Putins Plot, der Plot des Guardian oder des britischen Geheimdienstes?

Die Sitzung des Nationales Sicherheitsrats am 22. Januar 2016. Bild: Kreml

Der Guardian will angebliche Geheimdokumente des Kreml eingesehen haben, nach denen Putin Anfang 2016 eine Operation der russischen Geheimdienste startete, um dafür zu sorgen, dass der „psychisch instabile“ Donald Trump in den Präsidentschaftswahlen gewinnt.

 

Der britische Guardian behauptet, brisante geheime Dokumente des Kreml eingesehen zu haben. In einem exklusiven Bericht ist die Rede von „Putins Plot“ und einem „geheimen multiministeriellen Versuch, in die US-Demokratie einzugreifen“. Danach habe Wladimir Putin 2016 höchstselbst eine Operation der russischen Geheimdienste beauftragt, um dafür zu sorgen, dass der „psychisch instabile“ Donald Trump in den Präsidentschaftswahlen gewinnt. Er sei der „vielversprechendste Kandidat“ aus russischer Sicht, um russische Ziele durchzusetzen, darunter die Auslösung von „sozialer Unruhe“ und die Schwächung der Verhandlungsposition des Präsidenten. Ein Sieg von Trump würde zur „Destabilisierung des soziopolitischen Systems der USA“ führen und die Unzufriedenheit ausbrechen lassen.

Die Entscheidung sei am 22. Januar 2016 während einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats getroffen worden. Damals hatte sich abgezeichnet, dass Trump der Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden könnte. Nach dem offiziellen Protokoll ging es bei der Sitzung um sozioökonomische Themen in Russland, die Situation auf den Weltmärkten und die Lage in Moldawien.

Der Guardian erklärt freilich nicht, wie er an die Dokumente gekommen ist. Fraglich ist auch, ob sie authentisch sind, das ist mehr eine Glaubensfrage. Die Zeitung sagt, „unabhängige“ Experten hätten sie für echt eingeschätzt, westliche Geheimdienste sollen seit Monaten davon Kenntnis haben und hätten es genau überprüft. Das alles bleibt allerdings im vagen Ton. Die Experten sagten, dass sie „echt zu sein scheinen. Beiläufige Einzelheiten wirken zutreffend. Der Ton und die Stoßrichtung soll mit dem Sicherheitsdenken des Kreml konsistent sein.“ Der Guardian veröffentliche auch nur Kopien von Ausschnitten von zwei Seiten.

Treffen von Putin und Trump in Osaka im Juni 2019. Bild: Kreml

Es wäre das gefundene Fressen für die spätestens seit 2014 herrschende antirussische Strategie der Nato-Ländern, schließlich wäre dann klar, dass Putin die Geheimdienste beauftragt haben könnte, die Desinformations- und Hackkampagnen zugunsten von Trump auszuführen, von denen amerikanische Geheimdienste und vor allem die amerikanischen Demokraten immer gesprochen haben. Der Guardian spricht denn auch von einem „Fahrplan“ für das, was 2016 dann geschehen sei. Und es sei ein Beweis, dass Putin in westliche Demokratien eingewirkt haben soll. Und ganz in Fahrt gekommen, soll es dann um eine der „wichtigsten und wagemutigsten Spionageoperationen des 21. Jahrhunderts“ gegangen sein, da einige Wochen später Hacker des Geheimdienstes GRU die Server des DNC gehackt und Mails von Clintons Wahlkampagne veröffentlicht hätten.

Eine Geschichte, die spätestens seit der Aussage des CrowdStrike-Chefs Shawn Henry vor dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenausschusses am 5. Dezember 2017 kaum mehr zu halten ist (Warnungen vor russischen Hackern, die „fast sicher“ russischen Geheimdiensten angehören). Bekannt wurde die Aussage aber erst im Mai 2020. CrowdStrike hatte die Server untersucht, nicht das FBI. Man habe „hohes Vertrauen“ darin, dass die russische Regierung dahinterstecke, das würden auch die US-Geheimdienste so sehen. Henry sagte, man habe zwar gefunden, dass APT29 – die als russische GRU-Hackergruppe Fancy Bear gelten – seit 2015 in dem System unterwegs war, also vor dem Treffen des Nationalen Sicherheitsrats, aber dass Daten überhaupt entwendet wurden, dafür habe man keine „direkten Beweise“, sondern nur Indizien und Mutmaßungen. Es gibt also keinen Beweis dafür, dass die russischen Hacker die Emails entwendet haben, und nicht einmal dafür, dass sie unbefugt geklaut wurden.

