US-Regierung kritisiert Spanien wegen der politischen Gefangenen

Gefangenen über die Parteigrenzen hinweg, die gerade mal Im Februar forderten die politischen Gefangenen, die gerade Freigang hatten, eine Amnestie. Bild: Marc Puig Perez/ERC

Die Biden-Administration übernimmt die Kritik der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen von katalanischen Aktivisten und Politikern, die katalanischen Unabhängigkeitsparteien sind derweil im Clinch über die Regierungsbildung.

Auch in diesem Jahr hat die Regierung der Vereinigten Staaten ihre Berichte über die Einhaltung der Menschenrechte in den verschiedenen Ländern vorgelegt. Für Spanien wird es angesichts seiner dauernden Menschenrechtsverletzungen auf internationaler Bühne unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden offensichtlich ungemütlicher. Auch die US-Regierung greift nun im Länderbericht zu Spanien die spanischen Menschenrechtsverletzungen an. Im „2020 Country Reports on Human Rights Practices: Spain“ werden klare Sorgen über die Menschenrechtslage in Spanien artikuliert.

Es fällt zum Beispiel auf, was in dieser Rubrik zu lesen ist: „Politische Gefangene und Häftlinge“. Es dürfte einigen in der selbsternannten „progressivsten Regierung“ Spaniens die Zornesröte ins Gesicht treiben – und sollte in der EU zum Nachdenken anregen -, dass nun die US-Regierung die Lesart der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftungen übernimmt.

So werden katalanische Aktivisten und Politiker von der US-Regierung nun wie von der UN als „willkürlich inhaftierte“ politische Gefangene bezeichnet, deren Freilassung die Arbeitsgruppe seit fast zwei Jahren fordert. Die Arbeitsgruppe, auf die sich der Bericht stützt, hat ihre Forderung wiederholt. Krass & konkret hatte über spanische Besonderheiten im Umgang mit der katalanischen Minderheit im Land berichtet.

Ausgeführt wird in der genannten Rubrik zum Beispiel auch, dass sich „am 8. März der UN-Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen besorgt über die Einschränkungen und strafrechtlichen Anklagen gegen katalanische Politiker und Aktivisten der Zivilgesellschaft äußerte, die am ‚Referendum‘ im Oktober 2017 beteiligt waren“. Der Sonderberichterstatter hatte Madrid aufgefordert, sich an die gesetzlichen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte von Minderheiten, einschließlich der katalanischen Minderheit, zu halten. Das wurde insbesondere „in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung, der friedlichen Versammlung, der Vereinigung und der Teilnahme am öffentlichen Leben“ formuliert.

Kritisiert werden lange Inhaftierungen und die späteren Verurteilungen der zivilgesellschaftlichen Aktivisten Jordi Sànchez und Jordi Cuixart. Allerdings werden auch die verurteilten Politiker der von Spanien gestürzten Regierung angesprochen, die „wegen ihrer politischen Ansichten“ eingeschüchtert würden. Ihnen wurde für die friedliche Durchführung einer Volksabstimmung ein gewalttätiger Aufruhr in Spanien angedichtet, wofür sie in einem Schauprozess zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt wurden.

Am Referendumstag am 1. Oktober 2017 gab es tatsächlich Gewalt, allerdings nur von Seiten der spanischen Sicherheitskräfte. Die versuchten brutal, Wähler von der Wahl abzuhalten, wie internationale Beobachter attestierten. Eine Expertengruppe sprach von einer „gut organisierten militärähnlichen Operation“. Real konnte das Referendum aber nicht verhindert werden. Trotz spanischer Gewalt konnten mehr als 2,3 Millionen Stimmen ausgezählt werden. Mehr als 90 % der Teilnehmer stimmten für eine Loslösung vom Königreich Spanien und für eine Republik Katalonien.

Missachtung der Meinungsfreiheit

Der Bericht nimmt in der Rubrik „Meinungsfreiheit“ ebenfalls die Verurteilung der katalanischen Politiker und Aktivisten auf und spricht auch hier von Einschränkungen für die „katalanische Minderheit“. Sie könnten „als Signal“ an den „gewaltfreien politischen Dissens“ auch „anderer Minderheitsgruppen“ dienen, wird erneut der UN-Sonderberichterstatter zitiert. Übersetzungen von wichtigen Teilen des Berichts hat Prof. Dr. Axel Schönberger angefertigt und sie können hier eingesehen werden.

Auch auf das das absurde Maulkorbgesetz, das die sozialdemokratische Regierung eigentlich längst streichen wollte, wird eingegangen. Das sorgte kürzlich für massive Demonstrationen im ganzen Land, da darüber der katalanische Rapper Pablo Hasel wegen angeblicher „Verherrlichung von Terrorismus“ und „Beleidigung des Königshauses“ inhaftiert wurde. In diesem Zusammenhang zitiert die US-Regierung die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die von der spanischen Regierung gefordert hatte, das Gesetz zu reformieren, auch was die Verletzung „religiöser Gefühle“ angeht. Denn das „schränkt die die Meinungsfreiheit unangemessen ein.“ Dass hier die Sozialdemokraten (PSOE) auch dabei ihr Wort brechen, führt auch zu schweren Spannungen mit dem linken Koalitionspartner und Unterstützern.

