Treffen Lawrow und Blinken: Showdown oder Beginn eines Dialogs

Was für eine Inszenierung. Putin empfängt 20 neue Botschafter. Seine Botschaft an Biden zum Beginn eines Dialogs:“Im Dialog mit den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten werden wir auf der Ausarbeitung konkreter Vereinbarungen bestehen, die eine weitere Osterweiterung der NATO und die Stationierung von Waffensystemen, die eine Bedrohung für uns darstellen, in unmittelbarer Nähe des russischen Territoriums ausschließen.“ Das klingt nachvollziehbar. Bild: Kreml

Im Vorfeld des Nato-Treffens und des geplanten Treffens Biden-Putin wurden Vorwürfe, Drohungen und Desinformation hochgefahren,  die Spannung und Unsicherheit in der Ukraine ist groß. Der hochgepuschte Konflikt könnte inszeniert sein, um eine bessere Ausgangsposition für einen Dialog zu erzielen.

 

 

Gestern wurde bekannt, dass nach den wochenlangen Brandreden des transatlantischen Westens vor der russischen Aggression während des OSZE-Gipfels in Stockholm heute ein Treffen des amerikanischen Außenministers Antony Blinken mit seinem russischen Kollegen Lawrow stattfinden wird.

Die Stimmung ist auch deswegen angeheizt, weil Washington die Visa von 57 Diplomaten der russischen Botschaft nicht verlängert und diese Ende Januar bzw. Ende Juni 2022 die USA verlassen müssen. Russland versteht dies als Ausweisung, Washington sagt, das sei ein ganz normales Prozedere nach dreijähriger Dienstzeit, die frei werdenden Stellen könnten durch andere Diplomaten besetzt werden. Gestern kündigte Moskau an, ebenfalls 57 amerikanische Diplomaten nach demselben Prinzip heimzuschicken, wenn die US-Regierung dabei bleibt. Die Botschaften sind bereits erheblich ausgedünnt nach vorhergehendem Hickhack, immer ausgehend von den USA. Eine Ausweisung von Diplomaten der russischen Vertretung bei der Nato, hatte Russland mit der Schließung beantwortet. Anders als im Kalten Krieg geht die Dialogbereitschaft und -möglichkeit gegen Null, was höchst gefährlich ist, immerhin verfügen die beiden Ländern nicht zuletzt über Tausende von Atomwaffen.

Beim Treffen der Außenminister der Nato-Mitgliedsländer gab es das fortwährende Ritual, Russland vor militärischen Aktionen oder gar einer Invasion gegen die Ukraine zu warnen. Gemeinsam verkündeten die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien ihre „Sorge vor den bedrohlichen Schritten Russlands gegen die Ukraine“. Begründet wurden die Warnungen, dass Russland mit schweren Konsequenzen rechnen müsse, mit den „ungewöhnlichen“ Truppenkonzentrationen nahe der ukrainischen Grenze, die es in den letzten Wochen gegeben haben soll.

Selenskij ist angeschlagen und fährt einen Zick-Zack-Kurs

Der ukrainische Präsident Selenskij, dessen Position schwer durchschaubar ist, hatte im Vorfeld von einem am 1. oder 2. Dezember von einer russisch-ukrainischen Gruppe geplanten Putsch berichtet, der der Ukraine jedenfalls wieder Aufmerksamkeit verschaffte, aber wahrscheinlich nicht mehr als ein Geheimdienstkonstrukt zur Beeinflussung der Öffentlichkeit war. Gestern sagte nämlich Selenskij, was auch an die Nationalisten in der Ukraine gerichtet war, dass es ohne Gespräche zwischen Moskau und Kiew zu keinem Frieden kommen könne. Auch seine Partei stellte sich hinter den Vorschlag. Für Iryna Gerashchenko, Abgeordnete der Poroschenko-Partei, wäre dies „Verrat“ oder eine „Kapitulation“.

Selenskij will ungeachtet der Krim-Frage schon lange ins Gespräch mit dem Kreml über den Donbass kommen, Moskau verweist in der Regel darauf, dass Kiew direkt mit den Vertretern der „Volksrepubliken“ sprechen müsste, wie dies im Minsker Abkommen eigentlich vorgesehen ist. Das wird von Kiew vermieden, weil man dann, nachdem man gegen die Protestierenden 2014 militärisch mit einer Antiterroroperation (ATO) vorgegangen ist, sich mit „Terroristen“ an einen Tisch setzen und diese als Verhandlungspartner anerkennen müsste.

Die Stimmung in der Ukraine ist schlecht. In einer aktuellen Umfrage sagen Zweidrittel der Menschen, die Ukraine bewege sich in die falsche Richtung. 58 Prozent unterstützen eine zwei Kandidatur von Selenskij nicht. Über 51 Prozent glauben nicht, dass er als Oberbefehlshaber im Falle einer russischen Invasion gut arbeiten würde. Besser geeignet finden die Ukrainer die früheren Präsidenten Kutschma und Poroschenko. Bei der Sonntagsfrage liegt die Partei von Poroschenko leicht vor Selenskijs Partei „Diener des Volks“, dicht gefolgt von Timoschenkos Partei und der Oppositionsplattform. Das von Selenskij durchgesetzte Anti-Oligarchengesetz, das diesen unter bestimmten Bedingungen politisches Engagement oder Besitz von Medien verbieten würde, könnte sich aus diesen Gründen gegen den Hauptrivalen Poroschenko richten. Unwahrscheinlich, dass Selenskijs Partei eine Mehrheit bei der Duma-Wahl im nächsten Jahr erzielen kann.

Rote Linien: Putin fordert Ende der Nato-Osterweiterung und Sicherheitsgarantien

Aber zurück zum Treffen Lawrow und Blinken in Stockholm, von dem wohl noch keine wirklichen Schritte ausgehen werden, die möglicherweise vom geplanten Treffen Biden-Putin ausgehen könnten. Hinter den Drohkulissen geht es Washington vielleicht gar nicht in erster Linie um die Ukraine oder Polen, sondern doch um bessere Beziehungen zu Russland gegen den neuen geopolitischen Feind, gegen China, und hoffentlich auch um rüstungsbeschränkende Abkommen für Atomwaffen. Washington sieht in China den mächtigeren und gefährlicheren Gegner und Konkurrenten, der auch wirtschaftlich und politisch mit dem Seidenstraßenprojekt global agiert. Russland hatte sich aufgrund des Drucks des Westens China angenähert und auch bereits gemeinsame Militärübungen durchgeführt. Washington könnte versuchen, einen Keil zwischen den https://en.interfax.com.ua/news/general/782955.htmlbeiden Mächten zu treiben, müsste aber Russland etwas anbieten, damit es sich von China stärker löst. Das könnte in Moskau durchaus auf offene Ohren stoßen.

Der ukrainische Verteidigungsminister vermutet, dass die Konflikteskalation auf amerikanische und russischer Seite damit zu tun haben könnte, dass beide Seiten Druck auf den jeweils anderen ausüben wollen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am 18. November bei einem Treffen des Kollegiums des Außenministeriums, was derzeit auf der Kreml-Website bedeutungsvoll ganz oben angepinnt ist, über die Sicherheitslage Russlands und „roten Linien“ gesprochen. Man müsse die Situation in der Ostukraine diplomatisch lösen, aber Kiew verweigere mit Duldung von Frankreich und Deutschland die Umsetzung des Minsker Abkommens.

Vor allem versorge der Westen die Ukraine mit Waffen, führe provokative Manöver im Schwarzen Meer und in grenznahen Gebieten durch und lasse strategische Bomber 20 km entfernt von der russischen Grenze fliegen. Man äußere Bedenken und spreche von roten Linien, was der Westen aber nicht ernst nehme. Das sei auch der Fall bei der Osterweiterung gewesen, jetzt befinde sich etwa mit den Raketenabwehrsystemen in Rumänien und Polen militärische Infrastruktur der Nato direkt an der russischen Grenze. Man müsse weiter militärische-technische Maßnahmen ergreifen, weil sonst die Gefahr bestehe, so Putin, dass ein Konflikt inszeniert wird, den Russland nicht braucht. Putin forderte gestern „langfristige Garantien zur Gewährleistung unserer Sicherheit“, was beinhaltet, dass die Osterweiterung beendet wird und keine neuen Waffensysteme verlegt werden. Damit hat er seine Bedingungen für einen Dialog mit dem USA umrissen.

Nachdem Putin vor gefährlichen Manövern und Truppenverstärkungen an der russischen Grenze hingewiesen hatte, wie das die Nato umgekehrt macht, sprach Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums ebenfalls von der ukrainischen „Sabotage des Minsker Abkommens“ und drehte den Spieß um: „Kiews Linie der Sabotage der Minsker Vereinbarungen zeigt sich am deutlichsten an der Kontaktlinie im Donbass. Die Streitkräfte der Ukraine verlegen ihre Truppen und ziehen schweres Gerät und Personal zusammen. Nach einigen Berichten hat die Zahl der ukrainischen Truppen in der Konfliktzone bereits 125.000 Mann erreicht. Das ist die Hälfte der gesamten Truppenstärke.“ Das belegt sie aber nicht weiter, im Westen hat man sich wenigstens bemüht, Satellitenbilder vorzulegen, die Truppenkonzentrationen oder -verlegungen belegen sollen. Auch Außenminister Lawrow behauptete am Mittwoch, die Ukraine schicke Truppenverbände und schweres Gerät an die Kontaktlinie. Das sei alarmierend, weil die Ukraine nichts ohne Absprache mit dem Westen mache. Er werde dies auf dem OSZE-Treffen ansprechen.

Kiew und seine Mäzene hätten eine „Kampagne der Medienhysterie über die angeblich bevorstehende russische Offensive“ geschaffen, die als Vorwand für die militärische Aufrüstung der Ukraine diene, sagt Sacharowa. Sie hebt natürlich hervor, dass auch zivile Gebiete von Seiten ukrainischer Truppen und Freiwilligenverbände beschossen würden, was auch umgekehrt der Fall ist. Die Ukraine listet nur die Opfer auf ihrer Seite auf, wie die „Volksrepubliken“ diejenigen auf ihrer Seite. Gerade wurde die Website Tragödie des Donbass gestartet, die wieder einseitig die Gewalt der ukrainischen Seite dokumentiert, was allerdings gemeinhin in den westlichen Medien und auch in der Politik nicht wahrgenommen oder ausgeblendet wird.

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