Beispielsweise kommt Hillary Clinton in der angeblich von Putin unterschriebenen Anweisung gar nicht vor. Und es gibt auch nur die Anweisung an die Geheimdienste, sich etwas einfallen zu lassen, Trump praktisch zu unterstützen, Präsident zu werden. Dazu müsse man alle Mittel einsetzen.

Welche konkreten Pläne sie im Einzelnen ausgearbeitet haben, geht  offenbar aus den Dokumenten nicht hervor, auch nicht, ob diese bewilligt und dann auch umgesetzt wurden. Nach dem Guardian sollten Medienressourcen verwendet werden, um führenden Politiker zu schaden, es soll auch die Rede von „Medienviren“ sein, die sich in der amerikanischen Öffentlichkeit verbreiten könnten, um das Massenbewusstsein zu verändern. Vom Guardian nicht näher erläuterte Maßnahmen seien auch als Reaktion auf feindliche Akte seitens Washington aufgeführt. Es sei auch von Schwächen der USA wie „die sich vertiefende Kluft zwischen Linken und Rechten“, den amerikanischen Raum der „Medieninformation“ oder eine sich unter Obama sich ausbreitende Anti-Establishment-Stimmung.

Putin habe eine Arbeitsgruppe mit dem Verteidigungsminister und den Geheimdienstchefs eingesetzt, um die im Dokument „No 32-04 \ vd“, einem Ukaz,  ausgeführten Ziele zu realisieren. Hier scheint auch wenig Konkretes zu lesen sein, da hätte der Guardian sonst sicher ausgebreitet.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow tat alles als „Pulp Fiction“ ab, man würde nicht erwarten, dass er das bestätigen würde, auch wenn es wahr wäre. Allerdings ist klar, dass die russische Regierung natürlich Vorlieben unter den Kandidaten des größten konkurrierenden Landes hat und versucht, ihre Interessen ins Spiel zu bringen. Das ist umgekehrt auch der Fall, wie man zuletzt an Nawalny sehen konnte, der als Gegenspieler zu Putin aufgebaut werden sollte, wie Trumps Regierung  das zusammen mit anderen Regierungen wie der deutschen in Venezuela mit Juan Guaido versucht hatten.

Es geht um vor allem den als geheim eingestuften Bericht „No 32-04 \ vd“, der von Vladimir Symonenko stammen soll, einem Mitglied von Putins Expertenrat. Hier wird Trumps Persönlichkeit umrissen. Er sei „ein impulsiver, geistig instabiler und unausgeglichener Mensch, der unter einem Minderwertigkeitskomplex leidet“. Die Beschreibung ist zutreffend. Man habe auch Kompromat, also kompromittierende Materialien über seine früheren Besuche in Russland. Die Rede ist von „bestimmten Ereignissen“, näheres sei im Anhang zu finden, der leider dem Guardian nicht vorliegt oder dies vorgibt. Man erinnert sich an das berühmte Dossier über Trump vom britischen Ex-Geheimdienstagenten Christopher Steele, für das Clinton und die Demokraten Millionen gezahlt haben sollen, dessen Erzählungen aber nicht belegt werden konnten.

Möglicherweise handelt es sich um ein geleaktes Kremldokument. Unwahrscheinlich ist sein Inhalt nicht. Regierungen werden immer auch mit ihren Geheimdiensten versuchen, bei wichtigen Angelegenheiten Informationen einzuholen und Möglichkeiten erwägen, Wahlen oder andere Entscheidungen zu beeinflussen, zumal wenn sie unter Aktionen dieses Staates leiden. Solange aber nicht bekannt ist, ob die Dokumente wirklich echt sind und vor allem, welche Maßnahmen tatsächlich beschlossen und auch ausgeführt wurden, scheint der Exklusivbericht des Guardian zumindest sehr aufgebläht zu sein und legt nahe, dass hier wahrscheinlich der britische Geheimdienst etwas durchgestochen hat, um die Öffentlichkeit zu beeinflussen. Der Artikel erschien am 15. Juli, zwei Tage vor dem Jahrestag des Abschusses von MH17.

Auch der nachgelegte Artikel bietet keine gesicherten Erkenntnisse, sondern such da bekannte Narrativ nur zu erhärten. Offen bleibt bei alldem sowieso, ob und welche russische Beeinflussungskampagnen tatsächlich etwas zum Wahlsieg Trumps beitrugen. Trotz des ganzen Getümmels ist das ziemlich unwahrscheinlich.

Ähnliche Beiträge:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert