Ist der Kampf um Asovstal beendet?

Verwundete und Soldaten aus Asovstal werden von russischen Soldaten überprüft.

Es scheint so zu sein, dass Kiew den Befehl an Asow gegeben hat, sich zu ergeben. Ob das wirklich geschehen wird, ist fraglich, zumal aus Russland Botschaften kommen, die das nicht ratsam erscheinen lassen.

 

Am Montag warenüber 50 Schwerverletzte und über 200 Soldaten aus Asovstal nach Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine evakuiert worden, wie Kiew es darstellt. Natürlich haben sich die Soldaten Russland ergeben und gingen in russische Kriegsgefangenschaft. Der Asow-Kommandant Denys Prokopenko gab über eine Videobotschaft eine verklausulierte Erklärung, in der er klar machte, dass der Kampf beendet ist – auf Befehl von Kiew. Aber es gibt auch eine Siegesmeldung in der Niederlage. Man habe angeblich die militärischen Ziele erreicht, nämlich russische Truppen gebunden, damit sich die ukrainische Armee neu aufstellen kann, neue Rekruten ausgebildet und neue Waffen aus dem Ausland ins Land gebracht werden konnten.

Der Befehl aus Kiew, den Asow länger vermisst hatte, kam also schließlich. Die ukrainische Regierung versicherte wieder einmal, dass man die in Asovstal Verschanzten militärisch nicht retten konnte und kann. Lange hat der ukrainische Präsident gezögert, den Befehl zum Niederlegen der Waffen zu geben. Schließlich ist klar, dass er damit für die Niederlage verantwortlich gemacht wird. Er wird auch beschuldigt werden, die „Helden von Mariupol“ verraten zu haben. Die Devise war nun, dass es darum geht, die Soldaten und Asow-Kämpfer lebendig herauszuholen.

Prokopenko sagte noch vor einem Monat, als sich Hunderte von Marinesoldaten in Mariupol ergeben hatten, man solle aus Deserteuren und Kämpfern,k die sich freiwillig ergeben, keine Helden machen. Sie hätten den „Weg der Schande“ eingeschlagen. Das soll nun nicht so sein. Auch wenn Asow mit Bildern von Zivilisten, Kindern und Verwundeten um Evakuierung in ein drittes Land gefleht hatten, besteht man nun darauf, dass nur der Befehl von oben ihren heldenhaften Widerstand gebrochen hat.

 

 

Noch aber sind nur 250 Soldaten in russische Kriegsgefangenschaft gegangen. Man weiß nicht, wie viele Kämpfer noch in dem Bunkersystem sind. Es ist wohl die harte Asow-Mannschaft, die zögert, sich den russischen Truppen auszuliefern. Schließlich wissen sie, dass Russland zwischen Soldaten der regulären Armee und Asow-Kämpfern unterscheidet, die offiziell der Nationalgarde unterstellt sind. Falls Asow-Kämpfer Verbrechen nachgewiesen werden, werden sie verurteilt und inhaftiert.

Russland bzw. die „Volksrepublik Donezk“ (DNR) haben zwar garantiert, die Verwundeten medizinisch zu betreuen, die Gefangenen fair zu behandeln und sie nicht zu töten. Aber offensichtlich ist nicht ausgemacht, was tatsächlich geschehen wird. In der DNR gibt es im Unterschied zu Russland die Todesstrafe. Kiew geht davon aus, dass zumindest die Verwundeten gegen russische Kriegsgefangene ausgetauscht werden. Das ist schon umstritten. Klar dürfte sein, dass die Kriegsgefangenen verhört werden. Man will Aussagen haben, die man gegen Kiew und Asow einsetzen kann, und man will wissen, wer sich noch in den Bunkern versteckt. Nach russischer Sicht haben sich die Soldaten ohne Bedingungen ergeben.

Es gibt offensichtlich in Russland und in der DNR Rachegelüste gegenüber Asow. In der Duma soll darüber heute abgestimmt werden, dass Kriegsverbrecher nicht gegen russische Kriegsgefangene ausgetauscht werden dürfen. Dabei soll es nicht nur um Soldaten gehen, die Zivilisten getötet haben, sondern auch um solche, die Nazi-Tätowierungen haben. Der Duma-Abgeordnete Leonid Slutsky forderte sogardie Einführung der Todesstrafe für Asow-Kämpfer. Das wäre ein Kriegsverbrechen gegenüber Kriegsgefangenen. Der Asow-Gründer Andriy Biletsky rief dazu auf, möglichst nichts über die Vorgänge zu sagen, um die Rettung der Männer aus Stahl nicht zu gefährden. Allerdings werden die russischen Ankündigungen die Asow-Kämpfer in Asovstal eher abschrecken, sich in die Hände  von Russland zu begeben.

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6 Kommentare

  1. Russland anerkennt die Asow-Leute nicht als reguläre Mitglieder der ukrainischen Armee. Im Moment sind Bestrebungen im Gang, Asow zu einer terroristischen Vereinigung zu erklären. Nicht Neues unter der Sonne. Die usa waren kreativ und haben eine neue Kategorie erfunden, um gewisse Gefangene – Stichwort Guantanamo – nicht als Kriegsgefangene behandeln zu müssen. Die Türkei hat die Gülen-Bewegung für terroristisch erklärt. Und so weiter.

  2. Ist eine Alternative wirklich möglich? (sich in die Hände von Russland zu begeben.) es wird dann eben verhungert oder verdurstet.
    Wenn das öffentlich ausgeschlachtet ist, werden sicher Soldaten ausgetauscht. Das Verhältnis an noch verhandelt werden. Was ist mit den Soldaten, die in die Knie geschossen wurde?
    Erstaunlich das die aussage eines jeder Kasper aus dem Parlament Russlands als Aussage der Regierung gewertet wird. Aussagen anderer Parlamente sind da nicht gleich mit Statement der Regierung gleichgesetzt.

  3. „Es ist wohl die harte Asow-Mannschaft, die zögert, sich den russischen Truppen auszuliefern. Schließlich wissen sie, dass Russland zwischen Soldaten der regulären Armee und Asow-Kämpfern unterscheidet, die offiziell der Nationalgarde unterstellt sind. Falls Asow-Kämpfer Verbrechen nachgewiesen werden, werden sie verurteilt und inhaftiert.

    Es gibt offensichtlich in Russland und in der DNR Rachegelüste gegenüber Asow. In der Duma soll darüber heute abgestimmt werden, dass Kriegsverbrecher nicht gegen russische Kriegsgefangene ausgetauscht werden dürfen.“

    Für nicht reguläre Truppen oder ausländische Söldner gilt Artikel 5 der Genfer Konvention:

    „In jedem dieser Fälle werden derartige Personen jedoch mit Menschlichkeit behandelt und im Falle einer gerichtlichen Verfolgung nicht des Anspruchs auf ein gerechtes und ordentliches Verfahren, wie es das vorliegende Abkommen vorsieht, für verlustig erklärt.“

    Bisher ist nicht erkennbar, daß das Verhalten gegenüber Azovkämpfern von Rachegelüsten angeleitet wird (selbst, wenn sie vorhanden sein mögen).

    Soweit bisher bekannt, läuft das Verfahrenfür Personen, die Azovstal verlassen folgendermaßen ab:

    Zunächst werden sie unter Bewachung identifiziert und registriert, Verwundete werden medizinisch versorgt,
    Sie werden anhand ihrer Papiere und aller zivilen Datenbanken, zu denen die Russen Zugang haben, auf ihre wahre Identität überprüft. Lokale Ermittler der LDPR in Mariupol sind vor Ort, um mit ihrer Ortskenntnis alle Behauptungen gfls. zu überprüfen.
    Sie werden entkleidet, um nach Tätowierungen zu suchen, die auf Bekenntnisse zu Faschisten hindeuten.
    Es werden Fingerabdrücke genommen und sie werden fotografiert.
    Sie werden zu allen persönlichen Angelegenheiten und zu ihrem Wissen über die Vorgänge in Asowstal befragt.
    Danach wird unterschieden in:
    * Zivilisten, die nach Hause oder in ein Flüchtlingslager gehen können
    * ukrainische reguläre Soldaten, die in die Kriegsgefangenenlager der LDPR gehen und dort auf den Austausch gegen reguläre russische Kriegsgefangene gemäß der Genfer Konvention warten;
    * ausländische Söldner, die ebenfalls in die Kriegsgefangenenlager der LDPR gehen und dort auf ihre strafrechtliche Verfolgung warten;
    * hochrangige Ausländer (z.B. NATO-Mitarbeiter), die höchstwahrscheinlich in das FSB-Hauptquartier in Moskau gehen, um dort verhört zu werden,
    * Asow-Kämpfer, die alle als nicht austauschbare Kriegsgefangene gehalten werden, um wegen Kriegsverbrechen angeklagt zu werden.

    Daß letztere nach einer Verurteilung entsprechend dem Urteil behandelt und nicht gleich ausgetauscht werden, scheint mir kein Merkmal besonderer Grausamkeit („Rachegelüste“) zu sein . Umgekehrt kann man das leider nicht feststellen, wie zahlreiche Videos im Netz über den Umgang mit russischen Kriegsgefangenen beweisen.

    1. So oder so ähnlich wird das ablaufen. Das mit den Rachegelüsten ist so eine Sache. Die Asow-Leute sind aus russischer Sicht mit ein Kriegsgrund d.h. diese Leute wollte man auf jeden Fall aus dem Verkehr ziehen. Wie soll das gehen? Politisch waren diese Kämpfer weniger von Gewicht, ihre Bedeutung liegt in der jetzigen Phase wohl mehr im militärischen (handeln auf Befehl). „Entnazifizierung“ geht aber über diesen Kriegszusammenhang hinaus. Wenn ich die Russen richtig verstehe, verfolgen die eine politische Bereinigung im Nachbarland. Einmal damit der Donbass nicht auf immer und ewig unter der (auch militärischen) Bedrohung der Zentralregierung in Kiew steht zum anderen sind ultranationale Kampfeinheiten explizite Russengegner der harten Sorte. Deshalb gehts der Sache nach um mehr als Rache. Zusatzbemerkung: Hier zeigt sich mE die Schwäche einer militärischen Durchsetzung politischer Zielsetzungen. Da wird einfach geschossen solange bis einer aufgibt inklusive der Verrohung im Umgang der Beteiligten (und zwar auf jeder Seite). Was soll ein „guter“ Krieg denn sein (es gilt wie überall: Der Erfolg adelt das Vorgehen).

  4. Update:
    Laut russischer Medien haben sich seit dem 16. Mai 959 Kämpfer ergeben, darunter 80 verwundete.

    Übrigens: Es gab nie eine Zusage, dass es zu einem Gefangenenaustausch kommt. Das ist ein Fake welcher von der ukrainischen + westlichen Seite verbreitet wird.

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