„Wir geben nie auf: Weder gegen Covid noch gegen Putin“

 

Connection: „Kriegsdienstverweigerer und Deserteure brauchen unsere Unterstützung. Nein zum Krieg in der Ukraine!“

 

Das Regierungsmitglied Lauterbach stellt einen Zusammenhang her zwischen Corona und Ukraine-Krieg und liegt vermutlich nicht so falsch.

 

Karl Lauterbach, Professor und derzeit Bundesgesundheitsminister, setzte am 4. März 2022 folgenden Tweet ab: „Wir geben nie auf. Weder gegen Covid noch gegen Putin“

Bemerkenswert ist vor allem die Nachricht hinter der Nachricht: Das Regierungsmitglied Lauterbach stellt mit seinem öffentlichen Bekenntnis nach einer Woche Krieg in der Ukraine die Verbindung her mit der Causa Corona. Offenbar sieht er einen Zusammenhang zwischen diesen beiden großen Krisen. Oder handelt es sich etwa in beiden Fällen um Krieg? Ging dem Krieg gegen Putin der Krieg gegen Covid voraus? Warum der Rückgriff auf das ansteckende Virus im derzeitigen Kampf gegen den russischen Aggressor? Ein Freudscher Versprecher? Nach dem Motto: „Kinder und Narren sagen die Wahrheit.“

In einer bestimmten Optik passt der Zusammenhang wie die berühmte Faust aufs Auge. Lauterbach bestätigt mit seinem Satz auch den Eindruck, der einem die Corona-Politik eher wie ein Corona-Regime vorkommen ließ. Mit einer Rhetorik und Logik so kompromisslos wie im Krieg. Wer nicht bedingungslos für die Corona-Maßnahmen ist, ist gegen sie und ist damit ein Gegner und Feind des Abwehrkampfes gegen den todbringenden Eindringling. Wer Kritik übt oder gar demonstriert, gefährdet den Sieg über das Virus. Bereits den leisesten Zweifeln wurde mit einer unerbittlichen Härte begegnet, wie man es so in der Bundesrepublik noch nicht erlebt hatte. Wer sich nicht impfen lässt, riskiert die Volksgesundheit und stellt sich außerhalb der Gemeinschaft. Der Corona-Ausnahmezustand, der im Übrigen nach wie vor Bestand hat, konnte einem wie eine große Übung erscheinen für etwas Anderes, Kommendes.

In der Corona-Politik kann man einen Anschlag auf die Demokratie und das Gesundheitswesen sehen, Krieg ist ein Anschlag auf alles.

Da passt es zusammen, dass der Aggressor bisher ebenfalls ein autoritärer Verfechter repressiver Corona-Maßnahmen war. Nun führt Putin den zweiten Krieg. So wie Lauterbach auf seine Weise. Nach dem gegen Corona jetzt der gegen die Ukraine. Dass der mächtige Präsident Russlands Anti-Kriegs-Proteste in seinem Land mit Rückgriff auf Corona-Ansteckungsgefahren auflösen lässt, erscheint nur folgerichtig.

Auch im Westen wird dieser Zusammenhang hergestellt, wie Lauterbach belegt: Die nationale Front, aufgebaut gegen Corona wie gegen Corona-Kritiker, wird nun im Ukraine-Krieg in Stellung gebracht. Vielleicht war sie ja die Voraussetzung für die schnelle nationale Kriegs-Front. Doch die – und das macht es nun brisant – wird zusätzlich mit dem Bekenntnis zur Bundeswehr, zur Nato und einer neuen teuren Militarisierung verbunden. Bis zum 24. Februar 2022, dem Tag des Überfalls, war das in Deutschland schwer vorstellbar.

Mit der Invasion in die Ukraine ist es „Putins“ Krieg. Mit dem ersten Schuss des Angegriffenen, seiner militärischen Reaktion, wird der selber Teil des Krieges. Das ist die Logik des Krieges. Auch der sich Verteidigende zerstört nun, verletzt und tötet. Zum Beispiel russische Soldaten, die nicht unbedingt freiwillig in den Panzern sitzen. Der Krieg wird ein gemeinsamer. Und der westliche Anti-Kriegs-Protest mutiert zum Pro-Kriegs-Protest.

Lauterbachs Tweet ist so gesehen von unfreiwilliger Ehrlichkeit. Er kämpft jetzt gegen Putin. Und irgendwann, wenn dieser Kampf lange genug läuft, ist es egal, wer angefangen hat. Beide Seiten machen sich schuldig, beide Seiten werden eher Verlierer sein als Gewinner. So weit in der Erkenntnis waren wir schon einmal.

Doch diese Sicht wird angesichts des mörderischen Wechselspiels verdrängt. Nachdem russische junge Männer ukrainische Städte angreifen, dürfen nun ukrainische Männer nicht mehr ihr Land verlassen und ausreisen. Sie müssen ebenfalls kämpfen, müssen im Zweifelsfalle töten oder sich töten lassen. Wo sind die Rechte derjenigen, die das nicht wollen, die in dieser Zeit der Bellizisten jetzt wieder „Pazifisten“ geschimpft werden? Volksverräter, die sich außerhalb der Volksgemeinschaft stellen.

Es gibt Alternativen zum militärischen Widerstand

Dabei liegt in ihrer Haltung möglicherweise eine Lösung, denn es gibt Alternativen zum militärischen Widerstand. Man kann sich zum Beispiel ergeben. Das ist nicht unbedingt angenehm, rettet aber zumindest Leben. Man kann passiven und zivilen Widerstand leisten. Die Menschen können in Massen auf die Straße gehen, mit Blumen in den Händen ihre Waffenlosigkeit demonstrieren, die Soldaten in den fremden Panzern durch Gespräche demoralisieren und wie Sand im Getriebe die Kriegsmaschinerie zum Stehen bringen.

Genau das geschieht auch in mehreren Städten, wenn man den Berichten glauben kann. Wenn dann noch auf der Gegenseite in Russland Anti-Kriegs-Proteste stattfinden, ist eine Alternative zum gegenseitigen Abschlachten erkennbar. Wichtig ist vor allem: Der zivile inner-russische Widerstand muss für den zivilen ukrainischen Widerstand sichtbar sein. Und umgekehrt: Ukrainische Männer, die den Kriegsdienst verweigern, helfen damit russischen Soldaten, aus dem Krieg auszusteigen. Die gegenseitige Ermunterung ist das friedliche Wechselspiel im Gegensatz zum tödlichen Wechselspiel des Krieges.

Die deutsche Kriegsdienstverweigerer-Organisation Connection ruft zur Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren auf beiden Seiten auf. Wörtlich heißt es in ihrem Aufruf: „Unsere Solidarität und Unterstützung gilt allen, die auf welcher Seite auch immer gegen den Krieg aufstehen, zivilen Widerstand leisten und das sofortige Ende des Krieges einfordern.“ In den letzten Jahren seien mehrere hundert Verweigerer aus allen Teilen der Ukraine nach Deutschland gekommen, um hier Schutz vor einem Kriegseinsatz zu finden, so Rudi Friedrich von Connection e.V. Doch die meisten seien in den Asylverfahren abgelehnt und damit einem erneuten Kriegseinsatz ausgeliefert worden. Die Organisation fordert Deutschland und die Europäische Union auf, Flüchtlinge aus der Konfliktregion unbürokratisch und dauerhaft aufzunehmen. Damit sind explizit auch Verweigerer aus Russland oder Belarus gemeint.

 

Jedenfalls ein etwas anderer Appell an die deutsche Regierung als der, Waffen in die Ukraine zu schicken, die allgemeine Wehrpflicht wieder einzusetzen und nach den russischen und ukrainischen Männern nun auch die deutschen auf einen Einsatz vorzubereiten. In Gender-Deutschland natürlich zusammen mit weiblichen Freiwilligen. Vorausgesetzt, die Lage wird nicht benutzt, um nun die Wehrpflicht auf Frauen auszudehnen.

Wer die pazifistische Lösung nicht will, verschweigt sie oder qualifiziert sie ab. Wer deutsche Journalisten aus Russland abzieht und damit nicht mehr über mögliche Anti-Kriegs-Proteste berichten kann, nützt denen, die die militärische Lösung favorisieren, sprich: den Krieg. Anstatt deutsch-russische Städtepartnerschaften aufzukündigen, wie die zwischen Köln und Wolgograd, sollten sie genutzt werden, um gemeinsam friedliche Lösungen zu finden. Russische Literatur oder Wodka aus deutschen Läden zu verbannen, macht die russische Bevölkerung kollektiv und unterschiedslos zu Tätern. Das baut Fronten auf, verneint das Widerstandspotential in Russland und ist das Gegenteil von gemeinsamen subversiven Anti-Kriegs-Aktionen.

100 Milliarden Euro will die Bundesregierung für den Krieg bereitstellen – unter dem Beifall der nationalen Front. Ironie der Geschichte oder düstere Parallele: Auch der „Krieg“ gegen Corona begann mit stark 100 Milliarden Euro mehr aus der Staatskasse. Im März 2020 hieß das Corona-Nachtragshaushalt. Im Februar 2022 heißt es Bundeswehr-Sondervermögen. Heute wissen wir, dass es im Falle Corona am Ende Sonderausgaben von mehreren hundert Milliarden Euro wurden.

Doch noch eine andere interessante Entwicklung kann vermeldet werden: Denn durch den heißen Ukraine-Krieg wurden die Fronten des kalten Corona-Krieges aufgebrochen. Manche Corona-Maßnahmen-Kritiker sind übergelaufen zu den Bellizisten und Militaristen und haben sich nun in deren nationale Front eingereiht. Dort wiederum sind manche ausgeschert und zu Oppositionellen geworden. Mit Bundeswehr und Nato wollen sie keinen Schulterschluss üben und in den Krieg ziehen. Vielleicht spüren sie, dass es einen Zusammenhang geben könnte zwischen Putins Krieg und Lauterbachs Kampf. Vielleicht wird der inner-nationale Frontverlauf nun klarer. Der der militärischen Front in der Ukraine ist es übrigens bisher nicht.

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4 Kommentare

  1. Der Vergleich zwischen Corona-Maßnahmen und Ukraine-Krieg hinkt: Weder besitzt das Virus einen eigenen Willen (nicht mal einen Stoffwechsel) noch sind Armeen für den schonenden Umgang mit der Gesundheit der Bevölkerung bekannt. Vielleicht liegt die Gemeinsamkeit darin, dass es sich in beiden Fällen um staatlich beschlossene und umgesetzte Maßnahmen handelt, die den Betroffenen nicht so recht bekommen. Allerdings ist im Kriegsfall, wie im Beitrag auch ausgeführt, das konsequente Niedermachen des Gegners mit tödlichen Waffen ein wichtiger Bestandteil staatlichen Handelns. Da drückt der eine Staat dem anderen ohne jede Rücksicht seinen Willen auf. Ziviler Widerstand gegenüber hochgerüsteter Militärmaschinerie ist da ein schlechtes Beispiel für eine aussichtsreiche Gegenwehr. Wie soll friedliche Kriegsführung denn gehen? Da sprechen die Waffen. Eine ganz andere Überlegung ist, warum die Russen dort einmarschiert sind und ob im Vorfeld alles getan wurde, um das zu verhindern. Die Nato verfügt ja auch über eine ansehnliche Feuerkraft und schießt, wenn es sein muss, zurück oder überlässt den Ukrainischen Milizen den Job. Wer das überlebt ist Glücksache. An Waffen und Geld dafür solls nicht fehlen.

    1. Nüchtern betrachtet hat die Ukraine keinerlei Chance diesen Krieg zu gewinnen. Sowohl der EU, als auch der NATO Beitritt wurden abgelehnt. Es gibt lediglich zwei Optionen:
      Die Ukraine kapituliert und die gesamte Bevölkerung die jetzt lebt bleibt am Leben.

      Die Ukraine kämpft weiter, unzählige Leute auf beiden Seiten sterben und bekommt am Ende trotzdem die Niederlage.

      Mal ganz abgesehen davon, dass alle freiwilligen Soldaten aus anderen Ländern als Partisanen von Russland behandelt werden.

  2. Ja so siehts aus. Zwei Punkte fallen mir noch ein: Die Westmächte spielen bei den Vorgängen in der U eine Rolle; immerhin hat sich U aus dem Einflußbereich der RF zurückgezogen und alles auf die Westkarte gesetzt mit dem Ergebnis, dass der Staat pleite ist und am IWF-Tropf hängt. Das einzige Interessante an so einem Pleiteland ist aus Westsicht die geostrategische Position an der Grenze zu R – eine brauchbare Vorlage zur Entmachtung der Russen. Das perfide daran: Jetzt erst recht.

  3. Die Massnahmen gegen C-19 als Krieg zu bezeichnen ist schlechte u.s.-amerikanische Tradition. Da hat sich eine Metapher selbständig gemacht.

    Einem ukrainischen einrückend Gemachten würde ich von Desertionsversuchen abraten. Die Wahrscheinlichkeit, dass man damit sein Leben noch schneller verkürzt ist hoch.

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