„Not just Putin“: Putins Krieg wird zum Krieg der Russen

Im Westen wurde versucht, Putin und die russische Elite zu Alleinverantwortlichen zu machen, aber jetzt wird, auch auf Betreiben ukrainischer Propaganda, der Kampf gegen Putin zum antirussischen Kampf umgedeutet. Das schürt auf gefährliche Weise den Hass.

 

Allmählich sickert die Erkenntnis auch im Westen durch, dass es Blödsinn war, von „Putins Krieg“ zu sprechen. Damit sollte suggeriert werden, dass sich dem Westen nur ein dem Wahn verhafteter Tyrann entgegenstellen würde, während der Rest der Welt den Versicherungen des Westens glaubt, dass dieser gar nichts getan hat und nur das Beste für alle will. Wenn es in Russland Menschen gibt, die hinter Putin, den Einmarsch in die Ukraine und Ziel stehen, einen Nato-Beitritt der Ukraine zu verhindern, dann seien dies nur Menschen, die von den russischen Staatsmedien geknebelt und umnebelt, diesen schutzlos preisgegeben und daher dumm sind. So werden auch die Menschen im Westen selbst gesehen, weswegen sie unbedingt vor Desinformation geschützt werden müssen, weil sie alleine dazu nicht imstande sind.

Wenn es nur Putins Krieg ist, dann erleichtert dies auch das sture Vorgehen des Westens, der die kompromisslose Haltung der Ukraine verstärkt hat. Die russische Bevölkerung ist ja eigentlich auf der Seite des Westens, aber weil ihre Gehirne, die keinen kognitiven Immunschutz besitzen und auch nicht selbständig denken können, den Desinformationsmanipulationen des Kreml wehrlos ausgesetzt sind, muss man das Leben der russischen Menschen so durch Sanktionen erschweren, dass sie aufwachen und den Tyrannen stürzen, um einen westlichen Staat einzurichten.

Das ist so ähnlich, wie sich der Kreml vielleicht vorgestellt hat, dass die durch seine „Militäroperation“ „befreiten“ Menschen die russischen Soldaten begrüßen werden. Washington hatte sich seinerzeit auch gedacht, dass die US-Truppen nach dem Sturz von Saddam Hussein als Befreier begrüßt werden und dass der „befreite“ Irak dann gemäß der Dominotheorie auch zum Vorbild der übrigen Staaten im Nahen Osten werden würde, die alle eine USA-freundliche kapitalistische Demokratie wählen.

Die Fraktion der „Wir sind die Guten“ stößt nun aber darauf, dass zumindest bislang die Sanktionen nicht zum Aufbegehren gegen Putin führen, sondern eine breite Mehrheit des Landes auch der Überzeugung ist, dass Russland zu lange dem Westen nachgegeben hat und dass damit jetzt Schluss sein muss. Das ist für die Guten schwer zu verdauen. Aber nach Umfragen ist nicht nur die Wertschätzung von Putin nach dem Beginn des Kriegs gestiegen, sondern eine große Mehrheit stellt sich auch hinter den Krieg, der das von Putin ausgegebene Ziel hat, Russlands Sicherheitsforderungen durchzusetzen und die Ukraine nicht zum Flugzeugträger der Nato zu machen.

Nach Veröffentlichung einige Umfragen wurde jedenfalls deutlich, dass es nicht Putins Krieg, sondern dass sich die Mehrheit der Russen nationalistisch hinter ihm versammelt, was in der Regel die Folge eines Kriegs ist. Allerdings gehen einige der Umfragen offenbar auf ukrainische Quellen zurück, so dass man auch damit rechnen muss, dass es sich um strategische Kommunikation handelt. So hat eine ukrainische „Active Group“ angeblich über 1500 Russen zwischen dem 11. und 13. März telefonisch befragt.  Nach dieser Umfrage sind die Russen hoch kriegerisch. 75 Prozent würden als logische Folge der „Militäroperation“ den Abgriff auf weitere Staaten unterstützen, vor allem gegen Polen und die baltischen Staaten. 75 Prozent wären für den beschränkten Einsatz von Atomwaffen durch Russland, um legitime Interessen des Landes zu verteidigen und wenn eine Bedrohung besteht, mit Atomwaffen angegriffen zu werden.

Der Atlantic Council hatte schon am 10. März mit Verweis auf Umfragen erklärt, der Einmarsch in die Ukraine sei nicht Putins Krieg, nachdem die Werte von Putins Beliebtheit in die Höhe schossen und eine Mehrheit den Krieg unterstützte. Eine von mysteriösen unabhängigen Instituten durchgeführte Umfrage, für die vom 28. Februar bis 1. März mehr als 1600 Russen befragt worden seien. Der Autor des Atlantic Council zieht die Schlussfolgerung:

„Wenn es der demokratischen Welt ernst damit ist, Putin zu stoppen, muss sie jede Hoffnung auf eine interne Opposition gegen den Krieg aufgeben. Es wird keine Palastputsche oder Volksaufstände geben, solange die meisten Russen Putins Besessenheit von der Unterwerfung der Ukraine teilen. Die einzige Möglichkeit, Russland zu beeinflussen, besteht darin, ihm die Einnahmen zur Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie zu entziehen und gleichzeitig die Fähigkeit der Ukraine, sich selbst zu verteidigen, drastisch zu verbessern. Putins Invasion in der Ukraine ist der entscheidende Moment seiner gesamten Herrschaft, und er genießt die nachdrückliche Unterstützung des russischen Volkes. Er wird nicht nachgeben, bevor er nicht bankrott und blutig geschlagen ist.“

Der amerikanisch finanzierte Radio Swoboda (Radio Liberty) bezieht sich ebenfalls auf die von unabhängigen Instituten stammenden Umfrageergebnisse: „Fast drei Viertel der russischen Bevölkerung unterstützen den Krieg mit der Ukraine und erleben so positive Emotionen wie Stolz, Freude, Respekt, Vertrauen und Hoffnung.“ In einer Umfrage vom 3. März stehen 71 Prozent hinter der Militäroperation, in einer anderen vom 25.-27. Februar sollen es 65 Prozent sein.

Nachdem am Freitag Putin auch noch auf einer Kundgebung vor hunderttausenden Russen gesprochen hat, die ihn feierten, wird jeder Russe zu Putin („200.000 Putins“) und beginnt Putins Krieg zum Krieg der Russen zu werden – und der Kampf gegen Putin und die russische Elite wird zum antirussischen Kampf, da nun das Volk verantwortlich gemacht wird. Das ist eine gefährliche Wende, weil der Konflikt völlig emotionalisiert  und rassistisch wird, jetzt muss nicht mehr nur Putin und sein Regime klein gemacht werden, sondern Russland selbst. Überdies stärkt dies die Behauptung von Putin, das sich Russland verteidigen muss, weil es vernichtet werden soll.

Wir hatten schon auf den Fall des Kommentators in einem ukrainischen Sender hingewiesen, der zur Ermordung von Russen und auch der russischen Kinder aufrief (Über den Irrsind des Kriegs). Vertreter der ukrainischen Regierung versuchen auch in einem gefährlichen Spiel, die Wut und den Hass auf alle Russen zu richten. Das ukrainische StratCom macht sich lustig über die Haltung, mit den Sanktionen nicht die normalen Bürger zu treffen, und zeigt ein Bild mit normalen Bürgern, die Putin feiern. Die Devise ist nun: „Not just Putin“. Die Umfrageergebnisse werden dabei immer wieder als Beleg veröffentlicht.

Beispielsweise der deutsche Botschafter Andrei Melnyk, der sich in diesen Tagen schützend vor das rechtsnationalistische Asow-Regiment stellt und sich selbst als ein Bandera-Anhänger geoutet hat. Er schrieb auf Twitter am 17. März in Reaktion auf Bundeskanzler Scholz, der noch von Putins Krieg sprach und vor der Beschimpfung von in Deutschland lebenden Russen warnte: „Es ist ein Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine. Punkt. Es sind ??- keine außerirdischen- Piloten, die ??Städte bombardieren, Frauen und Kinder ermorden. Es ist die stillschweigende ??Gesellschaft, die den Krieg de facto unterstützt. Putin ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Am Freitag schrieb er: „Es ist eine Verharmlosung, nur Putin für den Vernichtungskrieg gegen die ??Zivilbevölkerung verantwortlich zu machen.  Russland trägt diese Verantwortung.  Alle Russen, die diesen Krieg führen, unterstützen, gutheißen oder auch ignorieren, tragen die Verantwortung für den Krieg.“

Das ukrainische Außenministerium ruft dazu auf, die Russen die Kosten des Kriegs spüren zu lassen. Sie würden versuchen aus Russland zu fliehen, man solle ihnen Visa und den Aufenthalt verweigern, um so nicht nur Russland, sondern auch die Russen zu Parias zu machen. Das ukrainische Parlament rückt nun auch ab von der oft geäußerten Überzeugung, dass die Russen von den Staatsmedien gehirngewaschen seien: „Russen sind nicht das Opfer von Propaganda. Sie sind schweigende Komplizen des Kreml-Regimes und seiner Kriegsverbrechen.“ Der Sprecher der Rada erklärt, dass während der Nürnberger Prozesse niemand freigesprochen wurde, weil er nur Befehle ausgeführt hat.

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7 Kommentare

  1. Und dann gibts noch einen Kiesewetter, der herumtrompetet, mit Putin gäbe es nichts zu verhandeln. Die Verfeindung erreicht immer neue Höhen. Es ist schwierig sich vorzustellen, dass das alles ohne eine direkte Konfrontation endet. Es gibt zu viel zu viele Westler, die sich nicht vorstellen können, definitiv auf der Verliererseite zu stehen und sei es auch nur, weil es keine andere gibt.

  2. Es mag ja sein, dass die Russen in einer Propagandawelt leben, aber das tuen wir doch auch. Mindestens diejenigen, die sich ausschliesslich aus unseren Hauptmedien informieren, leben in einer Welt
    – in der es eine regelbasierte Ordnung gibt
    – in der Gerichte über die Einhaltung der Ordnung wacht
    – in der Kriege und Putsche nirgends angezettelt würden
    – in der Völker- und Menschrechte geachtet werden und
    – in der bei den Guten im Wertewesten demokratisch sauber Regierungen an die Macht kommen.
    – b uns gibt es keine Kriegstreiber- und Gewinnler, hier haben alle ein Interesse an Frieden.

    Das passt alles mit den Realitäten nicht zusammen und wir alle wissen dies. Trotzdem sieht sich nur eine Minderheit genötigt aus dieser geschwurbelten Wahnwelt auszubrechen und unsere Regierungen zu kritisieren.
    Wenn die westlichen Regierungen nichts getan hätten, wäre vielleicht alles gut. Tatsächlich haben insbesondere die Amerikaner und die Osteuropäer und Herr Stoltenberg alles dafür getan, dass es genau zu dieser Entscheidung der russsischen Regierung kommt. Die westliche Öffentlichkeit ist bei Licht betrachtet sehr viel verrückter – der Realität entrückt – als Putin.
    Aber diese Denkfigur dient ja gerade dazu, die westlichen Regierungen aus ihrer Verantwortung zu exkulpieren. Was soll man machen, wenn man es mit einem Verrückten zu tun hat? Da trägt man von vornherein keine Verantwortung!

    Und nur mal zum Vergleich die Analyse des Internets und unserer Narrativmacher:

    Hier die glatt gebügelt und vorher gesäuberte Version, die man unseren Kindern nun eintrichtern wird: https://www.youtube.com/watch?v=CWhoALa6bTU

    Und hier die ungeschminckte Version eines Finanzanalysten mit all den Fallstricken Widersprüchlichkeiten und Abgründen der Realität: https://www.youtube.com/watch?v=XkE2HW1vXQ8

  3. „Ukrainian TV host calls for genocide of Russian children“

    “ Because if you kill their parents, the children will grow up and take revenge. By killing children — they will never grow up and the nation will disappear,”

    https://miamistandard.news/2022/03/17/ukrainian-tv-host-calls-for-genocide-of-russian-children-2/

    Die Erklärung des TV-Moderators im Wortlaut hier nachzulesen:

    https://www.voltairenet.org/article216127.html

    Kleiner Auszug gefällig:

    „Hoffen wir, dass Russland und das russische Volk zugrunde gehen und sich nie wieder erholen werden. Ihr seid Abfall, der von der Oberfläche des Planeten gefegt werden muss. Wenn ein Ukrainer die Chance hat, eure Knochen zu zermahlen, eure Kehlen durchzuschneiden, Ruskis zu ersticken, hoffe ich, dass er seine Chance nutzen wird, seinen Beitrag zur Sache zu leisten, um mindestens einen von euch zu töten. »“

    Aber selbstverständlich gibt es keine Nazis in der Ukraine. Und das oben zitierte kann ja nur

    „Widerwärtige Kriegspropaganda (sein): Kreml-Medium unterstellt TV-Moderator Aufruf zum Russen-Mord“

    https://www.news.de/politik/856179594/putin-propaganda-im-fernsehen-schockt-mit-mordaufruf-fake-news-tv-moderator-ruft-zum-mord-an-russen-auf-im-ukraine-krieg/1/

    1. @Kleiner Auszug gefällig: …
      liest sich wie die Gebete der Amerikaner im Kapitol gegen den deutschen Kaiser im 1. Weltkrieg !
      Wer hat nochmal die Ukraine finanziert ?

  4. Das klingt ja so unmenschlich, brutal, dass man es als zivilisierter Mensch nicht glauben mag. Aber gerade die deutsche Geschichte zeigt, dass so etwas möglich ist.
    Vielleicht ist es aber doch nur ein Fake?

  5. Der mediale Twist wird sein, dass Putin, der Fuchs, die Ukrainer durch die Invasion zu Nazis gemacht hat – dies aber vernachlässigt werden könne, denn Notwehr rechtfertige das Nazi-sein. (Letzterer Teil eventuell unausgesprochen).

    Denn das ist ja Putin schon seit Jahren. KGB-Superkräfte. Der ewige… Fuchs.

    Ich komme mir immer wie bei Disney vor.

  6. Kurz ein Zitat eines Feuillton-Schreibers der Süddeutschen: „In Konflikten mit jemandem, der die Werte seiner Gegner vollumfänglich ablehnt, ist es kaum möglich, zu einer Verständigung zu kommen.“ Auf wen trifft das jetzt eigentlich zu? Die Terrormiliz IS ist, laut SZ-Schreiber, so einer und natürlich der gestörte Oberkommandierende aus Moskau. Dabei lehnt die Kreml-Führung den „Wert Sicherheit“ überhaupt nicht vollumfänglich ab. Im Gegenteil. Die Russische Förderation hat sich Ende letzten Jahres ausdrücklich und ausführlich im Namen seiner Sicherheitsinteressen an USA/Nato gewand und mitgeteilt, dass diese durch das Nato-Vorgehen der Westmächte bedroht sind. Und zwar spätestens (im Fall der Ukraine) seit acht Jahren. Wer hat das vollumfänglich ignoriert?

    Führt man sich weitere Zeitungsartikel zu Gemüte, finden sich Gedächtnis-Bugs ohne Ende mit immer derselben Quintessenze: Ein geistegestörtes Alpha-Tier wütet ohne Erlaubnis hemmungslos im friedlich angerichteten Gemüsegarten. Kriegstrunkene Russen-Milizen sind kurz davor, durch nicht „zielgerichtete Munition“ die Kiewer Erlöserkirche zu beschädigen, immerhin die Grabesstätte des Gründers von Moskau (ukrainischer Militärhistoriker) usw ff

    Der Übergang von Putin – der muss weg – zum gesamten Staatswesen, das einen Schlag unter die Gürtellinie braucht, folgt eigentlich der schon lange im Gebrauch befindlichen Feindbild-Logik. Den Russen muss man zeigen, wo der Hammer hängt, dann schminken sich die Führungskräfte ihr störendes Anspruchsdenken ab. Weit weg von jeder sachlichen Auseinandersetzung darüber, was die Kontrahenten so drauf haben, was sie wollen, warum sie aufeinanderlosgehen, klatschen die Schreiber Beifall, wenn der Westen immer neue Kriegsgründe in die Welt setzt, der nicht einmal einen atomaren Schlagabtausch ausschließt.

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