Ukrainische Kampfhubschrauber konnten unbehelligt Öldepot in Russland angreifen

Bild: Semnnasem

Offenbar konnte die Mission die russische Flugabwehr austricksen. In Russland wird das als Propagandaerfolg für die Ukraine gesehen, aber nicht als militärisch bedeutsam.

Es wäre eine gefährliche Provokation, wenn tatsächlich zwei tieffliegende ukrainische  Mi-24 Hind-Kampfhubschrauber am Freitag um fünf Uhr morgens in den russischen Luftraum einflogen und ein angeblich rein ziviles Treibstofflager in der russischen Stadt Belgorod beschossen hätten, was zu einer Explosion und zu Bränden in acht Tanks führte. Es wäre der erste Angriff des ukrainischen Militärs auf russischem Territorium und seit Jahrzehnten, wahrscheinlich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs überhaupt der erste Luftangriff auf Russland.

Wenn es sich tatsächlich um einen Angriff aus der Ukraine handelte, hätten die Hubschrauber es geschafft, die russische Flugabwehr sowohl beim Einflug als auch beim Rückflug auszutricksen. Es wäre eine Kamikaze-Mission gewesen.  Das russische Militär lässt sich über Einzelheiten (noch?) nicht aus, also auch nicht darüber, woher die Hubschrauber kamen, um das nördlich von Charkiw, gerade einmal 30 km von der Grenze entfernt liegende Belgorod anzugreifen, und wohin sie zurückflogen und auch nicht in der Ukraine abgeschossen wurden. Die Grenzregion in der Ukraine wird vom russischen Militär kontrolliert, an der Grenze ist russisches Militär stationiert, man kann davon ausgehen, dass hier auch zahlreiche Luftabwehrsysteme vorhanden sind.

Wjatscheslaw Gladkow, der Gouverneur der Region, berichtete, es habe am Nachmittag weitere Explosionen in der Nähe von Dörfern gegeben, es sei aber niemand verletzt worden. Er veröffentliche ein Foto von einem Einschlagkrater auf einem Feld. Beim Angriff auf das Treibstofflager, dokumentiert durch eine Überwachungskamera und andere Videos, seien zwei Mitarbeiter verletzt worden. Einige Menschen, die im Umkreis des in einem Wohngebiet am Stadtrand gelegenen Treibstofflagers leben, seien evakuiert worden. Nach lokalen Medienberichten löste der Angriff Beunruhigung aus.

Falls es wirklich ukrainische Hubschrauber waren, könnte es eine Reaktion auf die russischen Bombardierungen von Treibstofflagern sein. Schleierhaft bliebe trotzdem, ob die weiteren Explosionen etwas damit zu tun haben und was diese bezwecken sollten. Geht es um die Drohung, dass der Krieg von der Ukraine auch auf Russland übergreifen könnte? Angesichts der weitgehend ausgeschalteten ukrainischen Luftwaffe erscheint dies kaum möglich zu sein, auch wenn Donezk und Lugansk, auch Wohngebiete, immer wieder seit 8 Jahren von ukrainischen Truppen mit Artillerie beschossen werden (was nebenbei auch Kriegsverbrechen wären, die aber niemanden im Westen zu interessieren scheinen).

Da immer wieder von der Ukraine und dem Westen davor gewarnt wurde, dass Russland False-Flag-Aktionen plane, könnte der Angriff auf das Öldepot ein solcher sein, aber großen Sinn würde das nicht machen, würde aber erklären, warum die Hubschrauber, die vielleicht in der Ukraine erbeutet wurden, unbehelligt fliegen konnten. Russland macht die Ukraine dafür verantwortlich. Kreml-Sprecher Peskow sagte, der Angriff werde die Verhandlungen mit der Ukraine nicht gerade fördern. Er fügte hinzu, was dann doch angesichts des Vorfalls seltsam ist, dass die russische Lufthoheit in der Ukraine ein „absoluter Fakt“ sei.

Der russische Militärexperte Alexei Leonkov sieht hinter dem Angriff die Nato: „Der Hubschrauberangriff ist eine geplante, koordinierte Operation, an deren Vorbereitung die Geheimdienste der Nato-Staaten beteiligt waren. Die Nato lieferte Informationen über die russischen Luftverteidigungssysteme, die in der Flugzone operieren. Ich denke, dass Nato-Experten eine Route festgelegt haben, auf der Hubschrauber unter Nutzung des Geländes die russische Grenze überquerten und das Öldepot angriffen. Sonst könnten Helikopter unser Territorium nicht durchdringen. Sie kannten die Situation. Und Informationen über die Situation wurden ihnen vom US-Weltraumgeheimdienst gegeben.“

Die Nato-Informationen über die russischen Flugabwehrsysteme würden auch erklären, warum ein oder zwei Hubschrauber, die wichtige Personen aus Mariupol abholten, nicht abgeschossen wurden. In einem abgeschossenen Hubschrauber befand sich der Vize-Asow-Kommandeur von Mariupol. Hubschrauber benötigen keinen Flugplatz zum Starten und Landen und wenn sie so tief fliegen können wie MI-24, könnten sie bei weitreichenden Flugabwehrsystemen wie Pantsir oder S-400 in einen toten Bereich fallen, weil diese erst ab einer gewissen höhe Ziele erfassen würden. Flugabwehrsysteme wie Tor-M2 mit einer mittleren Reichweite könnten auch sehr tief fliegende Objekte erfassen und zerstören.

