Drohnenangriffe auf Politiker werden die politische Kultur verändern

Nach dem Drohnenangriff auf die Residenz des irakischen Premiers. Bild: INA

Der irakische Regierungschef wurde Opfer eines Drohnenangriffs durch Unbekannte in seiner Residenz in der gut geschützten Green Zone in Bagdad. Das wird zur permanenten Bedrohung für Politiker werden.

Was schon lange befürchtet worden war, wird nun allmählich zu einer Bedrohung, die das politische Leben verändern könnte. Im Irak wurde die Residenz von Regierungschef Mustafa al-Kadhimi, der Geheimdienstchef war, bevor er 2020 Regierungschef wurde, in der gut gesicherten Green Zone mit drei mit Sprengstoff beladene Drohnen angegriffen. Zwei der Drohnen konnten offenbar abgeschossen werden, eine landete vor dem Haus, verletzte einige Sicherheitskräfte und richtete einigen Schaden aus. Nach den veröffentlichten Bildern scheint die von der Drohne – eine Kamikazedrohne? – mitgeführte Sprengladung  auf eine etwas größere Drohne hinzudeuten. Kadhimi erklärte, er und alle, die mit ihm arbeiten, seien wohlbehalten. Möglicherweise wurde er aber doch leicht an einem Arm verletzt, wie ein Foto zeigt. Spezial- und Antiterroreinheiten sind nun um die Greenzone eingesetzt, Hubschrauber und sogar Kampfflugzeuge sollen unterwegs sein.

Der Islamische Staat in Syrien und im Irak hatte 2017 damit begonnen, mit gekauften oder selbst zusammengebauten Mini-Drohnen, von denen Granaten oder Sprengstoff abgeworfen wurde, Angst und Schrecken zu verbreiten. Es war die erste größere Angriffswelle mit bewaffneten Drohnen, die nicht von Streitkräften oder Geheimdiensten eines Staates gestartet wurde. Die Verwendung von Drohnen zur Aufklärung reicht natürlich weiter zurück. 2018 erfolgte dann der erste spektakuläre Angriff auf einen Staatschef, nämlich auf den venezolanischen Präsidenten während einer Militärparade. Der Mordanschlag scheiterte, angeblich wurden die zwei mit Sprengstoff beladenen Drohnen abgeschossen. Für den Anschlag übernahm die Widerstandsgruppe Soldados de Franelas die Verantwortung.

Gezielte Tötungen mit großen Kampfdrohnen oder Kamikazedrohnen waren bislang ein Mittel von Staaten bei der Bekämpfung von Gegnern im Ausland, die über keine Raketen- und Luftabwehr verfügen. Der versuchte Mordanschlag auf den irakischen Regierungschef, für den noch niemand die Verantwortung übernommen hat und dies vielleicht auch gar nicht machen wird, macht darauf aufmerksam, dass die Zeit angebrochen, in der nicht nur Terroristen, Aufständische oder asymmetrisch unterlegene Gegner mit einem Drohnenangriff nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch in Gebäuden rechnen müssen. Leibwächter müssen nun auch auf Angriffe aus der Luft achten und werden auch, wie der Angriff in der Festung der Green Zone zeigt, selbst stärker gefährdet. Schutzwesten und Pistolen werden nicht mehr reichen.

In dem Fall waren gewalttätige Proteste vor der Green Zone vorausgegangen. Demonstranten protestieren seit Wochen gegen die für sie manipulierte Wahl am 10. Oktober, die Wahlbeteiligung betrug gerade mal 41 Prozent. Am Wochenende wurden bei den Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften mindestens ein Demonstrant getötet und viele, auch viele Polizisten, verletzt. Schiitische Milizen machten dafür auch Kadhimi verantwortlich. Der hat eine Untersuchung der Vorgänge versprochen.

Bei der vorgezogenen Wahl hatten Parteien von schiitischen Milizen massiv verloren, während beispielsweise Muktada al-Sadr mit seiner Sairoun-Koalition die meisten Sitze gewonnen hat. Der schiitische Geistliche Al-Sadr, der mit der Mahdi-Armee einst die US-Truppen bekämpfte, sich gegen die amerikanische Präsenz stellte und 2016 Proteste gegen die Regierung und die Korruption angeführt hatte, ist zwar kein Abgeordneter, aber ab 2018 ein einflussreicher Politiker mit seiner Koalition aus ganz unterschiedlichen Parteien. 2019 war er auch Ziel eines Drohnenangriffs geworden, vermutlich weil er sich gegen iranischen Einfluss auf den Irak wendet und damit Angriffe der mit Iran verbundenen schiitischen Milizen auf sich zieht. Nach der Ermordung von Qasem Soleimani, Kommandeur der iranischen Revolutionsgarde,  durch eine amerikanische Kampfdrohne im Irak 2020, forderte er die Schließung der US-Botschaft und den Rausschmiss der US-Truppen.

Al-Sadr hat jetzt den Drohnenangriff auf den irakischen Regierungschef ebenso verurteilt wie die Hisbollah und die iranische Führung, die ihn, wie die meisten, als „feig“ bezeichneten. Auch irakische schiitische Milizen verurteilten ihn. Im Iran wird auch gerätselt, warum Kadhimi auch von Raketen, von „feigen Raketen und Drohnen“ sprach. Überdies wird gesagt, die US-Truppen hätten ihr C-RAM-System (Counter rocket, artillery, and mortar) erst nach der Explosion eingeschaltet. Man will also suggerieren, dass das US-Militär Bescheid wusste vom Drohnenangriff. Für Irritation sorgte auch der irakische Generalmajor Yahya Rasoul, der trotz der veröffentlichten Bilder von den Schäden gestern Abend behauptete, es habe innerhalb der Green Zone keine Explosion gegeben.

Kadhimi sagte, man kenne die Angreifer und werden sie verfolgen. Er rief zur Ruhe auf. Von überall erhielt der irakische Regierungschef Mitteilungen, die den versuchten Mordanschlag verurteilten. Vermutet wird, dass die Angreifer den  Irak destabilisieren wollen. Auf jeden Fall hat der Angriff gezeigt, dass auch scheinbar gut gesicherte Ziele angegriffen werden können. Und jetzt müssen eigentlich alle Politiker damit rechnen, zum Ziel von Drohnenangriffen zu werden. Nicht jeder lebt in einem gut geschützten Weißen Haus. Gebäude und Auftritte im öffentlichen Raum von Politikern du Regierungsangehörigen müssen in Folge mit Drohnenabwehrsystemen gesichert werden. Das wird zur Folge haben, dass die direkten Kontakte mit Menschen  weiter eingeschränkt werden und sich die politische Blase weiter abdichten wird, da Sicherheit Abkapselung und Überwachung bedeutet.

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