Schweden: Kampf der Desinformation

Schwedischer Reichtstag. Bild: Ankara/CC BY-SA-3.0

 

Haben die schwedischen Behörden 20.000 Flüchtlingskinder ihren Eltern weggenommen? Seit Dezember wird in den arabischsprachigen und islamistischen Netzwerken, auf YouTube und anderen Plattformen diese Behauptung aufgestellt.

Das Gerücht hat sich mittlerweile soweit ausgeweitet, dass Muslime in Schweden auf den Straßen demonstrieren. Dabei sind auch Betroffene dabei, denen die Sozialbehörden anscheinend wirklich die Kinder weggenommen hatte: „Ich habe so oft gefragt, mein Kind zu sehen, aber der Sozialdienst sagte immer nein“, meinte eine aufgebrachte Frau mit Kopftuch bei einer Demonstration vor dem Parlament in Stockholm gegenüber dem schwedischen Fernsehen SVT . Die Regierung ließ die Vorwürfe dementieren.

Fakt ist, dass Kinderschutz im schwedischen Fürsorgestaat großgeschrieben wird und die Sozialbehörden Übergriffe wie Schläge, die in anderen Kulturen üblich sind, nicht dulden und die Kinder aus den Familien nehmen können.

Doch in den sozialen Medien werden Behauptungen aufgestellt, die weit darüber hinaus gehen – die „Entführungen“ richteten sich gezielt gegen Muslime, es handele sich um eine „Zwangssäkularisierung“, die Kinder würden an Pädophile weiter gereicht.

Mittlerweile, wie die Zeitung „Expressen“ vom Donnerstag berichtet, werden entsprechende Behauptungen auch von Imamen in den Moscheen in Schweden verbreitet. Auch Al Jazeera erwähnte die Beschuldigungen auf seinem Twitter-Konto mit über 14 Millionen Abonnenten.

„Diese Kampagne geht auf Kosten der Kinder“, sagte Olivia Wegzell, die Generaldirektorin des Gesundheitsamts. Auch die sozialdemokratische Regierung unter Magdalena Andersson nimmt sie ernst. Denn sie aktivierte die erst seit Januar tätige „Behörde für Psychologische Verteidigung“, eine Organisation, welche die schwedische Bevölkerung vor Desinformation schützen sollte.

„Die Erzählungen nutzen die Unwissenheit über die schwedische Gesellschaft und verstärken das Misstrauen gegen die Behörden, die in den muslimischen Zielgruppen bereits vorhanden ist“, sagte Mikael Tofvesson, operativer Leiter der Behörde gegenüber den schwedischen Medien. Er sieht ausländische Kräfte am Werk und Verbindungen zu Islamisten, die auch hinter dem Anschlag 2015 auf die Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“  in Frankreich stünden.

Somit könnte es zu Gewalttaten gegen schwedische Behörden kommen. Seine Organisation, die dem Innenminister unterstellt ist, sei noch mit der Analyse der Hintermänner befasst. Auch der schwedische Inlandsgeheimdienst Säpo sei eingeschaltet. Ähnliche Kampagnen habe es bereits in Norwegen und Finnland gegeben, wo die Sozialbehörden ihren Fürsorge-Auftrag ebenfalls eng definieren.

Auseinandersetzungen um die Praktiken der Sozialdienste der skandinavischen Behörden beschäftigen seit Jahren die internationale Öffentlichkeit. Einige Fälle wurden bereits vor dem Gericht für Menschenrechte in Straßburg verhandelt.

Die Behörde wurde allerdings eher im Hinblick auf Russland und China gegründet, wie der Generaldirektor Henrik Landerholm andeutet, der eigentlich keine Länder speziell nennen wollte.

Nun ist Landerholm, ein ehemaliger Diplomat und Offizier der Reserve, selbst in Schwierigkeiten – er habe hochsensible Daten mittels eines privaten Emailkontos verschickt.

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