Der russische Militärwissenschaftler Konstantin Sivkov meint auch, dass der Angriff durch ausländische Berater ermöglicht wurde. Der Angriff habe militärisch keine große Bedeutung, aber er sei wichtig für die ukrainische Propaganda. Aber der Angriff sei auch ein Hinweis, dass die Flugabwehr- und Radarsysteme eine geringe Höhe nicht abgedeckt hätte.

Es war aber nicht der erste Angriff. Es seien bereits am 24. März Dörfer in der Region beschossen worden, wobei es Schäden an Gebäuden gegeben habe.  Vor kurzem gab es einen Brand in einem Munitionsdepot und eine Rakete ist auf einem Flugplatz eingeschlagen. Und es gab Explosionen. Auf jeden Fall war es ein weiterer Sieg der Ukraine im Medienkrieg, der zeigte, dass der Widerstandswille groß ist, die militärischen Kapazitäten noch nicht ausgeschöpft sind und es möglich scheint, den Krieg in die russischen Grenzregionen auszuweiten.

Die ukrainische Führung beutet den Angriff nicht direkt aus, sondern fährt im Augenblick noch die Strategie, die man von Israel kennt. Der Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums, Oleksandr Motuzyanyk, wollte weder bestätigen noch abstreiten, dass es ukrainische Hubschrauber waren: „Ich möchte betonen, dass der ukrainische Staat derzeit eine Verteidigungsoperation durchführt, um die bewaffnete russische Aggression auf dem Territorium der Ukraine abzuwehren. Und das bedeutet nicht, dass die Ukraine für alle Fehlkalkulationen, für alle Katastrophen und alle Ereignisse in Russland verantwortlich sein sollte. Das ist nicht das erste Mal, dass wir solche Anschuldigungen sehen. Deshalb werde ich diese Informationen weder bestätigen noch dementieren.“ Das wiederholte auch der ukrainische Außenminister Kuleba.

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7 Kommentare

  1. Nicht einmal 24 Stunden später reagierten die russischen Streitkräfte auf den Angriff.
    Generalmajor Igor Konaschenkow, Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, erklärte heute, die Ukraine habe die einzige Ölraffinerie des Landes in Krementschuk verloren. Auch zwei Mi-24-Hubschrauber wurden abgeschossen, möglicherweise dieselben, die am Vortag bei Belgorod geflogen waren.

    Die Raffinerie Krementschug ist eine strategische Einrichtung für die Ukraine. Der hier produzierte Treibstoff wurde als Brennstoff für militärische Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte (AFU) verwendet. Diese Raffinerie gehörte übrigens dem Oligarchen Kolomoysky, der auch die nationalistischen Bataillone großzügig finanziert hat.

  2. Ob es wirklich 2 Hubschrauber waren bleibt bislang unbewiesen – aber es funktioniert wieder mal nach dem erprobten Muster: Setze eine Behauptung ohne Zeitverzug in den öffentlichen Raum, und schon reflexartig brabbeln es die Medien nach.
    Belgorod liegt etwa 50 km von der Staatsgrenze entfernt – da braucht so ein Hubschrauber schon insgesamt für Hinundzurück dann knapp 1 h – da müsste dann die russische Luftraum Überwachung unverantwortlich gepennt haben.
    Vielmehr kann dieser Angriff auf das Tanklager auch von einer kleinen konspirativen Sabotagetrupp ausgeführt worden sein – Anschleichen … Zuschlagen … Abhauen .

    1. Naja, ganz so langsam sind dann MI-24 doch nicht (kenn ich aus eigenem Erlebnis). Knapp 300 km/h Reisegeschwindigkeit, da braucht man für die (gestern hieß es 40 km von der Grenze) 80 km insgesamt keine 20 min. Und die geringe Flughöhe ist natürlich auch noch ein Vorteil der Hubschrauber.

  3. Ich denke das, was zu den Nato-Hilfen bei der Routen Festlegung gesagt wurde, ist nachvollziehbar. Da können die Russen von Glück sagen, dass es nur ein paar Öltanks erwischt hat, das Wichtige daran ist nicht, ob es „gerächt“ wurde, das wichtige ist das erkannt wird das es Lücken gibt die zu schließen sind. Was in einem Krieg zu tun ist, erfährt das Militär nur im Krieg, warum sollte es sowas bei einer Übung passieren, wo alle auf den Feierabend warten.

  4. @ Thomas, auch wenn die Konstruktions Geschwindigkeit mit 330 kmh angegeben wird, ist das als Geschwindigkeit mit Waffenlast und im Tiefflug absolut unmöglich.
    Mein Nachbar war beim MFG5, und der hat auch Bedenken, denn die Flugstrecke setzt sich ja nicht nur aus der über Russland zusammen, sondern auch aus dem Weg über einen breiten Streifen bereits besetztes Gebietes. – Außerdem haben die Beiden die Stadt Charkiw irgend wie unbemerkt passieren müssen – und das alles im Tiefflug in dunkler Nacht – das müssen Kunstflieger gewesen sein – wie einst der Mathias Rust, der ja auch auf dem roten Platz landen konnte nachdem er die gesamte russische Flugüberwachung überlistet hatte.

  5. Es handelt sich um russische Technik, die Offensivmöglichkeiten dieser Hubschrauber ist also begrenzt, da kein neues Material oder Ersatzteile mehr reinkommen. Außerdem werden die Russen die Lagerbestände für die Hubschrauber zerstört haben. Es dürfte also nur ein Nadelstich sein, eine Art Achtungserfolg, mehr ist das aber nicht. Im Prinzip also eine sinnlose Gefährdung von Menschenleben, da es militärisch ohne Bedeutung ist.

  6. Da von ukrainischer Seite dieser „Angriff“ in keinster Weise propagandistisch ausgeschlachtet wurde, habe ich an der Darstellung etwas Zweifel….

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