Wein braucht es nicht zum Überleben…?

 

Gegen die Monokultur im Weinberg – für bewusstes Riechen und Schmecken

 

Wenn man achtsam schmeckt, spürt man den Unterschied zwischen einem industriellen und einem nachhaltig erzeugten Erdbeerjoghurt. Man fühlt den Unterschied zwischen einem handwerklich gebackenen Brot und einem aufgebackenen Industrieteigling. Ich würde mir wünschen, dass bewusstes Riechen und Schmecken genauso selbstverständlich wie Denken zum Rüstzeug des mündigen Bürgers gehört.

Mein Gebiet sind Weine. Gerade die Rebe als mehrjährige Pflanze und die Traube mit ihren unzähligen Aroma- und Inhaltsstoffen reagieren besonders stark auf nachhaltige Anbaustrategien. In keinem anderen Produkt ist der Unterschied, den bio macht, so zu schmecken wie im Wein. Das fasziniert mich – wie auch die Entwicklung bei den Winzern. Es sind immer mehr Höfe dazugekommen, die zum Beispiel biodynamisch arbeiten. Von Jahr zu Jahr mehr. Nehmen wir das Beispiel Bürklin-Wolf. Weinbauern und Winzer seit 400 Jahren. Die haben nach dem Zweiten Weltkrieg, als niemand mehr deutsche Weine trinken wollte, den industriellen Weg beschritten. Und möglichst verkäufliche Modeweine gekeltert. Heute haben sie sich wieder auf ihre edlen Lagen besonnen und als eines der ersten großen Weingüter auf bio umgestellt. Kein Kunstdünger, keine Chemie, eine neues Verständnis für den Boden, ein Bemühen um Biodiversität, um die Monokultur Weinberg zu durchbrechen, usw. So sind neue Weine entstanden und für die Menschen, die dort arbeiten, ein ganz anderes Lebensgefühl. Ein Leuchtturmbetrieb.

Auch international zieht die Bewegung weite Kreise. Die ganze Crème de la Crème im Burgund ist mittlerweile biodynamisch, auch bei den Champagnern, an der Rhône, Loire, im Elsass, in der Toskana, im Languedoc. Große Veränderungen sind überall im Gang.

Eine fabelhafte Entwicklung, die nichts mit Wollsocken und Latzhosen zu tun hat. Vorbei ist die Zeit, in der Biowein als muffig riechende Brühe neben faulenden Kartoffeln im Bioladen stand. Heute geht es um Handwerk. Die Kunst ist die, im Weinberg so zu arbeiten, dass Trauben wachsen, die in ihrer Zusammensetzung und ihrer mikrobiellen Ausstattung so perfekt sind, dass sie in sich – ohne Zusätze, außer vielleicht etwas Schwefel, was kein Problem ist – einen abgerundeten guten Wein geben. Dann braucht es nur noch Zeit. So kann man auf die vielen, von der Industrie offerierten Kellerhilfsmittel verzichten – auch um Fehler auszugleichen.

Das passt allerdings nicht zu dem Druck, schnell und billig zu produzieren, der viel zu oft in die umweltpolitische Sackgasse führt. Vor allem die Handelskonzerne machen enorm Druck auf die Erzeuger. Jedes Jahr versucht man, den Preis zu drücken. Durch die Konzentration auf der Seite der Handelskonzerne müssen sich die Erzeuger oft auf dieses ruinöse Spiel einlassen. Die Winzer können da nur überleben, indem sie immer mehr aus dem Weinberg herausholen. Ein Teufelskreis, der nur mit Kunstdünger und Pestiziden befeuert werden kann. Was rauskommt, schmeckt natürlich dementsprechend. Und wer redet von den geschundenen Böden, vom Nitrat im Trinkwasser, dem Verlust an Biodiversität, von Insektensterben und all dem.

Das ist einfach ein krankes System.

 

Am 12. April ab 19.00 Uhr sprechen die Winzer Eva Raps und Urban Kaufmann in ihrer Reihe „Boulevard Bio – Dynamisch“ mit Romana Echensperger Master of Wine und dem Autoren des Buches „Köche, hört die Signale“ David Höner über die wichtige Bedeutung der Gastronomie für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Anmeldung zum Zoom Webinar ist per mail ans Weingut info@kaufmann-weingut.de möglich.

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