Kritisiert wird in dem Bericht über die Menschenrechtslage auch „die Zunahme von Hassreden gegen Katalanen als Minderheitengruppe in sozialen und anderen Medien“ nach den Verurteilungen der zivilgesellschaftlichen Aktivisten und Politiker. So sei damit begonnen worden, „Katalanen als Verräter darzustellen, gegen die man hart vorgehen müsse“. Dabei sei zuweilen eine „gewalttätige Sprache“ verwendet worden. Insgesamt wird eine Zunahme von Hassreden auch gegen andere Minderheiten angeprangert.

Wie auch Schönberger feststellt, stellt sich die US-Regierung damit in eine länger werdende Reihe der Kritiker, die sogar bis in den Kreml reicht. Kürzlich hatte der russische Außenminister Sergei Lawrow ebenfalls auf die politischen Gefangenen verwiesen, als der Meister für Doppelstandards und EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Russland wegen der Inhaftierung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny kritisierte und dessen Freilassung forderte.  Zu seiner spanischen Heimat ist von dem Sozialdemokraten keine Kritik zu hören. Er gehört vielmehr zu den Scharfmachern. Der ehemalige Außenminister kooperiert gegen katalanische Unabhängigkeitsbestrebungen auch mit rechten Ultras und  wollte Katalonien sogar „desinfizieren“.

Auch in der EU wird Kritik lauter

Allerdings wird auch in Europa die Kritik an Spanien stärker. Gerade hat sich auch die Menschenrechtskommissarin des Europarates und der Ausschuss für Rechtsfragen und Menschenrechte des Europarates zu Repressalien in Spanien geäußert. Im Bericht zur Lage der Menschenrechtsverteidiger wurde neben Aserbaidschan, Russland und die Türkei auch das EU-Mitgliedsland kritisiert und explizit der politische Gefangene Cuixart benannt. Der Präsident der Kulturorganisation Òmnium Cultural, die „1961 unter der Franco-Diktatur gegründet wurde“, wurde ebenfalls wegen angeblichem Aufruhr zu neun Jahren Haft verurteilt.

Wie belgische Gerichte, die sich weigern, katalanische Exilanten auszuliefern, wird auch hier kritisiert, dass das Recht auf einen gesetzlichen Richter darüber ausgehebelt wurde. Denn auch Cuixart wurde nicht vor ein katalanisches Gericht gestellt, sondern vor den Obersten Gerichtshof in Madrid, womit auch die Berufungsinstanz entfiel. Er wird als Beispiel genannt, „dass Menschenrechtsverteidiger noch immer Repressalien und Einschüchterungen ausgesetzt sind“.

All das hätte das Europaparlament beherzigen sollen, als es kürzlich dem Exilpräsidenten Carles Puigdemont und zwei Mitstreitern die Immunität aberkannte und damit den Weg, allerdings mit einer nur knappen Mehrheit, dafür freigemacht hat, dass sie an Spanien ausgeliefert werden könnten, statt sie vor politischer Verfolgung zu schützen.  Allerdings wird das mit größter Wahrscheinlichkeit erneut an der belgischen Justiz scheitern, die nun zu entscheiden hat.

Die Parteien, die die Unabhängigkeit anstreben, sind untereinander zerstritten

Eine wirklich abschreckende Wirkung hat das spanische Vorgehen ohnehin nicht. Die Zahl derer, die für eine Republik Katalonien eintritt, wächst weiter. Bei den Wahlen im Januar brachten die Parteien, die klar für dieses Ziel eintreten, erstmals 52% der Wähler hinter sich.  Allerdings zeigen die sich untereinander, anders als beim Referendum 2017, nun zerstritten. Am Dienstag gelang es dem knappen Wahlsieger auch im zweiten Wahlgang nicht, ihren Kandidaten Pere Aragonès durchzubringen. Die Puigdemont-Partei traut der Republikanischen Linken (ERC) nur noch bedingt und enthielt sich zunächst.

Junts (Gemeinsam) drängt auf ein umfassendes Abkommen, das auch eine gemeinsame Vorgehensweise in Madrid vorsieht, um ständigen Streit zu vermeiden, der in den vergangenen beiden Jahren oft aufgeflammt ist, als noch Junts die Regierung führte. Dass die ERC die spanische Regierung trotz der anhaltenden Repression stützt, ihr auch zu einem Haushalt verholfen hat, obwohl die Sozialdemokraten auch den versprochenen Dialog zur Lösung des Konflikts mit Katalonien real nie umgesetzt hat, sorgt für Unmut.

Unterstützt wird die ERC bisher, allerdings auch mit großen Vorbehalten, nur von der linksradikalen CUP. Aber auch die Basis der Antikapitalisten fordert deutliche Verbesserungen an dem Minimalabkommen, das eilig mit der ERC vereinbart wurde. Nun kann noch bis zum 26. Mai ein Abkommen ausgehandelt werden, da es sonst automatisch zu Neuwahlen kommt.

Da die drei Unabhängigkeitsparteien zu einer Kooperation verdammt sind, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit eine von der ERC geführte Regierung geben, da niemand neue Wahlen will. Junts verlangt von der ERC, sich zu verpflichten, in Madrid und im Ausland für ein unabhängiges Katalonien entschiedener einzusetzen. Im Abkommen mit der CUP wird das nur wachsweich benannt und ohne Zeitplan von einem neuen Referendum gesprochen.

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