in Kraft getretenen Impfpflicht in ihrem Beruf nicht mehr zur Verfügung stehen. Über die Entlohnung wird man mit den Leuten aus der Ukraine sicher reden können …
Oder auch Arbeitgeber in der IT-Branche. Schon seit Jahrzehnten lassen ja deutsche Unternehmen in der Ukraine Software entwickeln. Auch solche Flüchtlinge mit IT-Kompetenzen werden bei deutschen Auftraggebern gerne gesehen bzw. genommen, um den notorischen Personalmangel in der Branche auszugleichen. Zumal es kaum ein Sprachproblem gibt in diesem englischsprachig geprägten Berufsumfeld.
So gesehen ist der Zuzug von Flüchtlingen aus der Ukraine aus der Sicht solcher Arbeitgeber geradezu ein Glücksfall. Umso glücklicher, dass sich durch die EU-weite Regelung dieses besonderen Kriegsflüchtlings-Schutzstatus auch das rechtliche Problem mit den Arbeitserlaubnissen sehr zeitnah in Wohlgefallen aufgelöst hat.
Sozialleistungen und medizinische Versorgung
Bedürftige Personen aus diesem Personenkreis (nach §24 AufenthG) erhalten Leistungen nach den Asylbewerberleistungsgesetz. Auch dafür ist eine Registrierung in den Aufnahmeeinrichtungen notwendig bzw. bei einer zuständigen Ausländerbehörde. Dort wird eine ‚Ankunfts- bzw. Anlaufbescheinigung‘ ausgestellt, die bei der für die Leistungen zuständigen Behörde vorzulegen ist.
Unterkünfte
Bisher haben die Behörden keinen Überblick darüber, wo sich ein Teil der knapp zweihunderttausend bisher eingereisten Flüchtlinge aktuell befinden. Ein erheblicher Teil scheint bei Familienangehörigen und Freunden untergekommen zu sein, die in der BRD ihren Wohnsitz haben. Ich hörte in einem Radiobeitrag auch von Arbeitgebern, die geflüchtete ukrainische Mitarbeiter ihrer dortigen Tochter- oder Partnerfirmen in ihren hiesigen Betrieb integriert und entsprechend mit Unterkünften versorgt haben.
Andere – und die werden immer mehr – sind auf die Unterbringung durch die Städte und Kommunen angewiesen. Die nachvollziehbar an ihre Grenzen stoßen. Was wiederum zu Unterbringungsangeboten führt, von denen manche aus ganz unterschiedlichen Gründen Probleme aufwerfen:
In Berlin wurde schon nach wenigen Tagen davor gewarnt, dass allein reisende Frauen Risiko laufen, von Menschenhändlern aufgegriffen zu werden oder zu „Privatprostituierten“ gegen das Versprechen einer Unterbringung gemacht zu werde.
Einen ganz anderen Fall berichtet der Merkur aus Oberbayern: In Miesbach drehte ein mit Flüchtlingen voll besetzter Bus aus München vor einer als vorübergehende Unterkunft ausgestatteten Turnhalle wieder um und fuhr zurück nach München. Die Fahrgäste sahen sich getäuscht: Man habe ihnen die Unterbringung in einem 3-Sterne-Hotel versprochen, die Turnhalle wollten sie nicht akzeptieren.
Unabgestimmte Erwartungen
Solche Berichte sprechen für eine unerwartete Anspruchshaltung mancher Kriegsflüchtlinge. Sie mögen angesteckt sein von der Einstellung, dass die Unterstützung für „die Ukraine“ und ihre Bewohner in bzw. durch Deutschland immer Vorrang haben muss vor den hier vorhandenen Kapazitäten, Fähigkeiten und eigenen Interessen von Deutschen.
Was besonders auch daran zu erkennen ist, dass die Forderung von Selenskij in seiner Rede vor dem Bundestag nach einer Flugverbotszone durch die Nato mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Dritten Weltkrieg führen würde und der ukrainische Staatspräsident sich dennoch anmaßt zu verurteilen, dass man in Deutschland nicht freiwillig den wahrscheinlichen Untergang des eigenen Landes bzw. der eigenen Existenz in Kauf nimmt. Und AUS DIESEM GRUND die Forderung aus Kiew nicht unterstützt.
Mit der gleichen einseitigen Einstellung hat er am 17.3. auch die Anwesenden im Bundestag abgekanzelt, dass die Nord Stream-Gasleitung eine „Art von Kriegsvorbereitung“ für Putin ermöglicht habe und es in Deutschland ja ohnehin immer nur um „Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft“ gehe. Er erwähnte nicht, dass auch sein Land für die russischen Gaslieferungen via Nord Stream 1 Durchleitungsgebühren erhält. Auch dass es in Deutschland Millionen von Haushalten gibt, die auf Heizung angewiesen sind, viele davon mit Gas betrieben, muss nach Ansicht von Selenskij oder seinem Botschafter Melnyk in Zeiten wie diesen schon mal zurückstehen. Selbst der ehemalige Bundespräsident Gauck entblödete sich nicht, dies zu fordern, vielleicht, weil er es mit seinen berufsbedingt guten Beziehungen zu höheren Mächten wissen muss.
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ohne ukrainische Staatsangehörigkeit
Neben den Menschen, die aus der Ukraine mit einem ukrainischen Staatsangehörigkeitsnachweis einreisen, gibt es auch solche, die vor Kriegsbeginn in der Ukraine gelebt haben, ohne die Staatsangehörigkeit ihres Gastlandes zu haben. Sie werden nach der Massenzustrom-Richtlinie rechtlich wie ukrainische Staatsbürger als Kriegsflüchtlinge behandelt, wenn sie eine offizielle ukrainische Aufenthaltserlaubnis im Pass ihres Heimatlandes vorweisen können. Oder sogar einen dem gleichwertigen ukrainischen Ausweis besitzen.
Drittstaatler, Staatenlose und Leute ohne Identitätsnachweis
Schwierig wird es bei der Einreise für eine Gruppe von tatsächlichen oder angeblichen Kriegsflüchtlingen, die weder die ukrainische Staatsangehörigkeit noch einen entsprechenden ukrainischen Aufenthaltstitel nachweisen können. Die werden im Zuge der Kontrolle durch die Bundespolizei bei/vor der Einreise festgestellt und behandelt wie alle anderen (Asylbewerber), die eine Einreise in Deutschland versuchen, ohne ein entsprechendes Visum vorweisen zu können.
Sofern es denn Kontrollen durch die Bundespolizei gibt …
Heiko Teggatz, der stellvertretende Bundesvorsitzende der DPolG und Vorsitzende des Zweiges für die Bundespolizei, warnt vor einem Kontrollverlust. Er soll gesagt haben, dass bis zu 40% der Einreisenden unkontrolliert bleiben und wirft der Innenministerin und ihrem Ministerium vor, aus Fehlern von 2015 nichts gelernt zu haben.
So die Aussage des Abgeordneten Dr. Curio / AfD bei der Regierungsbefragung im Bundestag am 16.3.2022. Die Bundesinnenministerin wiegelte bei diesem Argument ab. Es handle sich nicht um 40%, sondern nur um 6%, also gebe es „keinen Grund, das so aufzubauschen, als sei das ein Riesenproblem“. [1407D]
Terrorismus gehört schon nicht mehr zu den Top-Angstmachern
Als Außenstehende können wir weder die eine, noch die andere Zahl nachprüfen. Sollten sich allerdings auch nur die 6% bestätigen, so wären das sechstausend für jeweils hunderttausend Einreisende und damit sechzigtausend bei einer angenommenen Million von ukrainischen Kriegsflüchtlingen.
Das sind relativ viele Leute, über die die Behörden nichts wissen und viel für ein Land, in dem vor Covid-19 und der „Ukrainekrise“ die Angst vor Islamismus und Terrorismus die Top-Position auf der öffentlichen Angstmache-Skala beherrschte. Offensichtlich bewertet man im BMI die seit 2001 so hoch eingeschätzte Gefahr durch mögliche Terroristen in der aktuellen Sachlange inzwischen aber ganz anders als noch vor zwei Jahren.
Was eine frühzeitige und vollständige Registrierung bringen soll
Ich verstehe die Antwort von Teggatz so, dass er erstens warnt vor NICHT KONTROLLIERTEN Drittstaatlern und Staatenlosen und ZUSÄTZLICH von der viel größeren Zahl der NICHT REGISTRIERTEN ukrainischen Staatsbürgern und deren Verbleib. Unterschiedliche Größen also, mit denen auch am 16.3. bei der Befragung im Bundestag die Bundesinnenministerin sehr behende, aber immer wieder missverständlich jonglierte.
Fazit
- Ein klares Bild über die derzeitige Situation in Deutschland mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine erschließt sich für mich nicht. Aktuelle, genaue Zahlen liegen nicht vor, schon gar nicht solche, die eine Planung im Hinblick auf Bedarfsgruppen (z.B. Schüler) ermöglichen oder über aktuelle Zielregionen und wie viele Betroffene sich wo aufhalten. Ob das BMI die Bundespolizei aufgrund einer Fehleinschätzung der Notwendigkeit von Daten nicht ihren Job tun lässt, aus Gründen von Kapazitätsmängeln oder falsch verstandener Sparsamkeit oder aus rechtlichen bzw. politischen Rücksichten gegenüber der Ukraine, bleibt offen.
- Aus nicht bekannten Gründen lässt das BMI die Sache laufen:
Für die Bundespolizei sagt der Verbandsvorsitzende Teggatz, dass sie „sowohl personell als auch technisch in der Lage sei, Abfertigungsstraßen an den Grenzübergängen oder auf den Bahnhöfen einzurichten. Die Kolleginnen und Kollegen dort arbeiteten „hochprofessionell. Die Bundesregierung müsse sie nur ihren Job machen lassen. Und daran hapere es im Moment. (Antwort vom 16.03.2022 auf die Presseanfrage von POLICE-IT).
Die zweite Bundesbehörde im Geschäftsbereich des BMI, nämlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ist – wenn ich das richtig verstehe – weitgehend ‚außen vor‘ in Sachen der Kriegsflüchtlinge. Denn für die große Mehrzahl der Betroffenen, nämlich diejenigen mit ukrainischem Pass, müssen die Ausländerbehörden in den Städten und Kommunen den Löwenanteil der Arbeit leisten, wenn diese Leute kommen und Anträge stellen auf finanzielle Unterstützung, medizinische Versorgung und – das dürfte der Löwenanteil werden – auf die spezifisch für sie geltende mehrjährige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Asyl-Antragsteller, für die das BAMF zuständig wäre, sind ja kaum unter den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. - Die Hilfsbereitschaft in Deutschland ist NOCH beträchtlich – gerade die durch freiwillige Helfer. Das gilt auch für den Einsatz vieler Mitarbeiter in den Behörden und Hilfseinrichtungen der Städte und Kommunen.
Die Kritik des ukrainischen Ministerpräsidenten, zuletzt in seiner Rede im Bundestag, ist wenig förderlich, diese Haltung aufgrund der Verinnerlichung humanitärer Werte aufrecht zu erhalten. Ebenso wenig wie seit Wochen das anmaßende Verhalten des Botschafters der Ukraine in der BRD oder Übergriffigkeiten einer ukrainischen Generalkonsulin, die einen Anspruch einfordert zur Beschulung ukrainischer Flüchtlingskinder nach ukrainischen Lehrplänen. - Ob solches Benehmen richtig ist oder nicht, darüber ließe sich trefflich streiten. Anders als ein solcher Streit, bringt ein Blick auf die Folgen dieses Benehmens allerdings auch weiter: Denn automatisch macht es etwas mit den Rezipienten, also auch mit Ihnen, mit mir und mit vielen anderen Mitmenschen:
Wer glaubt, wie die erwähnten ukrainischen Politiker, dass man mit solchem Verhalten Mitstreiter für sich einnimmt, damit diese sich für die Unterstützung des Beitritts der Ukraine zur Europäischen Union einsetzen oder zur Nato, der hat einige Lernerfahrungen in seinem sozialen Umfeld bisher noch nicht gemacht.
Ein Blick in ein Buch von 1936 aus dem von Selenskij&Co bewunderten amerikanischen Bruderland könnte sich allerdings lohnen: Es heißt “Wie man Freunde gewinnt” und wurde geschrieben von einem gewissen Dale Carnegie. Nach der Lektüre weiß man, dass und wie man Freundschaft und Unterstützung GEWINNEN kann. Dagegen gehören Anmaßungen, Forderungen und überzogene Ansprüche gerade NICHT zum Repertoire von denjenigen, die erfolgreich echte Freunde finden.
Der Artikel von Annette Brückner ist am 17. März auf Police-IT erschienen.
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Meine Güte, gehts nicht kürzer? Ein Riesenschreibaufwand, um irgendwelche formalen Differenzen zwischen der Behandlung ukrainischer und anderer Flüchtender zu erklären, wenn doch die Erklärung ganz einfach ist. Wenn vor westlichen Kriegen geflüchtet wird, sind die Leute unerwünscht und werden nach Strich und Faden schikaniert, wenn es die Kriege der Feinde sind, ältere Beispiele Einnahme Tibets durch China, Aufstand in Ungarn, Prager Frühling, ist alles kein Problem und es wird intensiv in Willkommenskultur gemacht.