Duma-Wahl in Russland: Wie tief wird oder darf Einiges Russland fallen?

Russen gehen wählen. Screenshot von Ria-Novosti-YouTube-Video

Nach Vorhersagen staatlicher Institute könnten die Oppositionsparteien eine Mehrheit erlangen, Einiges Russland müsste 45 Prozent oder mehr erzielen, sonst wird es schwierig für den Kreml. Die Kommunistische Partei wird zulegen, auch dank „Kluges Wählen“.

 

 

Die Duma-Wahlen in Russland, die heute begonnen haben und bei denen lange Warteschlangen von Staatsangestellten und Militärs berichtet wurden, werden Fake-Wahlen sein, das ist fast einhellig die Meinung, auch in russischen Oppositionskreisen (“Die meisten Russen sind frustriert und wütend, aber auch deprimiert und apathisch”). Daher sind sie auch langweilig, entsprechend niedrig wird die Wahlbeteiligung sein. Schon wer zugelassen oder ausgeschlossen wird, ist oft Zeichen einer gesteuerten Demokratie. Ausgegangen wird auch davon, dass mitunter scheinbar oppositionelle Parteien zugelassen werden – zu dem Zweck, eine demokratische Wahl zu simulieren. „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“ wird mitunter als eine solche Kreml nahe Oppositionspartei gesehen. Und Novaja Gaseta hat eine Schulungssitzung für Wahlleiter der Stadt Koroljow veröffentlicht, bei der es um Wahlmanipulation ging, um sicherzustellen, dass die Kremlpartei Einiges Russland 42-45 Prozent der Stimmen erhält. Vom Ziel, mehr als 50 Prozent zu erhalten, ist man längst abgekommen.

Da Russland nur 60 OSZE-Wahlbeobachter angeblich Pandemie bedingt zulassen wollte, hat die OSZE schon im August eine Wahlbeobachtung ausgeschlossen, um nicht als Feigenblatt zu dienen. Die Beschränkung sei ohne Pandemie definierte Restriktionen für die Bewegung und den Aufenthalt von Beobachtern auferlegt worden. Notwendig seien mindestens 80 langfristige und 420 kurzfristige Wahlbeobachter.

Maria Sacharowa wirft der OSZE vor, einen Skandal inszeniert zu haben. So seien zur US-Präsidentenwahl auch nur 40 Beobachter geschickt worden. Jetzt würden 250 ausländische Beobachter von 55 Ländern kommen. Aber die sind halt „friendly“. Die Beobachter, so berichtet Tass, würden Einblick in die Wahlbüros über Überwachungskameras erhalten. Ein Zugang würde auch Journalisten gewährt werden. Wichtig für Einiges Russland ist nicht nur, wieder stärkste Partei zu werden, auch wenn man vielleicht nur noch auf unter 30 Prozent kommt, sondern auch die Wahlbeteiligung, um der Duma eine demokratische Legitimation zu geben.

In Moskau und anderen Regionen wurde auch zur Erhöhung der Wahlbeteiligung eine Online-Abstimmung ermöglicht, was natürlich wieder die Kritik verstärkt, dass dort noch einfacher manipuliert werden könne. 2,6 Millionen Anträge auf Online-Wahl wurden eingereicht, viele haben schon gewählt, nach der Zentralen Wahlkommission gab es bislang keine ernsthaften Beschwerden. Und in den „Volksrepubliken“ in der Ostukraine, wo Moskau es erleichtert hat, die russische Staatsbürgerschaft zu erhalten – es sollen weit über 500.000 sein -, werden diejenigen mit russischen Pässen aufgefordert, in Wahlstationen in Russland nahe der Grenze oder auch durch Online-Abstimmung ihre Stimmen abzugeben.

Bezeichnend ist, dass versucht wurde, das von Nawalnys Gruppe entwickelte Smart-Voting-System vor der Wahl auszuhebeln. Nawalny sitzt zudem im Gefängnis, seine Organisation wurde verboten. Man griff die mittlerweile in den USA und im Westen geläufige Argumentation auf, dass das Ausland die Wahlen beeinflussen will. Das Smart-Voting-System sei in den USA angesiedelt, dorthin würden auch die Daten der App übermittelt. Der Zugang zu ihr wurde in Russland verboten, die Provider mussten die Sperre einführen.

