Will Klitschko eine Mini-Armee in Kiew im Rahmen der „territorialen Verteidigungskräfte“ aufbauen?

Vitali Klitschko erörtert mit anderen Bürgermeisterin sein Konzept der territorialen Verteidigung. Bild: kyivcity.gov.ua

Seit Anfang des Jahres ist das Gesetz „Über die Grundlagen des nationalen Widerstands“ in der Ukraine in Kraft. 130.000 Freiwillige sollen zur Verteidigung ausgebildet werden, Klitschko richtet ein Hauptquartier ein, das Verteidigungsministerium schreit auf.

In der durch das dauernde Gerede von einem unmittelbar oder gleich bevorstehenden Angriff russischer Truppen auf die Ukraine angeheizten Stimmung kommt es zu seltsamen Blüten. Vitali Klitschko, der Bürgermeister von Kiew, der sich über die Weigerung der Bundesregierung echauffiert hat – zuletzt: „5000 Schutzhelme sind ein absoluter Witz“ -, Waffen in das Kriegsgebiet Ukraine zu liefern, sagte in einer Fernsehsendung, er sei bereit gegen Russland zu kämpfen: „Wenn die militärische Aggression beginnt, werde ich als ehemaliger Soldat ein Maschinengewehr in die Hand nehmen und für die Ukraine kämpfen.“

Klitschko hatte nämliches schon mal im Dezember gegenüber Bild erklärt, wo er meinte: „Die Lage ist sehr, sehr ernst“, man müsse auf alle Angriffsszenarien vorbereitet sein. Schon damals plädierte er für Waffenlieferungen und rügte Deutschland. Er organisiere in Kiew den Zivilschutz und rekrutiere Reservisten für die „territorialen Verteidigungseinheiten“.

Der Vorsitzende des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates Alexei Danilov hatte am Montag wie der Rest der Regierung erklärt, es drohe derzeit keine russische Invasion, es sei nicht notwendig, Panik zu schüren. Das wirft die ukrainische Regierung, auch Präsident Selenskij, der US-Regierung und westlichen Medien vor. In dem Kontext kritisierte er auch Klitschko, der mit anderen Bürgermeistern den „Widerstand gegen den Aggressor“ organisieren will. Danilov sagte, dafür gebe es die Armee, jeder solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.

Die „territorialen Verteidigungseinheiten“ sollen lokal Widerstand gegen die erwarteten Besatzer leisten. Sie sind ähnlich den Freiwilligenmilizen, die 2014 entstanden sind.  Das im Juli 2021 verabschiedete Gesetz „Über die Grundlagen des nationalen Widerstands“ ist am 1. Januar in Kraft getreten. Dafür werden 10.000 Soldaten und 1000 Spezialeinsatzkräfte aufgestellt, die den nationalen Widerstand organisieren sollen. Ziel ist es, 130.000 Freiwilligenverbände oder 150 Bataillone mit jeweils 600 Frauen und Männern auszubilden und aufzustellen. Die dürfen (oder sollen) auch ihre privaten Jagdgewehre mitbringen und einsetzen, zur Selbstverteidigung ist ihr „tödlicher Einsatz“ gestattet. Die „territorialen Verteidigungseinheiten“ sind eine eigene Abteilung der Armee, aber Teil der Streitkräfte.

Klitschko hat ein Hauptquartier der „territorialen Verteidigungskräfte“ in Kiew Ende Dezember schon vor dem Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes eingerichtet, die neben Polizei und Militär u.a. Gebäude und Infrastruktur sichern sollen. Er will auch andere Bürgermeister , solche Einheiten aufzubauen.  Strana hegt den Verdacht, dass Klitschko damit seine eigene „Mini-Armee“ aufbauen will. Die mit Jagdgewehren ausgestatteten Territorialverteidiger seien aber kaum in der Lage, das Parlament gegen russische Truppen zu schützen. Das Verteidigungsministerium wittert auch Gefahr und  erklärte, die Einrichtung von Hauptquartieren falle nicht in die Zuständigkeit von Bürgermeistern, sondern sei Aufgabe des Militärs. Die Kommunen haben nur die Aufgabe, Unterkunft oder Versorgung bereitzustellen. Klitschko verstößt damit  gegen das Gesetz „Über die Grundlagen des nationalen Widerstands“.

Auch Valery Zaluzhny, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, sagte, die Festlegung der Struktur des „territorialen Verteidigungskräfte“, des Personals und der Bereitstellung geeigneter Waffen sei Sache der Streitkräfte der Ukraine – und letztlich des Oberbefehlshabers, also Präsident Selenskij, der auch schon verdächtigt wird, damit seine eigene Armee aufzubauen.  Wenn allerdings lokale Behörden die Genehmigung erhalten, so Strana, können sie ihre eigenen Miniarmeen bilden. Die gebe es sowieso noch immer oft und könnten mit dem Gesetz einen offiziellen Status erhalten.

