Weißes Haus spricht nicht mehr von einer „unmittelbar“ bevorstehenden Invasion

Stryker-Schützenpanzer in Grafenwöhr. Eine 1000 Mann starke Stryker-Kompanie wird nach Rumänien verlegt. Bild: US Army

Die USA schicken 3000 Soldaten an die europäische „Ostflanke“ der Nato. Es gebe keinen konkreten Anlass, wird versichert, statt unmittelbar bevorstehend, heißt es nun: jederzeit möglich.

US-Präsident Joe Biden hat in einem deeskalierenden Schritt, wie dies Wolfgang Ischinger, Leiter der Sicherheitskonferenz,  sehen würde, für den Aufrüstung bzw. Abschgreckung Kriegsverhütung  ist, 3000 Soldaten an die „Ostflanke der Nato“ verlegt. Sie kommen nach Polen, Rumänien und auch Deutschland.

Natürlich geschieht dies rein defensiv, versicherte Pentagon-Sprecher John Kirby: „Die Soldaten werden nicht in der Ukraine kämpfen, sondern die robuste Verteidigung unserer Nato-Alliierten sicherstellen.“ Zusätzlich bleiben 8500 Soldaten in den USA in Bereitschaft. Die USA stünden nicht alleine, Alliierte wie UK, Frankreich, Spanien, Dänemerk und die Niederlande würden ja auch Truppen verlegen. „Die Vereinigten Staaten verfügen bereits über ‚robuste Fähigkeiten‘ in Europa mit etwa 80.000 Soldaten“, sagt das Pentagon. „Die US-Streitkräfte verteidigen den Kontinent gemeinsam mit Hunderttausenden europäischer Soldaten.“ Man könnte dann fragen, warum die 100.000 russischen Soldaten so gefährlich sind?

Kirby machte aber auch deutlich, dass die Nato Aktionen des Pentagon nicht verhindern könne. Das US-Militär entscheide selbständig über Truppenbewegungen oder die Truppenbereitschaft. Truppenbewegungen in einem Land würden „Konsultationen“ voraussetzen, das muss dann wohl keine Einladung sein, soll aber auch nicht nach Genehmigung aussehen. So habe man Rumänien, Polen und Deutschland vor der Ankündigung der Truppenverlegung eben „konsultiert“. Dagegen würden die in Bereitschaft versetzten Truppen, die großteils der Nato Responce Force (NRF) unterstellt würden, unter Nato-Kommando stehen. Der Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) ist allerdings auch ein amerikanischer General.

Er kündigte an, das Pentagon werde je nach Entwicklung weitere Schritte unternehmen. Es könne schnell zu weiteren Truppenverlegungen kommen, auch im Hinblick auf Militärübungen. Was bisher geschehen ist, sei nicht „die vollständige Summe an Abschreckungsaktionen, die wir machen werden, oder an Aktionen, um unsere Alliierten zu beruhigen“. Ausschließen wollte Kirby nicht, dass die zu vielen Missionen fähigen US-Truppen auch in der Ukraine operieren könnten, aber sagte auch, dass die Truppen nicht die Ukraine verteidigen würden. Bislang seien nur Ausbilder der Nationalgarde Florida in der Ukraine.

Deutlich macht Kirby auf die Frage, ob man Hinweise darauf habe, dass russische Truppen Richtung Polen oder Rumänien ziehen könnten, dass man sich alles so offenlässt, um selbst weitere Truppenverlegungen zu legitimieren: „Was wir sehen, ist ein klarer Beweis dafür, dass er jeden Tag damit fortfährt, das Umfeld zu destabilisieren, indem er mehr Streitkräfte in den westlichen Teil seines Landes und entlang Weißrusslands verlegt, zusätzlich zu zusätzlichen Marineaktivitäten im Mittelmeer und im Nordatlantik. Er verschafft sich also eindeutig viele Optionen, viele weitere Möglichkeiten. Zu welchem Zweck genau? Das wissen wir im Moment nicht. Und weil wir nicht genau wissen, was er vorhat, wollen wir sicherstellen, dass wir an der Nato-Front bereit sind, unsere Verbündeten zu verteidigen.“

Auf die Frage, ob Russland die Truppenverlegung nicht als Vorwand nehmen könnte, um gegen die Ukraine vorzugehen, sagte Jen Psaki, die Sprecherin des Weißen Hauses: „Es gibt hier einen Aggressor – und dieser Aggressor ist Russland.  Sie sind diejenigen, die Zehntausende von Truppen an der Grenze zusammengezogen haben.  Sie sind es, die damit drohen, in ein souveränes Land einzumarschieren.  Die Nato ist ein Verteidigungsbündnis.  Die Schritte und Maßnahmen, die wir ergreifen, dienen dazu, unsere Partner in der Region zu beruhigen und in Bereitschaft zu versetzen.“

Die Aggression kann nur von einer Seite ausgehen, so die propagandistische Botschaft. Daher kann auch nur Russland deeskalieren, die USA und die Nato sowie die Ukraine können dies nicht, wird also in die Köpfe der Menschen apodiktisch gehämmert.

Es gebe keinen konkreten Anlass, die Truppen nach Europa zu verlegen, es sei aber keine Frage, so Psaki, dass Russland weiter eskaliert habe. Man schaue halt auf „Ereignisse über die Zeit hinweg“. Vor kurzem hatte Psaki wie andere Vertreter des Weißen Hauses noch gesagt, eine Invasion in die Ukraine stehe „unmittelbar“ bevor. Jetzt will Psaki nichts mehr von dieser Strategie der Spannung wissen. Sie habe es ja nur einmal gesagt, aber man habe es dann nicht mehr verwendet, weil das Putin eine nicht beabsichtigte Botschaft senden würde: „Ich würde sagen, dass wir in den allermeisten Fällen, in denen ich darüber gesprochen habe, gesagt haben: ‚Er könnte jederzeit einmarschieren.‘  Das ist wahr; wir wissen immer noch nicht, dass er eine Entscheidung getroffen hat.“

Und solange Putin keine Entscheidung getroffen hat, solange kann man bei aller Unwissenheit die Spannung aufrechterhalten. Warum die Truppenaufstockung nur nach Deutschland, vor allem aber nach Polen und Rumänien erfolgt sind, nicht aber etwa auch in die baltischen Staaten, wollte Psaki nicht beantworten. Es liegt nahe zu vermuten, dass dies deswegen geschehen ist, weil sich in  beiden Ländern Stützpunkte des amerikanischen Raketenabwehrsystems Aegis Ashore befinden, die schließlich der Nato unterstellt wurden.

Russland vermutet, dass damit auch Tomahawk-Raketen mit einem nuklearen Sprengkopf abgeschossen werden können.  Das Mark 41 Vertical Launch System kann nicht nur zu defensiven Zwecken, sondern auch offensiv eingesetzt werden. Seine nach dem Hersteller Lockheed angepriesene „offene Architektur“ soll viele defensive und offensive Raketen abfeuern können, neben SM-2, SM-3 oder SM-6 beispielsweise auch mit Nuklearsprengköpfen ausrüstbare Tomahawk- Raketen, die eine Reichweite von 1300 bis 2500 km haben. Das Pentagon versichert, das im Aegis-Ashore-System verwendete Mk41 sei nur mit  SM-3-Abfangraketen kompatibel, es gebe  nicht die für Tomahawk-Marschflugkörper notwendigen Feuerleit- und Zielsysteme, das auf Kriegsschiffen verwendete System kann dies aber. Es hängt also davon ab, ob man dem Pentagon Glauben schenken will.

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