Dabei war das Konzept des Smart Voting auch in Russlands Oppositionsparteien umstritten. Es basiert darauf, dass empfohlen wird, jeweils den Kandidaten für die Duma oder als Gouverneur zu wählen, der am ehesten die Chancen hat, gegen den Kandidaten der Kremlpartei Einiges Russland antreten zu können. Dabei spielt keine Rolle, welche Partei oder welches politisches Programm jemand vertritt, Hauptsache er oder sie ist nicht ein Vertreter von Einiges Russland. Das ist schon sehr verzweifelt oder eine demokratische Kamikaze-Taktik, wenn es egal ist, ob jemand rechts oder links, nationalistisch, rassistisch oder liberal ist, dagegen sein ist alles, ausgeschlossen wird keine Partei und kein(e) Kandidat(in).

2020 verlor bei den Kommunalwahlen einzig in Tomsk die Kremlpartei Einiges Russland durch Smart Voting die Mehrheit. Sie erhielt nur noch 11 der 37 Sitze in der Duma, was allerdings auch heißt, dass hier die Wahl nicht manipuliert wurde. Eine wirkliche Zusammenarbeit der durch Smart Voting in die Duma gehievten Parteien scheint es allerdings kaum zu geben.

Am Mittwoch wurde die Liste der Smart-Voting-Empfehlungen veröffentlicht. Vor allem werden Mitglieder der Kommunistischen Partei, aber auch von Gerechtes Russland und der rechten Liberaldemokratischen Partei vorgeschlagen, kaum jemand von der linksliberalen Partei Yabloko.

Die staatliche Meinungsforschungsinstitut VTsIOM hat kürzlich eine Umfrage zum Wahlverhalten veröffentlicht, ist aber nicht wirklich eine zuverlässige Quelle. Man könnte unterstellen, dass die Ergebnisse auch dazu dienen könnten, die erwarteten und/oder manipulierten Wahlergebnisse zu legitimieren. Das einzig staatlich unabhängige, aber auch finanziell vom Westen unterstützte Levada Center wurde zum ausländischen Agenten erklärt. Nach VTsIOM würden nur 35,3 Prozent der Bürger, die wahrscheinlich an der Wahl teilnehmen, für Einiges Russland stimmen,  20.5 Prozent für die KP, 8,5 Prozent für die Liberaldemokraten, 6,9 Prozent für Gerechtes Russland und 4,6 Prozent für die erst 2020 gegründete Partei „Neue Leute“. Die der offenbar ausgegebenen Devise angepasste Wahlprognose lautet: Einiges Russland mit 42 Prozent, KP mit 19 Prozent, Liberaldemokraten mit 11 Prozent, Gerechtes Russland mit 8 Prozent und Neue Leute mit 5 Prozent. Andere Parteien würden wegen der 5-Prozent-Hürde nicht in die Duma kommen. Theoretisch könnten die Oppositionsparteien, würden sie zusammengehen, eine Mehrheit bilden. Wenn Parten wie Gerechtes Russland oder Neue Leute aber wirklich nur Kreml abhängige Schein-Oppositionsparteien sind, würde das nicht geschehen.

Interessant wird sein, wie hoch die Wahlbeteiligung und die Stimmen für Einiges Russland sowie für die Kommunistische Partei ausfallen werden, ob Fälle von Wahlmanipulationen etwa von den Beobachtern der Oppositionsparteien dokumentiert werden und ob tatsächlich mehr als vier Oppositionsparteien in die Duma einziehen, was Einiges Russland Sitze in der Duma kosten würde. Erst am Sonntag sind die Wahlen beendet, es gäbe also noch Zeit, Reißleinen zu ziehen, falls man dies im Kreml für notwendig erachtet. Der russische Präsident Wladmir Putin hat seinen Außenminister Lawrow und seinen Verteidigungsminister Schoigu, beide sind einigermaßen anerkannt bei den Russen, ins Rennen für Einiges Russland geschickt und sich selbst in Quarantäne zurückgezogen.

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Ein Kommentar

  1. Das soll also heißen, wenn einiges Russland die Mehrheit hat ist es Manipuliert. Zeuge sind die Oppositionellen.
    Wenn die Opposition gewinnt ist alles in Butter, das obwohl es nicht um Inhaltliche Politik geht?

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