Brisanz hat Klitschkos Vorhaben, weil Selenskij schon seit 2019 versucht, den Bürgermeister abzusetzen. Zuletzt wurde gemunkelt, das sei nun Anfang 2022 geplant. Klitschko ist nicht nur Bürgermeister, sondern auch Leiter der Stadtverwaltung KCSA, was ihm auch die Möglichkeit gibt, vielleicht doch „territoriale Verteidigungskräfte“ aufzustellen. Dass Klitschko nicht nur keine Schwierigkeiten mit der Kooperation mit der rechtsextremen Swoboda-Partei auf dem Maidan hatte, sondern auch Wadim Trojan, den Kommandeur des berüchtigten Asow-Bataillons, zum Polizeichef von Kiew ernannte, macht ihn zu einem Politiker, dem man durchaus den Aufbau einer eigenen Miliz zutrauen könnte.

Bekanntlich war Klitschko, Gründer und Parteichef von UDAR und unterstützt von der Bundesregierung sowie Angela Merkel, einer der wichtigen Köpfe der Maidanbewegung. Er war maßgeblich am Abkommen zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und von neuen Präsidentschaftswahlen beteiligt, um eine friedliche Übergangslösung zu finden. Regierung und Opposition müssen nach dem Abkommen jede Gewalt einstellen, Oppositionelle müssen sich aus den besetzen Gebäuden zurückziehen und die Blockaden abbauen. Das Tragen illegaler Waffen wird verboten.

Präsident Janukowitsch und die drei Oppositionsführer Vitali Klitschko (UDAR), Arseni Jazenjuk (Vaterland und erkorener neuer Regierungschef der USA) und Olej Tjahnybok von der rechtsextremen Partei Swoboda sowie Frank-Walter Steinmeier und Radoslaw Sikorski unterzeichneten das Abkommen in Anwesenheit des russischen Vermittlers Wladimir Lukin. Zurück auf dem Maidan stießen die drei Parteiführer  auf Ablehnung bei den radikalen und rechten Gruppen. Gefordert wurde der unmittelbare Rücktritt von Janukowitsch. Ein Führer des rechten Sektors drohte, das Parlament mit Waffengewalt zu stürmen, wenn der Präsident nicht bis morgen um 10 Uhr vormittags seinen Stuhl räumt.

Unter dem Druck der Straße und der bewaffneten „Selbstverteidigungskräfte“ des Maidan setzte das Parlament Janukowitsch ab, der aus der Ukraine flog. Viele Abgeordneten der Partei der Regionen von Janukowitsch hatten die Kopf über Hals die Partei verlassen. Ein Putsch war es nicht, aber die Androhung von Gewalt seitens der bewaffneten Maidan-Kräfte kann nicht gerade als rechtsstaatliche Lösung betrachtet werden, zumal eine einverständige Übergangsregelung gefunden worden. Der Westen, auch Deutschland und Frankreich, die zusammen mit Polen, das Abkommen zum friedlichen Übergang ausverhandelt hatten, äußerten keine Kritik und waren mit dem Sturz der Regierung einverstanden.

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2 Kommentare

  1. Wie man von Klitschkos Versuch, sich eigne Prätorianer zuzulegen, auf eine lückenhafte Beschreibung des Maidan-Umsturzes kommen kann, ist nur schwer nachzuvollziehen. Dieser war sehr wohl ein Putsch, ein blutiger dazu. Bekanntlich gibt es guten Grund für die Annahme, das zumindest viele der Opfer nicht von regierungstreuer Seite erschossen wurden.

    Darum geht es nun aber nicht, sondern um den aktuellen angelsächsischen Versuch, Russland in einen Krieg mit der Ukraine zu verwickeln, um daraus sein Süppchen zu kochen. Der Krieg wird herbeigeredet, die ukrainische Regierung hält verständlicherweise dagegen, weil das dem Land bereits jetzt grossen wirtschaftlichen Schaden zufügt. Klitschko ist das egal. Wie es sich für einen strammen Rechtsradikalen gehört, versucht er auch Teile der Zivilbevölkerung in einen Krieg zu hetzen, der Russland ein für allemal desavouieren soll. Wie viele dabei ins Gras beissen, ist belanglos.

  2. „Unter dem Druck der Straße und der bewaffneten „Selbstverteidigungskräfte“ des Maidan setzte das Parlament Janukowitsch ab“.

    Da fehlt wohl doch eine Kleinigkeit:

    „Die Verfassung beschreibt präzise die Vorgehensweise bei einer Amtsenthebung. Die politischen Sieger des Maidan-Aufstandes haben jedoch keine einzige dieser eindeutigen Vorgaben im Falle Janukowitschs eingehalten. Es gab keine Untersuchungskommission, es gab kein gerichtliches Urteil zur Bestätigung des Hochverrats oder eines anderen Verbrechens, es gab keine Prüfung durch das Verfassungsgericht und die parlamentarische Drei-Viertel-Mehrheit kam ebenfalls nicht zustande.Rechtswissenschaftler bestätigen diesen Befund.“

    https://www.nachdenkseiten.de/?p=24167

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